Fazit zur Regierung Abbas:
Ein enttäuschender Politiker
Kommentar von Seev Shiff, Haaretz, 08.12.2005
Die Wahl von Mahmoud Abbas zum Vorsitzenden der
Palästinensischen Autonomiebehörde nach dem Tod Yasser Arafats war
erfrischend für jeden, der auf einen neuen politischen Prozess
zwischen Palästinensern und Israel und auf Verhandlungen ohne
Blutvergießen gehofft hat.
Abbas ist weit davon entfernt, den Bestrebungen
des gemäßigten Zionismus nachzugeben, doch er ist zu der Auffassung
gelangt, dass der palästinensische Kampf um Unabhängigkeit nicht mit
Hilfe von Terror geführt werden kann. Viele Vertreter der
palästinensischen Führung und der Fatah sehen das anders, so Qadura
Faras von der Fatah, der sich als gemäßigt gibt, doch vor Kurzem
erklärt hatte, dass die Palästinenser das Recht hätten, Gewalt (eine
andere Bezeichnung für Terror) anzuwenden, wenn sie nicht ihr Recht
bekommen.
Ministerpräsident Ariel Sharon war mit Recht
kritisiert worden, weil er sich fortdauernd gegen zweckdienliche
Gespräche mit Abbas sträubte. Doch um so mehr Zeit vergeht und sich
zeigt, dass die Selbstmordanschläge und der Beschuss durch
Qassam-Raketen auf Israel nach der Abkopplung weitergehen,
entwickelt sich eine andere Situation. Es gibt kein Anzeichen dafür,
dass Abbas bereit oder in der Lage ist, wirkliche Maßnahmen gegen
eine Terrororganisation wie den Islamischen Jihad einzuleiten. Er
beginnt nicht einmal damit, die Waffen der Organisation
einzusammeln, wozu er gemäß des internationalen Friedensplans, der
road map, verpflichtet ist.
Daher kann man kein anderes Fazit ziehen, als dass
die Regierung von Abbas keine positive Bedeutung hat. Er trägt
nichts zur Rettung seines palästinensischen Volkes aus dem Sumpf, in
dem sie stecken, bei. Mit seiner Regentschaft trägt er nichts zum
Frieden bei und er schwächt die Unterstützer des Friedens in Israel.
Abbas nutzt die historische Gelegenheit, die er hatte, nicht.
Natürlich will Abbas keinen palästinensischen
Bürgerkrieg herbeiführen oder sich in einen solchen verwickeln
lassen. Doch seine Gleichgültigkeit gegenüber Terroraktionen des
Islamischen Jihad ist schwer zu verstehen. Diese Gleichgültigkeit
drückt sich sogar in den vagen Äußerungen aus, in denen er den
Terror anscheinend verurteilt. Damit trägt er zur Anarchie in der
palästinensischen Gesellschaft und zu einer Bandenregierung bei.
Seine einzige Errungenschaft war, dass er die ägyptische Initiative
für eine Feuerpause, der sogenannten "Ruhephase", mit der Hamas
unterstützt hat.
Nur um das Abhalten der Wahlen sicherzustellen,
ist die Hamas nun bereit, das Abkommen über die "Ruhephase"
einzuhalten. Als den Hamas-Führern bekannt wurde, dass es in der
Fatah Vertreter gibt, die über die Verschiebung der Wahlen
nachdenken, erklärten sie den Ägyptern, dass sie zu einer
Verlängerung der Ruhephase um ein weiteres Jahr bereit seien und
zwar nur, damit die Wahlen abgehalten werden.
Abbas stellt sich derzeit einer kleinen
Terrorgruppe entgegen, die nicht bei den Wahlen im Januar antreten
und den Terror gegen Israel auch in Zukunft fortführen will.
Trotzdem ist der Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde
nicht bereit, ein Risiko einzugehen und gegen diese Organisation,
den Islamischen Jihad, vorzugehen. Auch in seiner schwachen Position
ist Abbas verantwortlich, wenn auch auf Umwegen, für
Verschlechterung und Leid, die immer mit Terrorakten einhergehen.
Gerade in den letzten Monaten hat Israel Offenheit
gezeigt, nicht wie in der Vergangenheit. Die Abkopplung vom
Gazastreifen und die Räumung der Siedlungen, die Öffnung des
Grenzuübergangs von Rafiah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten und
die Zustimmung für die Anwesenheit von Beobachtern der EU am
Grenzübergang Rafiah. Nach einer internen Diskussion hatten Sharon
und Shaul Mofaz genehmigt, die Präventivtötungen einzustellen. Ein
Tag vor dem Selbstmordanschlag in Netanya, dem vierten Anschlag des
Islamischen Jihad seit Beginn der Ruhephase, teilte die israelische
Armee mit, dass weitere 6.000 palästinensische Arbeiter und 1.000
weitere Händler nach Israel einreisen können.
Die palästinensischen Banden reagierten darauf mit
zunehmendem Beschuss durch Qassam-Raketen aus dem nördlichen
Gazastreifen auf israelische Ortschaften im Negev. Die Attentäter
waren nicht nur Mitglieder des Islamischen Jihad, sondern auch der
Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden, einer Untergruppe der Fatah, der
Organisation von Abbas.
Israel muss natürlich reagieren. Es muss sich mit
Entschlossenheit und Nachdruck verteidigen. Es darf nicht aufgeben
und nicht vollständig an den Palästinensern verzweifeln oder die
Kontrolle über sie und die Besatzung vertiefen. Israel muss auf
einen anderen Mann in der palästinensischen Führung warten, auf
einen mutigen Politiker, der dort vielleicht nach den Wahlen im
Januar an die Macht kommt. Und in der Zwischenzeit darf es sich
nicht von einem weiteren einseitigen Prozess abschrecken lassen, der
die Situation politisch und in Hinblick auf die Sicherheit
erleichtert.
hagalil.com 15-12-2005 |