Das Filmheft zu "Paradise Now":
Antizionistische PRVon Ralf
Balke
Gute alte Bundeszentrale für politische Bildung, wie
hast Du Dich verändert! Früher warst Du eine mausgraue Behörde, die ihren
Auftrag darin sah, Schüler und Studenten kostenlos mit
schwarz-rot-gerasterten Heftchen zu versorgen. Damit hattest Du Deinen
Auftrag erfüllt, Basiswissen über die Demokratie und unsere große weite Welt
zu vermitteln. Dann kam das Jahr 2000 und Thomas Krüger wurde Dein Chef.
Seither wurde das Image gründlich entstaubt. Und umsonst war gestern. Heute
kosten die Publikationen richtig Geld, sind aber dafür nun ganz toll und
bunt gelayoutet.
Layout scheint auch die einzige Stärke des Filmhefts zu
sein, das die Bundeszentrale als Unterrichtsmaterial bereithält, um das
Selbstmordattentäterdrama "Paradise Now" an Schulen zu diskutieren. Der
Inhalt ist es nämlich nicht. Schon ein Blick auf die "Zeittafel des
israelisch-palästinensischen Konflikts" offenbart gravierende Fehler. So
steht für die Jahre 1948 – 1951 geschrieben: "Mehr als 600.00 Palästinenser
flüchten in die arabischen Nachbarstaaten, gleichzeitig kommt es zur
jüdischen Masseneinwanderung aus den arabischen Staaten." Während die
Palästinenser in den Rang von Flüchtlingen erhoben werden, sind die Juden
bloße Einwanderer – kein Wort über deren systematische Vertreibung!
Symptomatisch für die tendenziöse Ausrichtung sind ferner
Aussagen zum Sechs-Tage-Krieg, die Israel als Aggressor darstellen. Das
Treffen von Camp David im Sommer 2000, auf dem Ehud Barak dem
PLO-Präsidenten fast die gesamte Westbank und Ost-Jerusalem angeboten hatte,
wird gar nicht erst erwähnt. Dafür darf der Klassiker von Scharons Besuch
auf dem Tempelberg als alleinigem Auslöser der 2. Intifada nicht fehlen. Der
Schwarze Peter für die Selbstmordattentate liegt dieser Formulierung zufolge
also bei Israel.
Ein Skandal aber ist die "Kurze Geschichte des
Selbstmordattentats", in der vom "altruistischen Selbstmord" in Verbindung
mit den suizidalen Attacken auf Israelis die Rede ist. Ebenso die Tatsache,
dass die im Film transportierten antisemitischen Aussagen, in denen Juden
als Brunnen- und Spermavergifter etikettiert werden, in keinster Weise in
Frage gestellt werden. Wer von der Medienkompetenz, die Thomas Krüger wie im
Vorwort erwähnt Schülern mit auf den Weg geben will, nun noch nicht genug
hat, sollte einen Blick auf das Sahnehäubchen der Broschüre werfen, dem
Arbeitsblatt. Zu Filmzitaten "Wer den Tod fürchtet, ist schon tot.", "Ohne
Kampf keine Freiheit!" und "Widerstand kann viele Formen haben" werden
Schüler aufgefordert: "Sammeln Sie Argumente, die die Aussagen stärken bzw.
entkräftigen und belegen Sie diese mit Beispielen."
Verhandlungen als Lösungsoption stehen hier gar nicht erst
zur Diskussion, dafür aber bleibt das Selbstmordattentat als Möglichkeit im
Raum. Alles Ausrutscher, weil die Bundeszentrale aus Kostengründen nur einen
Literaturwissenschaftler und eine Volontärin die Broschüre ausarbeiten ließ?
Weit gefehlt, denn es gibt auch offizielle Experten, die zum Thema
Nahostkonflikt Fragwürdiges zu bieten haben. Ludwig Watzal ist so einer. In
der von der Bundeszentrale herausgegeben Zeitung "Das Parlament" rührt er
kräftig die Werbetrommel für das Who’s who der radikalsten Antizionisten aus
Israel – dabei betont Krüger, bei der Bundeszentrale sei der nicht erst seit
heute umstrittene Watzal für das Thema Nahost gar nicht zuständig. Aber
Watzal braucht diese israelischen Feigenblätter nicht immer. Im
trotzkistischen "Linksruck" oder der Terror verherrlichenden "Intifada"
bringt er ganz unverblümt zum Ausdruck, dass er mit der Existenz Israels ein
Problem hat. Dann sind Selbstmordattentate, bei denen Israelis wie im Juni
2001 vor der Tel Aviver Disco am Dolphinarium ins Jenseits befördert werden,
nur noch ominöse "Explosionen". Es könnte ja eine defekte Gasleitung gewesen
sein.
Kinan Jäger ist ein weiterer Experte des Hauses. Gerne
referiert er über Israels "Staatsterrorismus". Und natürlich kommen auch
Israelis selbst zu Wort. Warum aber ausgerechnet Ilan Pappe, ebenfalls ein
radikaler Antizionist, der kürzlich noch den Boykott israelischer
Universitäten forderte, die Haltung Israels im Friedensprozess erläutern
darf und Ehud Barak wie auch den Likud pauschal als "rassistisch"
brandmarken kann, erscheint schon fast eher wie die Regel als die Ausnahme.
Angesichts der Tatsache, dass laut Umfragen heute die Mehrheit der deutschen
Bevölkerung Israel als größte Gefahr für den Weltfrieden betrachtet und das
Vorgehen des jüdischen Staates gegen die Palästinenser mit den Nazis gegen
die Juden vergleicht, ist in Sachen politischer Bildung einfach mehr
Verantwortung gefragt. Die Bundeszentrale scheint sich dieser nicht immer
bewusst zu sein.
Der Text erschien in abgewandelter Form in der
Jüdischen Allgemeinen 43 v. 27.10.2005.
Zur "Paradise Now"-Broschüre der Bundeszentrale für
politische Bildung:
Selbstmord "für ein höheres
ideelles Gut"?
In allen Kinos, die "Paradise Now" zeigen, gibt es sie kostenlos: Die
24-seitige Broschüre der Bundeszentrale für Politische Bildung über jenes
Selbstmörderdrama, das mit dem Prädikat besonders wertvoll für Jugendliche
ab 14 Jahre empfohlen wird...
Leserbriefe von Ludwig Watzal und
Kinan Jäger zu diesem Text, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen vom
17.11.2005: Bösartige Phantasie
Ralf Balke: 'Antizionistische PR'.
Jüdische Allgemeine vom 27. Oktober
Ich möchte folgende falsche und überzogene
Behauptungen Balkes auf das schärfste zurückweisen: Wenn der Autor
schreibt, ich rühre in der Beilage zur Zeitschrift Das Parlament
"unablässig die Werbetrommel für Positionen der radikalen Antizionisten
aus Israel", so ist dies irreführend und völlig überzogen. In Aus
Politik und Zeitgeschichte hat Ilan Pappe, Professor für
Politikwissenschaft an der Universität Haifa, einmal geschrieben, und
zwar in Heft 49/2000. In dieser Ausgabe ging es um den gesamten Nahen
Osten. Neben Pappe war der palästinensische Jouralist Abdul-Rahman
Alawi, der ägyptische Journalist Nagi Abbas, Professor Ferhad Ibrahim,
syrischer Kurde, sowie Professor Christian Hacke und der Nahostexperte
Dr. Kinan Jäger vertreten. Letzterer wird ebenfalls auf unqualifizierte
Weise diffamiert. Falsch ist ebenfalls die Behauptung, daß ich "mit der
Existenz Israels ein Problem" habe. In keinem meiner zahlreichen
Vorträge oder Veröffentlichungen habe ich jemals die Existenz Israels in
Frage gestellt oder geäußert, daß ich damit ein Problem habe. Man muß
schon eine bösartige Phantasie entwickeln, um dies herbeizulügen. Was
ich immer kritisiert habe, ist die Besatzungspolitik, die
Menschenrechtsverletzungen und die Mißachtung des Völkerrechts.
Ludwig Watzal, Bonn
Ich weise darauf hin, daß ich weder
Mitarbeiter der Bundeszentrale bin noch über "israelischen
Staatsterrorismus" referiere. Die Recherchen von Ralf Balke scheinen mir
daher äußerst unsauber.
Kinan Jäger, Bonn |
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