Holocaust-Leugnung:
Irving sitzt in Österreich
Der britische Rechtsextremist David Irving
wurde in Österreich verhaftet. Ihm drohen wegen Leugnung des Holocausts bis
zu 20 Jahre Haft.
Von Heribert Schiedel, Wien
Jungle World
47 v. 23.11.2005
Der Aufenthalt des britischen Rechtsextremisten David
Irving in Deutschland verlief ungestört. Er besuchte, wie er sagte, einen
"Freund", den Schriftsteller Rolf Hochhuth. Nach Wien hätten ihn dagegen
"couragierte Studenten" eingeladen. Dabei handelt es sich um die berüchtigte
Burschenschaft Olympia, die zwischen dem 11. und 13. November ihr
"Stiftungsfest" feierte. Allerdings konnte Irving daran nicht teilnehmen, da
er am 11. November in der Steiermark verhaftet wurde, wie erst am Donnerstag
bekannt wurde.
Damit wurde ein Haftbefehl des Landesgerichts Wien vom 8. November 1989
ausgeführt. Irving hatte damals auf Vorträgen in Österreich den Holocaust
geleugnet, was nach dem NS-Verbotsgesetz mit einer Strafandrohung bis 20
Jahre Haft belegt ist.
Der 1938 geborene Irving machte das erste Mal im Jahr 1981 von sich reden,
als er 1 000 Dollar Belohnung für den Beweis aussetzte, dass Hitler von den
Gaskammermorden in Auschwitz gewusst habe. Als er drei Jahre später auf
einer Pressekonferenz in Wien gemeinsam mit österreichischen Neonazis
forderte, dem verurteilten NS-Kriegsverbrecher Rudolf Heß den
Friedensnobelpreis zu verleihen, wurde er in die BRD abgeschoben und mit
einem Aufenthaltsverbot belegt. Es wurde nach einem langen Rechtsstreit vom
Obersten Gerichtshof in Österreich im Jahr 1989 wieder aufgehoben. Somit
konnte er kurz darauf jene Vortragsreise antreten, die ihn nun in Haft
brachte.
In die internationale Presse schaffte es Irving im April 2000, als er mit
seiner Verleumdungsklage gegen die US-amerikanische Autorin Deborah Lipstadt
ein Eigentor schoss. Ein Londoner Gericht folgte der Beklagten in ihrer
Einschätzung Irvings als "Holocaustleugner" und sprach sie frei. Im Prozess
redete Irving von der Shoah als "Mythos" und "Lüge der Juden, um riesige
Summen" requirieren zu können. Der Prozess geriet nicht nur zum politischen
Fiasko, Irving und seine Unterstützer mussten die Gerichtskosten in Höhe von
mehr als drei Millionen Euro tragen.
In Österreich sorgte Irving zuletzt im Jahr 1998 indirekt für Schlagzeilen.
Der FPÖ-Historiker und -Programmschreiber Lothar Höbelt steuerte nicht nur
einen Beitrag zu einer Festschrift für Irving bei, sondern verteidigte ihn
auch. Höbelt, außerordentlicher Professor für Geschichte an der Universität
Wien, verharmloste gegenüber der Tageszeitung Der Standard die
Holocaust-Leugnung als "historische Diskussionen". Sie würden "durch den
Kadi entschieden", was "nur auf das Staatswesen" zurückzuführen sei. Und von
diesem halte er "eh nicht viel".
Die jetzige Einladung Irvings nach Österreich reiht sich ein in eine lange
Kette von Auftritten in- und ausländischer Neonazis in den Räumlichkeiten
der Burschenschaft Olympia. Auch der Kampf für die als "Meinungsfreiheit"
verbrämte Propagandafreiheit für Neonazis und Geschichtsfälscher hat bei der
Burschenschaft Olympia Tradition. In ihrer Festschrift bezeichnet sie die
behördlichen Schritte gegen die Leugnung der Shoah als "Rückfall in eine
längst überwunden geglaubte Zeit der geistigen Unfreiheit". Und weiter:
"Wenn ein Deutscher über einzelne ›sensible‹ Fragen der Geschichte nur in
den von den Umerziehern und ihren deutschen Helfern vorgegebenen Bahnen
denken und sprechen darf, stellt dies eindeutig einen Mangel an Meinungs-
und Redefreiheit und somit auch ein Fehlen der Freiheit der Wissenschaft und
ihrer Lehre dar."
Da die Olympia auch führende Wiener FPÖ-Politiker zu ihren Mitgliedern
zählt, kommt der Einladung Irvings einige innenpolitische Brisanz zu. Aber
Österreich wäre nicht, was es ist, wenn die ÖVP daraus Konsequenzen ziehen
und eine neuerliche Koalition mit der auf ihren burschenschaftlichen Kern
geschrumpften FPÖ ausschließen würde.
hagalil.com 24-11-2005 |