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Abschied vom Likud:
Scharon löst politisches Erdbeben aus

von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 21. November 2005

Gegen Mitternacht waren in Jerusalems Ministerpräsidentenamt die Würfel gefallen. Ariel Scharon, 77, verlässt die Likudpartei. Er hatte sie selber vor 30 Jahren als Bündnis rechtsgerichteter Bewegungen gegründet. Noch ehe er in seine Privatfarm nahe dem Gazastreifen heimfuhr, sickerten auch schon die Namen potentieller Mitläufer durch, darunter Likudminister wie Ehud Olmert. Ob sich auch der frisch-gescheiterte alt-Vorsitzende der Arbeitspartei, Schimon Peres, 82, anschließen will, ist offen.

Den Sonntag nutzte Scharon für politische Gespräche mit frommen und anderen Parteien. Er wollte erkunden, ob es im Parlament eine Sperrmehrheit gebe, die ihn daran hindern könnte, beim Staatspräsidenten seinen Rücktritt einzureichen und das Parlament zwecks Neuwahlen innerhalb von 90 Tagen aufzulösen.

Der Austritt Scharons aus dem Likud lag in der Luft. Am Wochenende wurde deshalb mit Umfragen das halbe Dutzend Alternativen durchgespielt, das der Parteienlandschaft bei den Wahlen bevorsteht. Dabei ergab sich, dass Scharon mit einem neuen politischen Rahmen als "liberale Partei der Mitte" oder als "Ich habe kein anderes Land - Partei" die beste Chance hätte, mit 28 Mandaten an der Spitze der größten Partei zu stehen und wieder als Ministerpräsident sein Land anzuführen. Denn im verwaisten Likud bleiben im Wesentlichen die ewig-gestrigen Rückzugsgegner zurück. Der Rückzug aus Gaza, damals von etwa 70 Prozent der Israelis befürwortet, ist im schnelllebigen Nahen Osten längst Geschichte und nicht mehr relevant genug, um noch Wähler anzuziehen. Passend zu der Lieferung deutscher U-Boote an Israel veröffentlichte Haaretz am Montag eine Karikatur mit Scharon am Steuer im U-Boot vor dem Abtauchen, während die Meuterer der Likud-Partei an Deck stehen, und schon halb im Wasser stehend an seine verschlossene Tür klopfen. Der voraussichtliche künftige Likud-Führer Benjamin Netanjahu, Scharons ehemaliger Finanzminister, dürfte wegen der Streichung von Kindergeldern, Kürzungen der Renten und Einschnitten beim Arbeitslosengeld nur wenige Stimmen bei traditionellen Likudwählern, ärmlichen orientalischen Juden, einfangen. Diese Stimmen will jetzt Amir Peretz, der Gewerkschaftsführer und neugewählte Vorsitzende der Arbeitspartei, locken. Den beiden anderen "großen" Parteien in der Knesset, der frommen Schass-Partei und ihrer weltlichen Konkurrenz, die Schinui-Partei, sagen die Umfragen eine schmerzhafte Bauchlandung vorher. Die Parteien werden aus dem Wählerpotential ihrer Konkurrenten schöpfen. Israels innenpolitische Landkarte wird völlig neu gemischt.

Noch lässt sich nicht vorhersehen, was die großen Themen des Wahlkampfes sein werden. Die grassierende Armut und die Schere zwischen Arm und Reich dürfte von Peretz aufgegriffen werden, denn außenpolitisch ist er trotz seines Rufs als "Taube" und Anhänger der "Frieden-Jetzt-Bewegung" ein unbeschriebenes Blatt. Beim Parteitag am Sonntag Abend griff er Ikonen der friedliebenden Linken an, etwa die Genfer Friedensinitiative oder territoriale Kompromisse in Jerusalem. Sein politischer Rechtsruck dürfte so manche traditionelle Wähler der sozialistischen Partei in die Arme Scharons verscheuchen, ebenso sein antiquierter Sozialismus. Denn die Stammwähler der Arbeitspartei zählen eher zur Yuppie-Generation der Neureichen und der Hightech Millionäre aus dem Norden Tel Avivs.

Obgleich Ende Januar bei den Palästinensern Wahlen anstehen und im Ausland der Eindruck vorherrscht, als sei der Terror gegen Israel stark zurückgegangen, mangelt es nicht an Versuchen, Anschläge in Israel zu verüben. Täglich werden mehrere Fälle von rechtzeitig entdeckten Sprengsätzen, vereitelten Attacken mit Messern oder Schießereien gemeldet. Ein Scheitern der Soldaten an den Straßensperren oder des Geheimdienstes kann jederzeit wieder Tote bedeuten. Das dürfte Scharon Aufwind geben, denn er ist zwar in seiner eigenen Partei wegen der Aufgabe von Siedlungen in Gaza und im Westjordanland als "Linker" und als "Taube" in Verruf geraten, doch vertraut ihm weiterhin eine Mehrheit der Israelis, Sicherheitsprobleme eher in den Griff zu bekommen, als etwa der noch unerfahrene Peretz.

Da die palästinensischen Wahlen mitten in den israelischen Wahlkampf fallen und mit einem guten Abschneiden der radikalen Hamaspartei zu rechnen ist, dürfte der Konflikt mit den Palästinensern zeitweilig von den innerisraelischen sozialen Problemen ablenken, was Scharon helfen und Peretz schaden könnte.

Die Auswirkungen des von Scharon ausgelösten Erdbebens lassen sich nicht abschätzen, aber israelische Kommentatoren sind sich weitgehend einig, dass Scharon einen aus seiner Sicht "richtigen" Schachzug gemacht habe und dass seine schon 40 Jahre andauernde politische Karriere noch nicht abgeschlossen sei.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

hagalil.com 21-11-2005

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