Funde im Tempelberg-Schutt:
Mysteriöses Artefakt erinnert an "Sakrileg"
Auszüge aus einem Artikel von Amiram Barkat,
Ha'aretz, 02.09.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Als der israelische Archäologe Gabriel Barkai
und sein Assistent Tzachi Zweig mit der sorgfältigen Arbeit
begannen, die Massen von Tempelberg-Schutt zu durchsieben, hofften
sie, Artefakte aus der Zeit des ersten oder zweiten Tempels zu
finden. Sie hatten nicht im Traum daran gedacht, ein mysteriöses
Artefakt zu finden, das wie etwas aussieht, was direkt aus der Welt
der kontroversen Theorien, wie sie im Buch "Sakrileg" ausgeführt
werden, zu stammen scheint.
Dan Browns Bestseller aus dem Jahr 2003, der mehr
als 36 Millionen mal verkauft wurde, identifiziert den Tempelberg
als den Ort, der das Geheimnis des Heiligen Grals beherbergt - den
Kelch, in dem laut christlicher Tradition, das Blut von Jesus
während des letzten Abendmahls aufgefangen wurde. Browns Bestseller
behauptete, das Geheimnis, das unter den Ruinen von Herodes' Tempel
begraben gewesen sei, wäre mehrere Jahre nach der Eroberung
Jerusalems während des ersten Kreuzzuges (1099 n. d. Z.) von den
Tempelrittern wieder entdeckt worden.
Anerkannte wissenschaftliche Forschung bestätigt,
dass die Tempelritter ihren Stützpunkt auf dem Tempelberg bauten und
zwar in etwa an der Stelle, die als "Ställe Salomos" bekannt ist.
(…) Die ganze Geschichte einer Verbindung zwischen den Tempelrittern
und dem Heiligen Gral ist jedoch laut Archäologen und laut Experten
der Geschichte des Tempelbergs nur ein Märchen.
Barkai, ein Experte für biblische Archäologie an
der Bar-Ilan-Universität, und Zweig, ein Magister-Student an der
gleichen Universität, verbrachten zehn Monate damit, den Schutt des
Tempelbergs aus dem Bereich der Ställe Salomos zu untersuchen.
Dieser Schutt wird auf die Kreuzfahrer zurück datiert, als
moslemische Herrscher anscheinend den Bereich entlang der Peripherie
der Ställe Salomos blockierten.
Barkai und Zweig entdeckten in den Trümmern unter
anderem einen kreuzförmigen Bronze-Anhänger, der etwa ein
Quadratzentimeter groß ist. Der Anhänger, der ursprünglich vergoldet
war, weist geheimnisvolle Symbole auf: auf der einen Seite befindet
sich ein Hammer, eine Zange und Nägel. Auf der Kehrseite ist etwas
zu sehen, das sowohl wie eine Sonne als auch wie ein Altar aussieht.
Doch das Hauptsymbol, das sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht,
ist der Heilige Gral, der auf einer Dornenkrone liegt.
Laut Barkai äußerten einige der Leute, die sich
den Anhänger ansahen, die Meinung, er sei ein Artefakt, das eine
Verbindung zu "Sakrileg" aufweise. Doch Barkai tat dies ab. "Ich
hörte einige interessante Erklärungen in dieser Richtung", sagte er,
"doch meiner Meinung nach ist dies nur ein Zufall, der die Fantasie
anregt."
Zweig entschied, den Anhänger gründlich zu
untersuchen. (…) Basierend auf den Symbolen, insbesondere der
Werkzeuge, nahm er an, der Anhänger beziehe sich auf die Freimaurer,
einer halbwegs geheimen Bruderschaft, die im 18. Jahrhundert in
England gegründet worden war und sich in beinahe alle westlichen
Länder ausgebreitet hat. (…)
Zweig kontaktierte Prof. Andrew Prescott, Direktor
des neuen Zentrums für Forschung über die Freimaurer an der
Universität von Sheffield. Prescott betrachtete sich die Fotografien
des Anhängers eingehend und antwortete Zweig zu Beginn dieser Woche,
die Symbole könnten tatsächlich eine Verbindung zu den Freimaurern
darstellen, seien jedoch keine Symbole der britischen
Freimaurer-Loge. Prescott sagte auch, dass Mitglieder der
Bruderschaft den Tempelberg-Bereich im 19. Jahrhundert besucht
hätten. Der mysteriöse Anhänger könnte dem berühmten Archäologen
Charles Warren gehört haben, der im Jahr 1867 einen dokumentierten
Besuch auf dem Tempelberg machte.
Wenn der Anhänger tatsächlich freimaurerischen
Ursprungs ist, dann gibt es eine indirekte Verbindung zwischen ihm
und dem Buch "Sakrileg": Brown behauptet darin, die Freimaurer seien
die Nachfolger der Tempelritter.
Barkai sagte, (…) der Anhänger attestiere auf
jeden Fall die Vielfältigkeit der Artefakte, die über die Jahre
hinweg auf dem Tempelberg verschüttet worden seien. "Der Schutt vom
Tempelberg ist kein gewöhnlicher Schutt, sondern eher Schutt, der
die Geschichte des Landes porträtiert."
Barkai und Zweig untersuchen Wagenladungen von
Kreuzfahrer-Schutt, der mit Bauschutt aus heutiger Zeit vermischt
ist und im Jahr 1999 östlich der Altstadt Jerusalems (…) abgelagert
wurde. Unter Archäologen ist der Wert der Untersuchung dieses
Schutts umstritten, weil es der Zusatz aus heutiger Zeit schwer
macht, den alten Schutt korrekt zu datieren. Es ist außerdem unklar,
wo genau der Schutt gelegen hat. (…)
Barkai ist überzeugt, dass seine Studien trotz
methodologischer Schwächen sehr wertvoll sind. "Natürlich kann man
vom Standpunkt des Forschers aus sagen, dass wir uns eher mit einer
Leiche als mit einem lebenden Objekt befassen. Doch auch von Leichen
kann man eine Menge lernen."
Bilder der Funde:
hagalil.com 02-09-2005 |