Rechte Gewalt in Polen:
Kein Frieden, keine Freude, EierwürfeNach
einem Übergriff von Polizisten und Rechtsextremisten auf eine Demonstration
für Toleranz in Poznan bilden sich in Polen Solidaritätskomitees
von emmanuelle piriot und kamil majchrzak, poznan,
jungle world
Mit Geldbußen bis 1 200 Euro und Gefängnisstrafen von
einem Monat müssen mindestens 75 Personen rechnen, die bei einer
Demonstration in Poznan festgenommen wurden, kündigte Staatsanwalt Miroslaw
Adamski an. Sie hatten am vorletzten Samstag anlässlich des von der Unesco
ausgerufenen Internationalen Tages für Toleranz an einem von den polnischen
Grünen, Feministinnen- und Schwulengruppen organisierten »Marsch für
Gleichheit« teilgenommen. Doch der konservative Stadtpräsident Ryszard
Grobelny und der Wojewode Andrzej Nowakowski, der von der Zentralregierung
eingesetzte Verwalter der Region, halten wenig von der Toleranz,
insbesondere gegenüber Homosexuellen. Sie verboten die Veranstaltung.
Bereits fünf Tage zuvor hatte die katholische Kirche am polnischen
Unabhängigkeitstag die Stimmung angeheizt: »Die Genehmigung einer
Veranstaltung, die gegen fundamentale Gesetze Gottes gerichtet ist,
beleidigt das Andenken des Heiligen Vaters Johannes Paul II., eines
Ehrenbürgers dieser Stadt, und stellt die Glaubwürdigkeit der an Benedikt
XVI. gerichteten Einladung, uns zu besuchen, in Frage«, sagte Marek
Jedraszewski, der Bischof von Poznan, während seiner Messe für das
Vaterland. Bereits vor einem Jahr hatten Rechtsextremisten der katholischen
Liga der Polnischen Familien und ihrer Nachwuchsorganisation, der
neofaschistischen Allpolnischen Jugend, die DemonstrantInnen mit Steinen
beworfen und mit Stangen angegriffen.
»Die Veranstaltung gefährdet die öffentliche Ordnung und das Eigentum in
nicht unbeträchtlichem Maße«, erklärte Katarzyna Wilk von der
Stadtverwaltung. Andrzej Borowiak, der Pressesprecher der Polizei, gab
andere Verbotsgründe an: »Die Form und der Ort der Veranstaltung, die um 15
Uhr am Samstag stattfinden soll, sind geeignet, den Fußverkehr von Personen
zu behindern, die zum Einkauf unterwegs sind.« Die Ordnungskräfte lösten die
Demonstration brutal auf, die auch von Rechtsexremisten attackiert wurde.
»Mit euch werden wir machen, was Hitler mit den Juden gemacht hat«, »Schwule
vergasen«, »Polen ist katholisch« und »alte Pädophile« schrien junge
kahlgeschorene Männer den TeilnehmerInnen entgegen und bewarfen sie mit
Eiern.
»Wir haben Berufung sowohl gegen die Entscheidung des Stadtpräsidenten als
auch gegen den Wojewoden, der sie bestätigte, eingereicht. Parallel dazu
läuft eine zusätzliche Klage gegen den Präsidenten, weil er auch eine
Kundgebung am Alten Markt nicht genehmigen wollte«, erklärte Iza Kowalczyk
vom Organisationskomitee der Jungle World. Die Medienberichte versuchten,
die Demonstration auf ein Event der Schwulenszene zu reduzieren. Gegen die
Tendenz, die TeilnehmerInnen als pathologische und soziale Randgruppe zu
diskreditieren, haben sich nun in den größten polnischen Städten mehrere
Solidaritätskomitees gegründet.
Am vergangenen Samstag wurden auch Demonstrationen durchgeführt. »Wir sind
nicht auf den Straßen marschiert und haben deshalb die Demos nicht bei der
Polizei anmelden müssen«, sagte Agnieszka Grzybek, eine Mitveranstalterin
von der Vereinigung Frauen 8. März. Mehr als 2 000 Personen, darunter
mehrere kritische Intellektuelle, haben sich an einer Unterschriftenaktion
der Vereinigung gegen die faktische Beschränkung des Versammlungsrechts
beteiligt, u.a die Professorin Maria Janion und der Filmregisseur Kazimierz
Kutz.
Auch im Ausland wurde Polen zur Einhaltung elementarster Bürgerrechte
aufgefordert. Der polnische Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz wurde
auf einer Reise nach London von einer Protestdemonstration der Grünen
begrüßt. Proteste gab es auch vor den polnischen Botschaften in Berlin und
New York.
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