"Intelligent Design" contra Darwin:
Sieg für Religiöse in USA Von
Christiane Oelrich, IN 14.11.2005 Washington.
Für die einen ist es die größte wissenschaftliche Herausforderung seit
Jahrhunderten, für die anderen schlicht religiöser Fanatismus: Das Konzept
heißt «Intelligent Design» und will beweisen, dass die wundersame Natur
nicht durch Evolution allein zu erklären ist, sondern durch ein höheres
Wesen mitgestaltet wird. Der Kulturkampf über das, was an Schulen gelehrt
werden soll, ist in den USA voll entbrannt.
Im Bundesstaat Kansas beschloss der Schulrat am Dienstag (Ortszeit) mit
sechs zu vier Stimmen gegen den Protest von Wissenschaftlern, im
Schulunterricht Zweifel an der Grundlage der modernen Biologie, der
Evolutionslehre nach Darwin, zu streuen. In vier anderen Bundesstaaten gebe
es schon ähnliche Richtlinien, frohlockt das Discovery-Institut in Seattle,
das die Design-Theorie propagiert. Mit Spannung wird nun ein Gerichtsurteil
aus Pennsylvania erwartet, wo der erste Prozess gegen die Design-Theorie im
Unterricht läuft. In mehr als 30 Bundesstaaten stehen die Verfechter der
Design-Theorie bereits in den Startlöchern.
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Elf Eltern haben die Schulbehörde in Dover verklagt, die «Intelligentes
Design» 2004 in den Lehrplan für 14-Jährige hob. Die Evolutionstheorie habe
Lücken, lernen die Kinder dort nun und werden angehalten, sich mit
«Intelligentem Design» auseinander zu setzen. Richter John Jones will bis
Ende des Jahres entscheiden, ob das gegen die Trennung von Kirche und Staat
verstößt.
Die Design-Anhänger streiten religiöse Hintergedanken ab, aus gutem Grund:
1987 urteilte das Oberste Gericht, dass Kreationismus, die wörtliche
Auslegung der biblischen Schöpfungsgeschichte, in Schulen nichts zu suchen
hat. Bei dem Prozess in Pennsylvania bezeichneten sich die beiden treibenden
Kräfte im Schulrat aber als Anhänger dieser Lehre. An der religiösen
Motivation ließ auch der Schulrat von Kansas keinen Zweifel: «Ein schlechter
Tag für Atheisten», meinte Mitglied John Bacon nach gewonnener Schlacht.
Hinter dem Prozess in Pennsylvania steckt nach Recherchen der «New York
Times» das Thomas More Law Center, das unter dem Motto «Schwert und Schild
für fromme Menschen» operiert. Die Rechtsanwälte verteidigten zum Beispiel
Aktivisten, die Adressen von Abtreibungsärzten im Internet veröffentlichten.
Das Zentrum suchte jahrelang einen Schulbezirk für einen Schauprozess. Nach
mehreren Absagen fanden sie schließlich den Schulrat von Dover, dessen
Mitglieder von der Bevölkerung bei Wahlen bestimmt werden.
Die religiösen Fundamentalisten wittern mit dem Plazet von Präsident George
W. Bush Morgenluft. In manchen Bundesstaaten kleben schon Aufkleber auf
Bio-Büchern mit Hinweisen wie diesem: «Die Evolutionstheorie reicht nicht
aus, um den Ursprung des Lebens zu erklären.» Präsident Bush hat damit keine
Schwierigkeiten. «Beide Seiten sollten gelehrt werden, damit die Leute
verstehen, worum es geht», meinte er unlängst auf Reporterfragen. «Es ist
Teil der Ausbildung, die Schüler verschiedenen Denkschulen auszusetzen.»
Für die Design-Kritiker ist das Humbug. Sie sehen keine wissenschaftliche
Basis für «Intelligentes Design». Dann führen die Befürworter ihr
Paradebeispiel an, den Fortbewegungsapparat des Bakteriums Escherichia coli.
Es handelt sich um eine hauchdünne Geißel, die den Einzeller antreibt – das
Design der Proteinmoleküle sei so komplex, dass es durch Evolution nicht zu
erklären sei.
«Intelligentes Design» sei «der nächste große Paradigmenwechsel in der
Wissenschaft», meinte der Anwalt des Schulrates von Dover, Patrick Gillen.
«Wir machen uns vor der ganzen Welt lächerlich», sagte dagegen der ehemalige
Präsident des US-Wissenschaftsverbandes
AAAS, Francisco Ayala. Die demokratische Gouverneurin von Kansas, Kathleen
Sebelius, kritisierte die Entscheidung: «Wenn wir hochkarätige Arbeitsplätze
in Kansas ansiedeln wollen, müssen wir die Wissenschaft fördern, nicht
schwächen.» |