Jüdisches Museum Hohenems:
Jüdischer Kitsch und andere heimliche Leidenschaften
Identity Shopping, Gott im Detail und
die Sehnsucht nach den Dingen des Glücks, Jüdischer Kitsch @ Hohenems -
Ausstellung bis 8. Oktober
Die Welt des Jüdischen Kitsches erschließt sich heute
vor allem in Andenkenläden und im Internet. Ob Souvenirs von Besuchen in
Israel oder in den ehemaligen Ghettos Europas (von Venedig bis Polen), oder
Bestellungen im World Wide Web, "jüdische Objekte" versprechen Identitäten
in der Diaspora, in der Zerstreuung jüdischen Lebens in der Welt, an der
auch die Existenz eines jüdischen Staates nichts geändert hat. Kitsch ist
ein Versprechen auf Glück, das zwar nicht eingelöst wird, aber die Hoffnung
darauf repräsentiert. Der Kitsch der Diaspora ist so ein Versprechen: eine
Beziehung zu einem Ort, an dem man nicht ist, aber dessen Gegenwart überall
zu spüren ist.
Die zehn Gebote zum Schmusen: "My very own Plush Tora" |
Vor allem in den USA, dem Land der Einwanderung
schlechthin, hat sich schon vor hundert Jahren ein Markt für jüdische
Produkte entwickelt, ein Markt der vom Chanukkaspielzeug bis zum
alltäglichen Bedarf für die koschere Küche reicht – und auf ein wachsendes
Bedürfnis nach kultureller Identität reagierte, das über religiöse Gebote
und Rituale weit hinaus ging.
Nach der Katastrophe des Holocaust, den Massenverbrechen
des 20. Jahrhunderts überhaupt, ist jüdische Tradition weltweit zum
Gegenstand einer nostalgischen Suchbewegung geworden, nicht nur von Juden.
Sehnsucht nach Identität bewegt heute jeden, in einer
modernen Welt der Mobilität und Migration, des globalen Warentauschs und der
Suche nach "Ursprünglichkeit". Doch auch diese Sehnsucht bedient sich auf
dem Markt der Möglichkeiten.
Schabbathaube für den PC |
Die jüdische Kultur ist reich an Ritualen und damit
verbundenen Objekten, die nicht auf die Synagogen beschränkt sind, sondern
traditionell vor allem das häusliche Leben prägen – Speisegebote und
Festordnungen, Übergangsrituale und religiöse Pflichten. Nur eine Minderheit
von Religiösen hält sich tatsächlich an die überkommenen Gesetze – doch als
kulturelles Erbe sind sie auch in den meisten Familien präsent, die ein
weitgehend weltliches Leben führen.
So eröffnet die in Objekten überlieferte Allgegenwart
religiöser Traditionen in einer modernen, weltlichen Lebenswirklichkeit ein
Spannungsfeld, dass sich hochgradig produktiv erweist: für alle Formen von
Kitsch und Ironie und das was möglich wird, wenn beide aufeinander treffen.
Heraus kommt ein liebevolles, überbordendes Spiel mit der Berührung von
Tradition und Alltag, kulturellen Orientierungen und praktischen
Erfordernissen, Mythen und deren Kritik, Identität und ihrer
Infragestellung.
Das Kult-Buch des jüdischen Kitschs:
Hanno Loewy / Michael Wuliger
Shlock Shop. Die wunderbare Welt des jüdischen Kitschs
Hämmerle Verlag: Hohenems; 2005
144 Seiten, 48 farbige Abbildungen, 12,10€, ISBN: 3-902249-87-0
(In Deutschland: Mosse Verlag: Berlin, 2005, 11,80€, ISBN 3-935097-05-0)
Von der Anatewka-Teekanne zum "Kish mir den
Tuchis"-Damenslip und vom Groß-Israel-Radiergummi bis zum koscheren
Hundefutter: Ausgewählte Geschmacklosigkeiten und rührende Lieblingsobjekte
aus Internet Shops und Andenkenläden.
Zum
Museums-Shop...
Shlock Shop
Für den jüdischen Hund:
Kippa "Dog Yarmulke" und
Tallit "Dog Tallis"
|
Seit vier Jahren präsentiert Michael Wuliger jede Woche in
der Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung seinen "Shlock Shop" – Jüdischer
Kitsch aus dem Internet und aus Duty Free Shops am Flughafen, aus
Andenkenläden und Supermärkten. Gemeinsam mit ihm unternehmen wir einen
ironischen Streifzug durch die bunte Welt des schönen Seins, auf der Suche
nach Gott und Identität.
Feinkost Adam
im Salon des Jüdischen Museums Hohenems
Die Berliner Künstlerin Anna Adam kommt mit ihrem
satirischen Projekt FEINKOST ADAM © Klischees vom Judentum auf die Schliche,
indem sie sie ad absurdum führt. Das geschieht mit viel Humor – einer
seltenen Beigabe in der allzu oft verbissen geführten Auseinandersetzung um
ein ernstes Thema.
FEINKOST ADAM © lässt sich sehen, fühlen, lesen, schmecken, hören und
mitmachen. Für das Jüdische Museum Hohenems hat FEINKOST ADAM © neue
Angebote vorbereitet. Willkommen im Salon!
Mehr zu
FEINKOST ADAM ©
Jüdisches
Wein-Tallit und Kippa "Wine Butler" |
Der Frankfurter Fotograf Peter Loewy hat "Jüdisches"
fotografiert: Krimskrams und Ritualgegenstände, Kunsthandwerk und
Erinnerungsobjekte, kleine Sammlungen und arrangierte Identitäten.
Dank dem Vertrauen, die ihm entgegengebracht wurden, konnte Peter Loewy
seine Streifzüge durch die Wohnungen bekannter und unbekannter Menschen
unternehmen. Was wir dabei entdecken, sind Nischen des Alltags, Stilleben
und Paradiese, mal schrill und bunt, mal voller Melancholie. Wie ein Kind
sucht man nach dem Jüdischen im Puzzle der Gegenstände und Stimmungen.
Grotesk, kitschig und stolz präsentieren sich die einzelnen Photographien,
eine magische Landschaft des Privaten.
Peter Loewy, 1951 in Israel geboren, lebt seit 1956 in Frankfurt am Main, wo
auch die Bilder vom Zuhause jüdischer Familien in Deutschland entstanden
sind. Seine Fotobücher erscheinen seit 1997 im Kehayoff Verlag, München.
... und andere heimliche Leidenschaften
Versteckt in den Vitrinen der Dauerausstellung zeigen wir heimliche
Sammelleidenschaften von Freunden des Jüdischen Museums: Schnupftabakdosen
und Pfeifenköpfe, Talismane und Fetische, "Jüdisches" und Skurrilitäten des
Alltags, die sich in Sammlungen und Chaosschubladen, auf Dachböden und in
Schränken für gewöhnlich vor der Öffentlichkeit verborgen halten.
Weitere Informationen:
http://www.jm-hohenems.at
hagalil.com 12-09-2005 |