Die Geschichte vom angeblich nie gestellten Antrag:
Trotzdem abgelehnt und inzwischen sogar zurückgezogen
Ist der "Aufstand der Anständigen" nur eine
Beschönigungstherapie für die Berliner Arbeitsmarktstatistik?
Erinnern Sie sich an den
Monitor-Beitrag zum Thema haGalil und den "Auftritt der Umständlichen"
im BMFSFJ? Wer hätte damals gedacht, dass die Zuständigen auch 5 Monate nach
ihrer für kaum jemanden nachvollziehbaren Entscheidung den konstruktiven
Dialog verweigern und stattdessen noch immer nach neuen Begründungen suchen
oder gar die alten und längst widerlegten immer wieder neu erzählen würden.
Das Ministerium versuchte damals den Eindruck
zu erwecken, als ginge es um Termine. Monitor sah im Streit um
Förderungsanträge und Trägerschaften weniger den "Aufstand der Anständigen"
als vielmehr den "Auftritt der Umständlichen".
Peter Ruhenstroth-Bauer, Staatssekretär im Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, kam zu Wort: "Wir benötigen für unsere
Förderung - wie gesagt: 3.600 Projekte seit 2001 - natürlich bestimmte
Regeln. Und eine der Regeln bedeutet, dass man bis Ende letzten Jahres einen
Antrag stellen muss. Den haben wir bislang nicht bekommen"...
An dieser kurzen Aussage lassen sich mehrere Ungenauigkeiten finden, aber
das Magazin Monitor hat ganz recht, wenn es kurz und knapp festhält: "Der
Staatssekretär verschweigt, dass haGalil diesen Antrag gar nicht stellen
konnte, weil sein Ministerium einen bereits vereinbarten Trägerwechsel am
Jahresende plötzlich ablehnte. Sehr kompliziert"...
Nachdem das Ministerium in einer Pressemeldung betont hat, ihm sei
Transparenz sehr wichtig, wollen auch wir betonen, dass es nicht zuletzt
fehlende Transparenz war, die einen Antrag auf Trägerwechsel notwendig
gemacht hat. Leider erreichte (am 10.12.2005) den in München eingetragenen
haGalil e.V., trotz erfolgter persönlicher bzw. telefonischer Beratung mit
dem alten Träger (Tacheles Reden e.V.), der Unternehmensberatung gsub
(Servicestelle Entimon) und dem zuständigen Referatsleiter im BMFSFJ - und
gänzlich gegenteiliger Auskunft und Ankündigung, die
Ablehnung
des Antrags auf Trägerwechsel.
Absender war die Berliner Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH
(gsub). Diese GmbH stellt sich auf ihrer Homepage als "beliehenen
Unternehmer des Landes Berlin" vor. Sie soll im Auftrag der Berliner
Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Arbeit und Frauen und Gesundheit,
Soziales und Verbraucherschutz den so genannten "öffentlichen
Beschäftigungssektor in Berlin" fördern.
In Zusammenarbeit mit den Senatsverwaltungen und Bezirksämtern koordiniert
die Gsub mbH Projekte
des Landes Berlin, die u.a. Leistungen in den Bereichen Gesundheit und
Soziales, Jugend und Familie, Breitensport und Standortförderung im
öffentlichen Interesse anbieten sollen. Die "soziale Infrastruktur der
Berliner Bezirke soll unterstützt werden und es soll ein spürbarer Beitrag
zur Abmilderung der hohen Arbeitslosigkeit in Berlin geleistet werden".
Arbeitslosen Berlinern soll zumindest eine zeitweilige Beschäftigung im
öffentlich geförderten Arbeitsmarkt ermöglicht werden.
Haben wir da etwas falsch verstanden? Ging es nicht um den "Aufstand der
Anständigen". Ging es dabei nicht einmal um einen hinter der Kirche in
Ahlsbeck totgetretenen Glochard? Um einen im Dessauer Volkspark erschlagenen
Familienvater? Um Springerstiefel mit Stahlkappen in der Lüneburger Heide?
Waren es nicht Neonazi-Mörderbanden, die in Hoyerswerder und Magdeburg
Menschen zu Tode hetzten? Waren es nicht Brandanschläge auf Synagogen in
Lübeck und Düsseldorf und ein Sprengstoffanschlag mit vielen Verletzten an
einer Düsseldorfer S-Bahnstation? Waren es nicht ständig neue Rekordzahlen
über nazistische und antisemitische Hetzseiten im Internet gegen die Mittel
und Wege zu finden waren?
Ganz bestimmt ist die Förderung arbeitsloser Sozialpädagogen in Berlin eine
schöne Aufgabe. Nur, was hat das mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus in
Deutschland im Allgemeinen zu tun? Wie konnte es geschehen, dass der so
genannte "Aufstand der Anständigen" als Berliner Lokalveranstaltung
versumpfte? Endet die viel gepriesene "Berliner Republik" dort, wo früher
die Mauer verlief?
Wenn man die Bereitschaft der Bürger und
Steuerzahler dieses Landes zur Aufwendung von 200 Millionen Euro gegen die
nazistische Gefahr dazu missbraucht, eine Beschäftigungstherapie für
Soziologen und Politologen, einzurichten, deren Qualifikation in erster
Linie ein gemeldeter Wohnsitz im Lande Berlin ist, dann ist dies mehr als
zynisch.
Das Wort entimon ist griechisch und bedeutet
Respekt. Von Achtung, Respekt und Anerkennung sprach noch die Vorgängerin
der jetzigen Ministerin im BMFSFJ. Von Unterstützung derjenigen, war einmal
die Rede, die sich seit Jahren gegen den Rechtsextremismus engagiert hatten.
entimon: Die Offenheit für Fremde und die
Vielfalt kultureller, ethnischer und religiöser Überzeugungen und
Lebensformen soll mit dem Eintreten für die Verfassung und für
Menschenrechte verbunden werden. Dies beinhaltet auch die Unterstützung der
Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in die Gesellschaft. Ein
weiteres Ziel von entimon ist die Förderung der Bereitschaft, sich gegen
Gewalt, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu wenden
und Minderheiten zu schützen. Dazu gehört auch die aktive Förderung einer
demokratischen Kultur, die von Zivilcourage und der Bereitschaft, sich für
Aufgaben des Gemeinwesens zu engagieren sowie Interessengegensätze und
Konflikte demokratisch zu bewältigen, getragen wird. Ein weiteres zentrales
Element von entimon ist die Vermittlung einer verlässlichen politischen
Grundbildung.
hagalil.com 24-05-2005 |