MEMRI Special Dispatch, 23. November
2005
Privilegierung jüdischen Leids:
Arabische Stimmen zum UN-Holocaust-Gedenktag
Übersetzt und zusammengestellt von Wael
El-Gayar*
Auf Initiative Israels aber ohne
formelle Abstimmung beschlossen die UN Anfang November, den 27. Januar –
Tag der Befreiung von Auschwitz - zum internationalen Gedenktag für die
Opfer des Holocaust zu erklären. Laut UN-Erklärung solle die Resolution,
die sich auch gegen "religiöse Intoleranz" sowie "Aufstachelung und
Gewalt gegen Personen oder Gruppen wegen deren ethnischer Herkunft oder
ihres religiösen Glaubens" wendet, dazu beitragen, zukünftige Genozide
zu verhindern.
Kaum eine arabische Zeitung ließ diese
Resolution unkommentiert. Der Tenor war nahezu einhellig: Zwar spreche
an sich nichts gegen einen Holocaustgedenktag, es könne aber nicht
angehen, dass allein des Genozids an den Juden gedacht werde und andere
– insbesondere die palästinensischen Opfer im Nahostkonflikt –
unbeachtet blieben. Von "Geschichtsfälschung" und "politischer
Instrumentalisierung des Holocaust" im Dienste Israels war etwa in der
Zeitung Al-Watan aus Qatar die Rede.
Vor diesem Hintergrund werden auch die
UN-Repräsentanten der arabischen Länder dafür kritisiert, nicht genügend
gegen diese Resolution protestiert zu haben. So bemängelte die Al-Quds
Al-Arabi aus London, dass die arabischen UN-Vertreter nicht versucht
hätten, der Resolution "einen Absatz hinzuzufügen, mit dem die Völker
der Welt über die Tragödie des palästinensischen Volkes unter der
Herrschaft der Opfer des europäischen Rassismus aufgeklärt werden".
Einige Artikel knüpften auch an
Argumentationsmuster der Holocaustleugnung oder –relativierung an. So
habe der Zionismus mit dem NS-Staat kooperiert, um die europäischen
Juden zur Auswanderung nach Palästina zu bewegen (Al-Quds Al-Arabi,
19.11. 2005). Außerdem, so schreibt der renommierte Autor Arafat Hijazi
in der großen jordanischen Tageszeitung Al-Dustour am 16. 11.2005, habe
die Zahl der ermordeten Juden weit weniger als sechs Millionen betragen,
"weil es doch damals insgesamt in Europa nur drei Millionen gegeben
habe, von denen die meisten überlebt hätten". In Palästina sei dann ein
Staat gegründet worden, "nachdem sich alle europäischen Völker geweigert
haben, mit diesen Juden zusammenzuleben, die fortwährend jene Staaten
und Völker verrieten, die sie beherbergt haben".
Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus
zwei Beiträgen. In der Zeitung Al-Sharq Al-Awsat (London) erklärt sich
Zain Al-Abidin Al-Rukabi prinzipiell einverstanden mit der Resolution
und erinnert an die Aussagen im Koran gegen Völkermord und Tyrannei. Er
weist aber darauf hin, dass auch andere gelitten haben und warnt vor der
Verallgemeinerung eines "europäischen Verbrechens".
Radikalere Stimmen leugnen den Holocaust
und bezeichnen ihn als zionistisches Konstrukt, mit dem die Machtpolitik
von Juden und Zionisten legitimiert werden solle. Zur Illustration
dieser Perspektive dokumentieren wir einen Artikel von Dr. Ibrahim
Alloush, erschienen in der ägyptischen, dem Islamismus nahe stehenden,
Zeitung Al-Shaab.
"Der Holocaust und die UN: Ja, zur
Würde des Menschen..., nein, zum Rassismus"
Nachdem der Autor die UN-Resolution
skizziert hat, erklärt er: "Prinzipiell ist nichts gegen diese
Resolution einzuwenden. Schließlich ist die Verurteilung des Genozids,
gleich unter welchem Namen oder Vorwand er stattfindet, auch im Islam
unumstritten. Zu dessen Grundsätzen zählt, dass ´Gott am Tag der
Auferstehung diejenigen martern wird, die andere Menschen gefoltert
haben’, wie es im Hadith heißt." Das gelte, so zitiert der Autor weiter,
für alle Menschen, gleich welcher Herkunft oder Religion.
Ferner verweist der Autor auf den Koran,
wo Völkermord, Tyrannei und Verfolgungen geächtet werden und die Täter
im Höllenfeuer landen, sowie auf die enge religiöse Verbundenheit
zwischen Muslimen und Juden und kommt zu dem Schluss:
"Auf der Basis dieser Grundsätze darf man
sich prinzipiell keinem humanitären Beschluss widersetzen, der die Würde
der Menschen bewahrt – und zwar aller Menschen – und sie und ihr Leben
schützt." "Allerdings", so der Autor weiter, "muss man sich der
Widersprüchlichkeit hinsichtlich des Begriffs der Menschheit
widersetzen, die ja im Zentrum der Resolution steht. Man muss sich gegen
die rassistische Tendenz wenden, welche die Resolution einengt und sie
so ausfallen lässt, dass sie nur einem bestimmten Volk, nämlich den
Juden, dient. Die Resolution oder Teile von ihr greifen eine Richtung
heraus – nämlich die Erhöhung des Semitentums, was heißt, dass den Juden
eine besondere Stellung [gegenüber allen anderen] beigemessen wird!!!!!
Wenn wir Rassisten wären, dann würden wir diese Tendenz begrüßen, da wir
doch selbst uralte Semiten sind [...]."
Außerdem müsse man sich, so der Autor
weiter, auch einer "Erhöhung" des Semitentums widersetzen, in deren Zuge
"die zionistischen Verbrechen und der Fanatismus der Juden" ausgeblendet
und "jede richtige, gerechte und rationale Kritik an diesen Verbrechen
als anti-semitisch gewertet wird".[...]
"Vehement widersetzen muss man sich daher
auch, wenn das Recht auf wissenschaftliche Forschung kassiert werden
soll. Was soll es heißen, wenn die UN-Resolution ‚jede gänzliche oder
partielle Leugnung der Vergasung der Juden’ verbietet? Zweifellos haben
die Nazis dieses ungeheuerliche Verbrechen begangen – aber wie bei den
meisten historischen Ereignissen gibt es auch Übertreibungen und
Ausschmückungen hinsichtlich des Ausmaßes des Verbrechens. Daher widmen
sich Wissenschaftler und Historiker der Klärung des tatsächlichen
Geschehens, der Kritik an Dokumenten usw. ..Warum sollte der Holocaust
von dieser wissenschaftlichen Methode ausgenommen werden?![...]
Man muss sich auch der zionistischen
Heuchelei über ihre eigenen Verbrechen widersetzen, denn die
Verurteilung von Völkermord muss umfassend sein und darf niemanden
ausnehmen, der solche Verbrechen begeht - auch wenn es Israel oder der
Zionismus sind. [...] So ist zum Beispiel das, was im palästinensischen
Jenin geschah, auch ein Vernichtungskrieg – und zwar gegen die
Palästinenser. [...] Warum wird über diesen neuen Holocaust, der sich
bis zum heutigen Tage fortsetzt geschwiegen?"
Der Autor schließt mit einer Frage an die
Leser: "Diejenigen, welche die Verbrechen an den Juden verübt haben,
waren keine Araber und keine Muslime, sondern weiße, christliche
Europäer. Würden Sie diese Verbrechen deshalb als weiße europäische
Verbrechen bezeichnen, so wie sie [die Europäer] es mit uns [den Arabern
und Muslimen] tun? Wir sollten nicht verallgemeinern, so wie sie es tun,
denn Verallgemeinerungen bringen Unrecht, Ignoranz und Rassismus mit
sich." [1]
"Mit der Anerkennung der Vernichtung
[2] wird die Privilegierung jüdischen Leids anerkannt"
"[…] Zionistische Internetseiten
berichteten, dass ‘Israel’ in diesen Tagen seine glücklichsten Momente
bei den Vereinten Nationen erlebt, weil ein ‚Israeli’ zum Stellvertreter
des Vorsitzenden der Generalversammlung ernannt wurde. Außerdem strebt
der Feindstaat [Israel] gerade einen bequemen aber nicht dauerhaften
Sitz im Sicherheitsrat an... Warum auch nicht?! Schließlich hat die
Generalversammlung ja auch gerade mit 104 Staaten den jüdischen
Schwindel international anerkannt. [...] Und diese Resolution wurde von
den 191 Staaten ohne jeden Widerstand angenommen – unter ihnen natürlich
auch die arabischen und islamischen Staaten. [...]
Der eigentliche Kern dieser Resolution hat
natürlich nichts mit Massenmorden oder irgendwelchem menschlichen Leid
zu tun, weder dem der Juden noch anderer. Vielmehr steht er im Zeichen
der zunehmenden weltweiten Einflussnahme der zionistischen Bewegung und
der jüdischen Lobby. [...] Das Ausmaß der Unterstützung für diese
Resolution hat letztendlich mit der Wandlung des Kapitalismus zum
Wucherkapitalismus im Zeitalter der Globalisierung zu tun. Der
internationale Kapitalismus tritt im Geiste des ‚praktischen Juden’ in
Erscheinung, so wie ihn Karl Marx in seiner Abhandlung über die
Judenfrage nannte.
Kurz gesagt: Das Judentum oder die
Ideologie des ‚praktischen Juden’ ist zum Hauptbestandteil der Ideologie
der kapitalistischen Globalisierung geworden, sowie die jüdischen Eliten
integraler Bestandteil des neuen internationalen Geflechts geworden
sind. Dies bedeutet, dass die Resolution den Zionismus als weltweites
Phänomen festigt und er nicht nur – wie einige bei uns meinen – eine
regionale Bastion des Kolonialismus in der arabischen Welt ist.
Jenseits der Ideologie sind die meisten
arabischen Kritiker in eine gefährliche Medienfalle getappt, indem sie
den Beschluss akzeptieren, der alle Staaten der Welt aufruft, ihre
Völker den Mythos der Vernichtung [des Brandopfers] beizubringen und
gegen die partielle oder umfassende Leugnung des Schwindels vorzugehen.
Die Resolution hebt den Schwindel [den Holocaust] über alles und jedes
andere Leid - vor allem über die Belagerung des Iraks und die Besetzung
Palästinas [...]. Daran sind nicht zuletzt auch einige arabische
Journalisten Schuld, wenn sie sich jener Linie anschließen, die erklärt:
Ja, dieser Schwindel hat stattgefunden. Aber was ist mit dem Leiden von
Nicht-Juden?! Dürfen die Zionisten den Schwindel zur Legitimierung der
Verletzung der Rechte der Araber ausnutzen?! Und was haben wir mit dem
Schwindel zu tun, sind diese Verbrechen doch von den Europäern begangen
worden? Wir haben damit absolut nichts zu tun!
Allein die Geschichte von den Gasöfen, in
denen die Juden gestorben sein sollen, machen den Schwindel zu einer
Einzigartigkeit in der ganzen Menschheitsgeschichte [...] – einen
derartigen systematischen Genozid mit Hilfe von Gasöfen hat es ansonsten
nicht gegeben. Das ist die Quelle der Einzigartigkeit des Schwindels:
der Ofen, nicht die Zahl [...]. Es ist der Ofen, der alle anderen Leiden
minderwertiger macht, von der Besatzung Palästinas bis zur Belagerung
des Irak und anderen. Wegen ihm verbleibt die Welt gegenüber den Juden
in einem Zustand ewiger geistiger Befangenheit. Deshalb ist der
Schwindel kein geschichtliches Ereignis, sondern zur Ideologie der
zionistischen Weltherrschaft geworden.
Noch einmal: Die von der
Generalversammlung angenommene Resolution, richtet sich gegen die
Historiker, die in wissenschaftlichen und historischen Studien bewiesen
haben, dass die Gasöfen nie existiert haben und dass darin kein einziger
Mensch umkam. [...] Diese Historiker leugnen nicht, dass Juden im
Zweiten Weltkrieg oder in Internierungslagern getötet wurden. Aber sie
sagen, dass sie wie Millionen andere auch an Hunger, Krankheiten und
Bombardierungen gestorben sind. Die Widerlegung des Mythos von den
Gaskammern nimmt dem Leid der Juden seine Besonderheit und es wäre
irrational, wenn wir den Schwindel anerkennen würden. [...] Die
Zionisten würden sich jedenfalls sehr freuen, wenn wir unsere Kritik
darauf beschränken würden, dass sie den Schwindel politisch
instrumentalisieren." [3]
[1] Al-Sharq Al-Awsat, 05.11.2005
[2] Der arab. Begriff muhraqa bezeichnet eigentlich das Brandopfer. Der
Autor variiert im Text zwischen diesem Begriff und dem sehr ähnlich
aussehenden Wort mikhraqa/makhraqa (dt. Schwindel, Gaukelei), das er im
Folgenden fast durchgehend für den Holocaust benutzt.
[3] Al-Shaab, 11.11.2005
* Wael El-Gayar ist
Islamwissenschaftler und Mitarbeiter von MEMRI
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