hier konkret: Fragen an haGalil
Die Webseite »haGalil« informiert seit zehn Jahren über
jüdisches Leben, Antisemitismus und Entwicklungen in Israel. Nun ist das
Projekt in Gefahr, weil die Bundesregierung die Fördermittel streichen will.
KONKRET
4/2005,
Seite 3
KONKRET sprach mit »haGalil«-Redakteurin Andrea Livnat
konkret: Welches waren die Schwerpunkte von »haGalil« in
den vergangenen Jahren, wo sehen Sie die größten Erfolge?
Livnat: »haGalil« hat sich der Abwehr der immer stärker
werdenden nazistischen und antisemitischen Nutzung des Internets
verpflichtet. Dabei ist uns die Schaffung eines massiven Gegengewichts durch
aufklärende Inhalte am wichtigsten. Nach dem Prinzip »100 Seiten Wahrheit
gegen jede Seite Lüge und Haß« konnten wir die nazistischen Webseiten von
den vorderen Suchmaschinenrängen verdrängen. »haGalil« steht heute wie ein
Schutzwall vor der ständig steigenden Flut antisemitischer Hetze im
Internet. Suchanfragen wie »Judentum«, »koscher«, »Schabath« etc. führen
nicht mehr vorrangig zu rechtsextremen Propagandaseiten, wie das zu Beginn
unserer Arbeit der Fall war.
Außerdem nutzt »haGalil« die kommunikativen Möglichkeiten des Internets. Die
besten Voraussetzungen für Verständigung sind Begegnung und authentische
Information. Für einen Jugendlichen in Brandenburg ist »haGalil« oft die
einzige Möglichkeit, mit Juden in einen Dialog zu treten.
Und schließlich nutzen wir die juristischen Möglichkeiten. Wir haben bereits
1997 das erste Meldeformular für NS-Seiten ins Netz gestellt. Im Jahr gehen
hier zirka 1.000 Anzeigen ein, fast jede dritte Strafanzeige in diesem
Bereich ist auf eine Meldung über unsere Anlaufstelle zurückzuführen.
Die antisemitische Hetzrede des ehemaligen CDU-Abgeordneten Hohmann wurde
durch unser Meldeformular »aktenkundig« und erreichte erst über »haGalil«
die breite Öffentlichkeit.
Auch auf die Tatsache, daß antisemitische Gewalttäter in Komplizenschaft mit
der schweigenden Mehrheit heute - in aller Öffentlichkeit - wieder
Existenzen ruinieren können, mußte erst »haGalil« am Beispiel eines
Geschäfts für koschere Lebensmittel hinweisen. Der Besitzer dieses Ladens
ist nach anhaltenden antisemitischen Attacken mittlerweile nach Israel
ausgewandert.
konkret: Die Bundesregierung will »haGalil« finanziell
nicht mehr unterstützen. Wie wird das begründet?
Livnat: »haGalil« erhält seit 2002 eine indirekte Förderung
über das Programm entimon, das im Zuge des »Aufstands der Anständigen« ins
Leben gerufen wurde und im Familienministerium abgewickelt wird.
Gefördert wurde das Projekt »OR - Bildung gegen Antisemitismus«,
dessen Ziel »die Sicherung und der Ausbau der redaktionellen Tätigkeit
von haGalil onLine zu den Themen: Jüdisches Leben, jüdische Kultur und
Geschichte sowie - vor dem Hintergrund wachsender antisemitischer und
antizionistischer Tendenzen - zum Konflikt im Nahen Osten« ist.
Die Förderung wurde über einen Berliner Trägerverein abgewickelt. Nachdem
diese Zusammenarbeit zunehmend schwieriger wurde, ist für 2005 in
gegenseitigem Einvernehmen ein Trägerwechsel vereinbart worden. Obwohl das
Ministerium signalisiert hatte, daß solch ein Trägerwechsel nicht
ungewöhnlich und ein von unserer Seite angeregtes Gespräch zur formellen
Klärung von Detailfragen nicht nötig sei, wurde der Trägerwechsel
schließlich abgelehnt. Statt dessen legte der zuständige Referent nahe, sich
mit dem alten Träger zu einigen. Der hat jedoch in einem Einschreiben die
weitere Zusammenarbeit aufgekündigt. Der einvernehmliche Wunsch der
Beteiligten nach einem Trägerwechsel wurde vom Ministerium ignoriert, das
Projekt daraufhin für abgeschlossen erklärt.
Als Begründung werden immer neue Argumente ins Feld geführt, die teilweise
einfach falsch sind oder nur einen Teil der Wahrheit wiedergeben. Es geht
dabei um Fristen, Drittmittel, die Definition des Projektes an sich. Die
Stellungnahmen des Ministeriums lassen vermuten, daß die
Projektbeschreibungen der vergangenen drei Jahre nicht gelesen oder nicht
verstanden wurden. Zudem wird in der Diskussion deutlich, daß das
Ministerium unterschiedliche Standards ansetzt. Denn der Verlängerung des
Projektes mit dem alten Träger hätte man durchaus zugestimmt, Fristen,
Drittmittel etc. wären in diesem Fall jedoch die gleichen gewesen.
konkret: Ging Ihr Kampf gegen Antisemitismus dem
Ministerium möglicherweise etwas zu weit?
Livnat: Das ist eine Frage, die Sie besser dem Ministerium
stellen sollten. Daß »haGalil« unbequem ist und Aufsehen erregt, ist
durchaus richtig. In einem Gespräch im Herbst 2003 hat der zuständige
Bearbeiter im Ministerium berichtet, daß von allen Initiativen, die durch
entimon gefördert werden, keine so massiv angegriffen werde wie »haGalil«.
Dies äußere sich in Zuschriften aus rechtskonservativ-nationalen Kreisen,
auf die das Ministerium zu antworten gezwungen sei. Zuschriften, die wir
übrigens jeden Tag erhalten, genau wie jede jüdische Organisation
hierzulande. Der Zuständige hat damals in diesem Zusammenhang darum gebeten,
daß wir die Banner und Verweise auf entimon aus »haGalil« entfernen. Eine
Bitte, die mich sehr erstaunt hat, sollte man doch meinen, das Ministerium
stehe zu den von ihm geförderten Projekten.
konkret: Wie geht's nun mit »haGalil« weiter?
Livnat: Selbstverständlich ist es uns ein dringendes
Anliegen, unsere Arbeit fortzusetzen. Wir wissen genau, was passieren würde,
wenn »haGalil« vom Netz ginge. Dann würden wieder die Nazi Seiten die oberen
Ränge der Suchmaschinen zu jüdischen Themen belegen.
[Don't talk, act!]
[Nicht
Reden! Handeln!]
haGalil e.V., Münchner Bank, Bank Nr. 701
900 00, Account Nr. 872 091
Die Mediadaten von haGalil onLine:
Den
Bedarf an Information sichtbar machen
Das Interesse der Bürger an einem online abrufbaren und damit
breitenwirksamen Bildungsangebot zum Judentum ist ungebrochen. Tendenz der
Zugriffszahlen weiterhin steigend...
haGalil
muss weitergehen!
Unterschriftensammlung zum offenen Brief an die
Bundesfamilienministerin und an den Bundeskanzler
haGalil versteht sich als Kommunikationsplattform unterschiedlicher
Auffassungen und Einstellungen im Judentum
und zum Judentum und ist ein unverzichtbarer Bestandteil der
Kommunikation über dessen Traditionen und Perspektiven geworden... [Unterschriftensammlung]...
haGalil
must continue!
Your signature to
the open letter to the Federal Minister for Family Affairs and the Federal
Chancelor
haGalil is a communication platform that offers differing
perceptions and opinions regarding Judaism for Jews and Non-Jews. As such
haGalil has become an indispensable tool of communcation with regard to its
traditions and perspectives...
haGalil in Schwierigkeiten:
"Wir kriegen haufenweise
unappetitliche E-Mails"
Jüdisches Internetportal haGalil ist in
Schwierigkeiten. Bund zahlt keinen Zuschuß mehr. Ein Gespräch mit Andrea
Livnat...
Basler Zeitung:
Sprache des Friedens
Was hat Theodor Herzls «Altneuland» mit Tel Aviv zu tun?
Und wann ist in diesem Jahr eigentlich Purim?...
Süddeutsche Zeitung:
Hohmann und Koscheres
Dem Online-Dienst Hagalil droht das finanzielle
Ende und der Protest ist heftig. Der "Aufstand der Anständigen" finanziere
lieber "Buntstifte für Davidsternchen und Filmabende für Eingeweihte" - und
nicht konkrete Aufklärungsarbeit gegen Antisemiten und Neonazis...
Kampf dem Antisemitismus in Europa:
Hagalil am Ende?
Ein offener Brief an die Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend Renate Schmidt...
3SAT Kulturzeit-Nachrichten in Kürze:
Julius Schoeps
appelliert an Bundesfamilienministerium
Wenn man bedenkt, dass heute das
Versammlungsrecht im deutschen Bundestag beschnitten oder verschärft worden
ist, dann fragt man sich allerdings, was ist der Politik wichtiger: die
Prävention oder die Maßnahmen. Ich würde sehr dafür plädieren, dass die
Prävention zukünftig stärker gefördert wird...
Radio Tipp am Freitag 11-03-2005, 14:45h
bis 15:00h: Jüdischer Glaube - jüdisches Leben mit Michael
Strassmann und Daniel Krochmalnik - Die Sendung "Schalom" soll auf den
Sabbat einstimmen, der am Freitag Abend beginnt und wird vom Landesverband
Israelitischer Kultusgemeinden gestaltet. Aufzeichnung als
RealAudio...
Zum Projekt
"OR":
Stellungnahme zur aktuellen
Pressemeldung des BMFSFJ
Nachdem zahlreiche Medien
über die Einstellung der Förderung für haGalil.com durch das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berichteten, hat
das Ministerium als Reaktion eine Pressemeldung veröffentlicht. Obwohl darin
die Rede davon ist, dass das Ministerium eine "hohe Transparenz" für zentral
hält, werden entscheidende Fakten betreffend der Förderung des
innerhalb von haGalil.com verwirklichten Projektes "OR" nicht oder falsch
wiedergegeben. (print)...
ARD Monitor Bericht zur aktuellen Situation:
Kein Geld mehr gegen Rechtsextreme
Die jüdische Onlinezeitung "haGalil" (Galiläa) war bis zum Jahresende
ein erfolgreiches Element in dem mit Bundesmitteln finanzierten
Aktionsprogramm gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit...
[VIDEO ANSCHAUEN]
joods.nl:
haGalil.com luidt noodklok
Achtergrond van de subsidiekorting tamelijk ondoorzichtig. Europa's
grootste internetkrant op het gebied van jodendom en antisemitisme, wordt in
haar voortbestaan bedreigd nu de belangrijkste bron van inkomsten, een
staatssubsidie van 100.000 euro, om vooral bureaucratische redenen niet
wordt toegekend...
Associazione per i
popoli minacciati:
La fine per haGalil?
Lotta all'antisemitismo in Europa - Metta da
parte i supposti formalismi burocratici e continui a sostenere haGalil.
Questo sarebbe un modo efficace e coerente di procedere contro
l'antisemitismo!...
Jungle World:
Fällt die Mauer?
Seit zehn Jahren informiert Hagalil über jüdisches Leben. Das
Online-Bildungsangebot ist ein Bollwerk gegen Rassismus und Antisemitismus.
Nun droht ihm das Aus...
Telepolis:
Hagalil
funkt SOS
Wegen Mittelstreichung
droht dem jüdischen Internetmagazin das Aus...
Frankfurter Rundschau:
Neuer Träger - Geld weg
Das Onlinemagazin "Hagalil" ist in seiner Existenz
bedroht...
Tagesspiegel:
Engagiert, aber arm
Jüdischer Online-Dienst hagalil ringt um Unterstützung...
Tageszeitung:
Klammer
Schutzwall
Viele Infos, wenig Geld - das jüdische Online-Magazin "haGalil.com" wird
leider nicht mehr staatlich finanziert...
hagalil.com 29-03-2005 |