Drohung für den Hausgebrauch:
Wie Scharon der Hamas hilft
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Ariel Scharons Drohung war deutlich. Israel wolle die
Parlamentswahlen im Januar verhindern, falls die Hamas-Organisation daran
teilnehme. Ausgerechnet in den USA, dem Hort von Freiheit und Demokratie,
wagte es der Ministerpräsident der "einzigen Demokratie im Nahen Osten",
eine Störung demokratischer Wahlen zu verkünden. Amerikanische Beamte
rüffelten Scharon wegen seiner antidemokratischen Absichten.
Gemäß Scharon müsse die radikal-islamische Hamas entwaffnet werden und ihrem
Plan, Israel zu zerstören, eine Absage erteilen. Für Israel wie für die
Amerikaner ist die Hamas eine Terrororganisation. Während der Intifada hat
sie für viele Selbstmordattentate verantwortlich gezeichnet. Da die
palästinensischen Wahlen durch die Osloer Verträge geregelt sind, wäre eine
Beteiligung der Hamas ein Verstoß gegen diese Abkommen.
Scharon glaubte wohl irrtümlich, dass George Bush die Flagge des Kampfes
gegen Terror höher hält als der Demokratisierung.
Letztlich dürfte Scharons Drohung "pro domo", für den Hausgebrauch seiner
zerrissenen Likudpartei ausgesprochen worden sein. Wegen dem Rückzug aus
Gaza und dem einhergegangenen Ende der Siedlungsideologie ist Scharon unter
Beschuss geraten. Schon versucht Benjamin Netanjahu, ihn bei
innerparteilichen Wahlen zu stürzen. Scharons Reaktion ist ungewiss. Er
könnte gar den Likud verlassen und eine neue Partei gründen. Scharon wird
vorgeworfen, die Siedler betrogen und der Hamas einen "Sieg" geschenkt zu
haben. Mit seiner populistischen Drohung glaubt er vielleicht, der Hamas den
vermeintlichen Sieg vergällen zu können.
Doch Israel könnte sich kaum erlauben, einen Urnengang der Palästinenser
durch Straßensperren zu verhindern, während tausende internationale
Wahlbeobachter zuschauen. Bei Palästinensern bewirkt Scharons Drohung schon
Gegendruck. Kritik an seiner "Einmischung in die inneren Angelegenheiten der
Palästinenser" ist aus dem Munde von Saeb Erekat die mildeste Form des
Protestes. Ein Industrieller aus Ramallah sagte während einer deutschen
Wahlparty: "Scharon stärkt die Hamas bei der Bevölkerung und zwingt Mahmoud
Abbas, für die radikale Opposition Partei zu ergreifen."
Bei den ersten Parlamentswahlen 1996 verweigerte die Hamas eine Beteiligung.
Nach außen behauptete sie, Israel nicht anerkennen zu wollen, indem sie sich
den Regeln der Osloer Verträge unterwirft. Der wahre Grund dürfte damals die
Schwäche der Hamas gewesen sein. Das Wahlergebnis hätte sie klar
dokumentiert. So aber konnte die Hamas behaupten, eine "Volksbewegung" zu
sein, ohne es beweisen zu müssen. Inzwischen ist die Hamas so erstarkt, dass
sie sogar auf eine Mehrheit hoffen kann, zumal die "korrupte Fatah" immer
weniger Rückhalt hat.
Scharons Forderung nach einer "Entwaffnung der Terrororganisation", ist
inkonsequent. Nicht nur die Hamas hat sich mit Terror hervorgetan, sondern
auch die El Aksa Brigaden der regierenden Fatah-Partei des Mahmoud Abbas und
die "bewaffneten Arme" anderer palästinensischer Gruppen. So gesehen dürfte
Scharon gar keine palästinensische Wahlen mehr zulassen. Doch dafür fände er
in Israel keine Zustimmung und im Rest der Welt ohnehin nicht.
© Ulrich Sahm / haGalil.com
hagalil.com 20-09-2005 |