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Unvorhergesehene Veränderungen:
Israelische Gewissensproben

Von Reiner Bernstein

Nur wenige auswärtige Beobachter haben die rasanten Veränderungen in der israelischen Parteienlandschaft vorhergesehen, die mit einem Erdbeben verglichen worden sind. Dem endgültigen Abzug aus dem Gazastreifen Mitte September folgte zwei Monate später die Spaltung des "Likud"; sein bisheriger Vorsitzender Sharon hat sich neu entschieden. Seither umwerben seine Vertrauten die Politiker von links und rechts, sich der neuen Partei "Kadima" anzuschließen.

Shimon Peres und andere einflussreiche Mitglieder aus der Alten Garde der Arbeitspartei sind diesem Ruf bereits erlegen. Yossi Sarid hat mit dem Ausstieg aus dem linken Zweckbündnis aus "Meretz" und "Yachad" gedroht, weil er dem populären Sharon den Sieg bei den kommenden Wahlen zutraut und mit von der Partie sein möchte, wenn dieser Ende März 2006 eine neue Regierung bildet. Selbst Yossi Beilin, der gegenwärtige "Meretz/Yachad"-Vorsitzende, kann sich die Zusammenarbeit mit "Kadima" in einer Koalition als Juniorpartner vorstellen. Die Absatzbewegung Sharons zu der "zentristischen Kadima" sei "ein großer Sieg für die Zweistaatenlösung", begründete Beilin, der im Gegensatz zu Sarid einen Zuwachs für seine Partei Ende März 2006 voraussieht, die ins Auge gefasste Volte um 180 Grad.

Von Peres war die Entscheidung nach der internen Niederlage gegen Amir Peretz zu erwarten. Seine jahrzehntelangen persönlich guten Beziehungen zu Sharon und sein politisches Profil legten den Übertritt nahe. Peres gehörte zu den Gründungsvätern der Siedlungspolitik und wollte den Palästinensern später mit dem Autonomiestatus eine Bewährungsprobe auferlegen, deren sie sich vor weiteren israelischen Zugeständnissen würdig zu erweisen hätten. Sein Bündnis mit Sharon gibt Auskunft darüber, dass die Autonomiebehörde nach seiner Auffassung diesen Test nicht bestanden hat. Wenn Sharon dem 82jährigen anbietet, künftig als sein "Friedensbotschafter" durch die Welt zu reisen, verlängert er dessen politische Einflusslosigkeit. Die Peres zugeschriebene intellektuelle Brillanz ist der taktischen Skrupellosigkeit seines Partners nicht gewachsen. So scheint er sich nicht daran zu stören, dass ihn Sharon als Premier auch künftig auf dem Abstellgleis hin und her zu schieben beabsichtigt. Der Friedensnobelpreisträger von 1994 füllt die Funktion der mäßigenden Kraft, die sich das Ausland wünscht, phantastisch aus.

Erstaunlicher ist da schon der Szenenwechsel im Lager der parteipolitischen Alternative, wie sie sich selbst gern bezeichnet. Amir Peretz hat es mit brutaler Hemdsärmeligkeit geschafft, die Arbeitspartei hinter sich zu versammeln. Er hat seinen Ministern den Rücktritt aus dem Kabinett Sharon diktiert und so viele politische Hoffnungen geweckt, dass die Partei binnen einer Woche den Neuzugang von 25.000 Israelis registrieren kann. Die Reste des "Likud" fürchten um ihr traditionelles Wählerpotential unter den orientalischen Juden, das Peretz an sich zu binden könnte. Deshalb wird als taktischer Schachzug die Spitzenkandidatur von Silvan Shalom ins Kalkül gezogen, die Karten für den "Amerikaner" Benjamin Netanyahu stehen schlecht. Mit dem Wahlsieg des "Marokkaners" Peretz" oder des "Tunesiers" Shalom würde die Herrschaft der aschkenasischen Polit-Eliten zu Ende gehen, das von der "Sefardischen Torahwächter (Shas)" in den achtziger Jahren eingeleitet worden war.

Der neue Vorsitzende der Arbeitspartei hat bislang davon Abstand genommen, sich als friedenspolitische "Taube" zu bekennen. Sein Schwerpunkt liegt auf der Sozialpolitik, die bei dem früheren Finanzminister Netanyahu unter die neoliberalen Räder gekommen ist; das Armutspotential in der Bevölkerung wächst. Zwar verlangt Peretz die sofortige Wiederaufnahme von Verhandlungen mit den Palästinensern, aber die Annexion Ost-Jerusalems 1980 sowie die siedlungspolitische Erweiterung der Stadt im Norden, Osten und Süden sind für ihn tabu. Zudem wird der beginnende Wahlkampf der Arbeitspartei durch Hosni Mubarak erschwert, der sich unverblümt für den Verbleib Sharons als Regierungschef ausspricht und gleichzeitig im Abschlusskommuniqué der Konferenz in Barcelona der Formulierung zustimmt, wonach die Auflehnung in Gebieten unter fremder Besatzung legitim sei.

Die Widersprüchlichkeit des ägyptischen Präsidenten lässt sich nur so erklären, dass Kairo entweder die Idee des palästinensischen Staates vorerst aufgegeben hat, der auch die Westbank in den Grenzen vor dem Junikrieg 1967 einschließt, oder dass Mubarak davon überzeugt ist, dass der israelische Verzicht auf den Gazastreifen eine unwiderstehliche Dynamik auslösen wird, die auch die Präsenz Israels in den übrigen palästinensischen Gebieten einschließlich Ost-Jerusalem erfasst. Beide Optionen sind unter den Bedingungen der Unebenbürtigkeit vor Ort dazu angetan, den territorialen Status quo zugunsten Israels zu verfestigen. Die internationale Diplomatie kann, so ließe sich argumentieren, von Peretz keine größere Kompromissbereitschaft verlangen, als der sie der ägyptische Nachbar von Israel einfordert.

Um so mehr käme es darauf an, dass "Meretz/Yachad", das durch personelle Überlappungen mit dem israelischen Part der "Genfer Initiative" weitgehend identifiziert wird, für ein klares Kontrastprogramm gegen den zu befürchtenden politischen Immobilismus sorgt, der mit Sharon nicht zu überwinden ist. Darüber hinaus laufen heutige Spekulationen, auf eine Koalition mit "Kadima" zuzusteuern, auf eine zusätzliche Schwächung von Machmud Abbas hinaus, der – ohne sie beim Namen zu nennen – die Ideen der "Genfer Initiative" in sein politisches Programm übernommen hat und gegenwärtig versucht, die innenpolitische Opposition in Gestalt von "Hamas" zu zügeln. Dass es dabei nicht immer mit rechtsstaatlichen Mitteln zugeht, ist unbestritten. Sollten jedoch die radikalen Kräfte in der "Bewegung des islamischen Widerstandes" bei den Parlamentswahlen im Januar 2006 einen hohen Stimmenanteil auf sich vereinen, dürften sie nicht davor zurückschrecken, die Autonomiebehörde zu überspielen – mit dem Ergebnis, dass sich das israelische Militär zur Intervention eingeladen fühlt.

Abbas weiß, dass er die Gewalt gegen Israelis aus palästinensischem Interesse stoppen muss, weil keine israelische Regierung weitere Konzessionen unter Feuer eingehen wird. Dass sich Sharon die Definition des Terrors vorbehält, wäre für das israelische Friedenslager ein Anlass mehr, für eine operative Politik des Ausgleichs mit den Palästinensern in der israelischen Bevölkerung zu werben. Man darf gespannt sein, wie es dieser Verpflichtung nachkommt.

Der Autor ist Historiker und verantwortet die Homepage www.genfer-initiative.de.

hagalil.com 01-12-2005

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