Baruch haba:
Papst Benedikt XVI. zu Besuch in Köln
Begrüßung von Papst Benedikt XVI. durch
Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, am 19.08.2005
in der Synagoge Roonstraße:
Im Namen der Synagogen-Gemeinde Köln ist es mir eine
große Ehre, Sie, hochverehrter Papst Benedikt XVI., herzlichst willkommen zu
heißen; oder wie es im Hebräischen heißt: Baruch haba. Ihr Besuch in unserer
Synagoge stellt ein außergewöhnliches Ereignis dar, welches von enormer
religiöser als auch politischer Bedeutung ist.
Die Juden sind in römischer Zeit ins Rheinland gekommen.
Die erste verbürgte Datierung der Juden in Köln beläuft sich auf das Jahr
321 nach der gregorianischen Zeitrechnung, dokumentiert in einer
kaiserlichen Urkunde, die sich heute im Vatikanarchiv befindet. Anfangs
wurden die Juden in Köln lediglich geduldet, sie durchlebten sowohl
positive, als auch negative epochale Abschnitte, wie beispielsweise das
Leiden während der Kreuzzüge oder die Gleichstellung durch die preußische
Judenemanzipation. Bis zum Jahre 1933 war die jüdische Bevölkerung in Köln
auf ca. 20.000 Menschen angewachsen. In der sich nebenan befindlichen
Gedenkhalle, die wir alle gerade passiert haben, wird der 11.000
deportierten und in den Konzentrationslagern des Nazi-Regimes ermordeten
Kölner Juden, sowie der weltweit 6.000.000 Opfer der Schoa gedacht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich wider aller
Erwartungen einige Heimatlose und alte Kölner in dieser Stadt zusammen, um
eine jüdische Gemeinde zu gründen. Die Gemeinde wuchs auf etwa 1.300
Mitglieder an. Viele kritische Geister befürchteten ein Aussterben der
Gemeinde in den nächsten Jahrzehnten. Ab dem Jahr 1989 begann der Zuzug von
Juden aus den GUS-Staaten, der bis heute zu einem Mitgliederstand von etwa
5.000 geführt hat.
Ich habe Sie, hochverehrter Papst Benedikt, mit Pontifex
Maximus, zu deutsch: der größte Brückenbauer, angesprochen. In den
Biographien über Ihre Person werden Sie immer wieder als ein Brückenbauer
zwischen den Religionen beschrieben. Mit diesem Titel möchte ich die
Tatsache unterstreichen, dass Sie auf Ihrer ersten Auslandsreise eine
Synagoge besuchen. Sie setzen den Bau einer Brücke zwischen dem
Katholizismus und dem Judentum, die Ihr Vorgänger Papst Johannes Paul II.
mit seinem Besuch der römischen Synagoge und des Staates Israel begonnen
hat, fort. Es ist ein Zeichen für die hohe Wertigkeit, ja Wertschätzung, die
das Verhältnis zum Judentum für Sie besitzt. Die Akzeptanz und Toleranz
gegenüber unserer Religion ist Ihnen sehr wichtig.
In der Kirche gab es einen Prozess des Auseinandersetzens
mit der christlichjüdischen Geschichte wie z.B. den Kreuzzügen oder dem
Verhalten der Kirche im Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf es zu einem
Eingestehen von Fehlern kam. Diese Entwicklung mündete 1965 am Ende des 2.
Vatikanischen Konzils in die Erklärung "Nostra Aetate", die erstmals
schriftlich festlegte, dass Juden nicht generell für den Tod von Jesus
Christus verantwortlich sind. Sie waren bereits in jenen Tagen als
Theologieprofessor und Berater vom damaligen Kölner Kardinal Frings, der
häufig in unserer Synagoge zu Gast war, an der Entwicklung dieser Erklärung
beteiligt. Dies war ein erster Meilenstein auf dem Weg einer grundlegenden
Veränderung und Verbesserung des Verhältnisses zwischen Juden und Katholiken
und stellt eine Abkehr von der jahrhundertealten Kirchenlehre bzw. dem Bild
des Gottesmordes dar. Zunächst blieb es bei diesem wichtigen Dokument, und
es dauerte weitere 20 Jahre, bis es zu einem ersten aktiven Signal von Papst
Johannes Paul II. kam, nämlich dem Besuch der römischen Synagoge. Weitere
Zeichen waren im Jahr 1993 der Grundlagenvertrag und die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen zwischen dem Vatikanstaat und dem Staat Israel,
im Jahr 2000 das Schuldbekenntnis von Papst Johannes Paul II., schließlich
sein Israelbesuch im Jahr 2003. Wenn die Abstände zwischen solch
bedeutungsvollen Ereignissen kleiner werden und somit die Aura des
Besonderen verlieren, können wir in Zukunft eine Normalisierung des
Verhältnisses erhoffen.
Sie, als Oberhaupt der katholischen Kirche, tragen eine
spezielle Verantwortung auch gegenüber uns Juden. Papst Benedikt, Ihr
Verhalten und Ihre Taten sind ein Vorbild für die Kirche. Ich hoffe, dass
Ihr Besuch heute in dieser Synagoge dazu beiträgt, den gesamten
Kirchenkörper zu erfassen und Ihre Einstellung die Kirche von der Spitze bis
zur Basis durchdringt. Leider immer noch vorhandener kirchlicher
Antisemitismus kann somit wirksam bekämpft werden.
Sie sind zu einer schlimmen Zeit in Deutschland
aufgewachsen. Wir sehen in Ihnen heute nicht nur das Oberhaupt aller
Katholiken, sondern auch den gebürtigen Deutschen, der sich seiner
geschichtlichen Verantwortung stellt. Sie haben 1998 die Unterlagen der
Glaubenskongregation der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Für uns wäre ein
vollständiges Öffnen des vatikanstaatlichen Archivs über den Zeitraum des
Zweiten Weltkrieges, 60 Jahre nach der Schoa, ein weiterer Hinweis für
geschichtsbewusstes Agieren, auch um Kritiker auf allen Seiten zufrieden zu
stellen.
Es bedarf einer Fortsetzung der bereits erwähnten
Prozesse; sowohl außerhalb als auch innerhalb der Kirche, um allen
Katholiken zu verdeutlichen, dass das Judentum einen wichtigen Beitrag zur
Entwicklung der Menschheit und des Christentums geleistet hat und immer noch
leistet. Die Kirche hat lange Zeit nicht akzeptiert, dass beide Religionen
ihre eigene Wahrheit vertreten und somit an der Entwicklung der Menschheit
teilhaben. Die noachitischen Gesetze sind die sieben Grundgesetze, die Noach
nach Ende der Sintflut und nach Verlassen der Arche von G-tt erhielt und
welche im Talmud, Traktat Sanhedrin, erläutert werden. Diese Gesetze sind
ein Beispiel für gutes menschliches Zusammenleben. Das Judentum respektiert
besonders Nichtjuden, die nach diesen Gesetzen leben und handeln. Diese
Gebote haben im Christentum auch Gültigkeit und bilden eine Basis für das
gedeihliche Fortbestehen der Menschheit. Beide Religionen haben, bei allen
nicht zu vergessenden Unterschieden, große Gemeinsamkeiten und nicht umsonst
sprechen Sie, Papst Benedikt, von "Fratres Maiores", den älteren Brüdern.
Wir Juden gehen davon aus, dass das Christentum uns als gute Menschen
akzeptiert und toleriert.
Als Abschluss zitiere ich den Ehrenvorsitzenden unseres
Gemeinderates, Herrn Ernst Simons, der auf die Frage, was Juden von Christen
erwarten würden, zu antworten pflegt: "Seien Sie gute Christen und lassen
Sie uns gute Juden sein!"
Hochverehrter Papst Benedikt, Ihren Beitrag zur
Verbesserung des Verhältnisses erkennen wir an und wissen ihn zu würdigen.
Der christlich-jüdischen Zukunft sehen wir positiv entgegen. Wir freuen uns,
dass Sie unsere Synagoge besuchen. Sie erweisen unserer Gemeinde eine große
Ehre. Noch einmal herzlich Willkommen! Baruch haba!
Es gilt das gesprochene Wort.
Rede des Gemeinderabbiners Rabbiner Netanel
Teitelbaum, der Synagogen-Gemeinde Köln, anlässlich des Besuches von Papst
Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI. bewegte bei seinem Besuch in
der Synagoge alle Herzen
Synagogen-Gemeinde Köln
hagalil.com 04-09-2005 |