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Präsidentschaftswahlen in Polen:
Mit der Todesstrafe zum Sieg?

In Polen hat der Präsident große politische Macht. Ein Anhänger der Todesstrafe und ein Wirtschaftsliberaler sind Favoriten bei der Wahl am Sonntag

Von Gabriele Lesser

"Lech Kaczynski will die Todesstrafe!", schreit ein Zeitungsverkäufer mit heiserer Stimme. In der Warschauer Metro strecken einige Passagiere den Arm nach dem Blatt aus. Andere verdrehen entnervt die Augen. Am Sonntag sind in Polen Präsidentschaftswahlen. "Super Idee", grölt ein Betrunkener. "Gebt ihm, was er will. Hängt ihn auf!" Er schwankt durch den Wagen. Die Leute rümpfen die Nase, weichen angewidert zurück, manch einer hält sich den Mann mit spitzen Fingern vom Leib. Zwei Mädchen kichern hysterisch: "Hängt Kaczynski!"

Doch der Oberbürgermeister von Warschau und aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat Polens hat auch Fans in der Metro: "Sto lat, sto lat", stimmen kahl rasierte Jugendliche das klassische Namenstag-Ständchen an: "Hoch soll er leben! Hoch soll er leben!" Die meisten Passagiere fallen nach und nach ein. Hausfrauen, Angestellte, Rentner, ein paar Jugendliche. Der Oberbürgermeister ist beliebt in Warschau. Erst an der nächsten Station, der Warschauer Trabantenstadt Ursynow, endet die makabre Fahrt. Fast alle steigen aus. Auch der Zeitungsverkäufer, der wieder ruft: "Lech Kaczynski will die Todesstrafe."

Lech Kaczynski, 56, von der rechtspopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist einer der beiden Favoriten im Kampf um den polnischen Präsidentensessel, Donald Tusk, 48, von der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO) der andere. Zwar führt Donald Tusk in den Umfragen mit rund 40 Prozent, doch Lech Kacznski ist ihm mit knapp 35 Prozent dicht auf den Fersen. Wie schon bei den Parlamentswahlen vor zwei Wochen könnte es für die Liberalen am Wahltag böse ausgehen. Auch da hatte so ausgesehen, als stehe der Sieger bereits fest - die Bürgerplattform mit dem leicht exzentrischen Politiker und Hutsammler Jan Rokita, 46, als künftigem Ministerpräsidenten. Doch am Wahltag knallten die Korken bei der PiS. Fast ein bisschen ungläubig stotterte Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder von Lech, ins Mikrofon: "Es sieht so aus, als hätten wir die Wahlen gewonnen."

Jetzt kämpft Lech Kaczynski im Endspurt vor dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl. "Geld, Geld, Geld", donnert er von einer tiefblau angestrahlten Wahlkampftribüne. Nur das habe Donald Tusk im Kopf. Geld für die Reichen. Denn nur die Elite würde von dem von der PO vorgeschlagenen Einheitssteuersatz in Höhe von 15 Prozent profitieren. Die Armen aber hätten künftig fast nichts mehr zu essen. Denn viele Lebensmittel, die zurzeit mit nur sieben Prozent Umsatzsteuer belegt sind, würden nach einer solchen Steuerreform teurer. In der Wahlwerbung der populistischen PiS verschwanden wie durch Geisterhand Milch, Butter, Käse und Jogurt aus dem Kühlschrank. Warum die PO nicht dagegenhielt, dass durch die Absenkung des Regel-Umsatzsteuersatzes von 22 Prozent auf 15 Prozent insgesamt mehr Geld im Portemonnaies wäre, bleibt ihr Geheimnis.

Diesmal immerhin kontert Donald Tusk geistesgegenwärtig: "Schulden, Schulden, Schulden!" Das groß angelegte Wohnungsbauprogramm der Kaczynski-Zwillinge sei nur durch höhere Steuern oder mehr Schulden zu bezahlen. Drei Millionen Wohnungen für arme Polen - das klinge wunderbar, sei aber nicht zu finanzieren. Das Wahlgeschenk der PiS müssten am Ende die Polen selbst bezahlen.

Dass der polnische Präsident gar kein Wohnungsprogramm auflegen kann, bemerkte in der Hitze des Gefechts niemand. Zwar hat er das Recht auf eigene Gesetzesinitiativen, doch Wohnungsbauprogramme fallen eher nicht in seinen Kompetenzbereich. Zudem müssen Regierung und Parlament seine Projekte prüfen, können sie abändern oder ablehnen. In der Vergangenheit haben die Präsidenten Polens von diesem Recht selten Gebrauch gemacht. Die Gefahr ist groß, mit dem eigenen Gesetzesvorschlag Schiffbruch zu erleiden. Ganz anders sieht es mit dem Vetorecht aus. Dieses machtvolle Instrument haben sowohl Lech Walesa als auch Aleksander Kwásniewski immer wieder eingesetzt, um Gesetze zu verhindern, die bereits von beiden Kammern des Parlaments verschiedet wurden. Auch in der Außenpolitik hat der polnische Präsident ein gewichtiges Wort mitzureden. Zudem ist er oberster Chef der Streitkräfte.

"Wenn das Parlament ein Gesetz zur Wiedereinführung der Todesstrafe beschließen würde, würde ich es unterzeichnen", tönte Kaczynski großspurig auf seiner Wahlkampfreise in Breslau. Dass Polen damit auf Kollisionskurs zur Europäischen Union gehen würde, weiß der Juraprofessor natürlich. Aber die meisten Polen sind für die Todesstrafe. Also erzählt Kaczynski den Wählern, was sie hören wollen. Donald Tusk, der während des gesamten Wahlkampfes als ausgeglichener und souveräner Staatsmann auftritt, hat diesem Populismus kaum etwas entgegenzusetzen.Die anderen zehn Präsidentschaftskandidaten haben es schon aufgegeben, gegen Kaczynski anzurennen. Nur Andrzej Lepper, 51, Chef der linkspopulistischen Bauerpartei Selbstverteidigung, und Marek Borowski, 59, Parteivorsitzender der Sozialdemokraten Polens (SdRP), versuchen sich im Wahlkampf einigermaßen zu behaupten. Doch mit 12 und 8 Prozent sind ihre Chancen auf einen Sieg verschwindend gering.

Dass einer der Kandidaten im ersten Wahlgang am Sonntag die absolute Mehrheit erringt, ist unwahrscheinlich. Wer Präsident wird, entscheidet wohl erst der zweite Wahlgang am 30. Oktober.

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haGalil onLine 07-10-2005

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