Am Montag durchsuchten
Beamte der Staatsanwaltschaft Potsdam Büro und Wohnung des Journalisten
Bruno Schirra, nachdem dieser in einem Artikel über den irakischen
Al-Qaida-Terroristen Abu Mus'ab Al-Zarqawi [1] aus geheimen
BKA-Dokumenten zitiert hatte. Unter anderem schrieb Schirra darin über
die Verbindung zwischen der Staatsführung des Iran und Al-Zarqawi.
Das überrascht, gilt doch
Al-Zarqawi als ausgesprochener Feind der Schiiten: Weil er sie als
Abtrünnige vom Islam betrachtet, hält er auch die Terroranschläge im
Irak, die sich direkt gegen Schiiten richten, für gerechtfertigt.
Weitere zentrale Momente seines
radikal-islamistischen Denkens gehen aus einem religiösen Disput hervor,
den Abu Mus'ab Al-Zarqawi in den vergangenen zwei Jahren mit seinem
früheren Lehrer, Mentor und langjährigem Freund Abu Muhammad Al-Maqdisi
austrug. In der Debatte ging es unter anderem darum, unter welchen
Voraussetzungen Jihad-Operationen im Irak legitim seien und ob auch
Anschläge gegen Muslime und Schiiten sowie auf Nicht-Muslime religiös
legitimiert seien, die nicht in militärische Aktionen verwickelt sind.
Auslöser der Debatte war
Al-Maqdisis Kritik an bestimmten Methoden des Jihads im Irak. Im
Gefängnis in Jordanien verfasste er im Juli 2004 einen öffentlichen
Brief an die Jihad-Kämpfer im Irak. Darin kritisierte er, dass
muslimischen Zivilisten im Irak Leid und Schaden zugefügt würde, was
seiner Meinung nach nicht mit dem islamischen Recht, der Scharia,
gerechtfertigt werden könne.
Für kurze Zeit aus dem
Gefängnis entlassen, ging Al-Maqdisi ein Jahr später noch einen Schritt
weiter. [2] In verschiedenen Interviews mit arabischen Medien äußerte er
seine Vorbehalte gegenüber "dem umfangreichen Einsatz von
Selbstmordanschlägen", bei denen eine große Zahl von Muslimen getötet
würden. Weiterhin bestand er darauf, dass Selbstmordanschläge keineswegs
ein traditionelles islamisches Mittel der Kriegsführung seien, sondern
nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden dürften. Weiterhin sprach
sich Al-Maqdisi gegen die massiven Anschläge auf irakische Schiiten aus
und erklärte, dass er es ablehne, Schiiten als Nicht-Muslime zu
betrachten.
Als Antwort darauf
veröffentlichte Al-Zarqawi im Mai 2005 ein Tonband, auf dem er
Anschläge, bei denen auch muslimische Zivilisten umkommen, im Kontext
des Jihad und unter Bezug auf die Quellen des islamischen Rechts
religiös rechtfertigte. Gottes Anordnung zur Tötung von Ungläubigen
gelte auch dann, so Al-Zarqawi, wenn dabei Frauen und Kinder oder
Muslime getötet würden, die eigentlich nicht Ziel des Anschlags gewesen
seien. Hinsichtlich der Anschläge auf Schiiten erklärte Al-Zarqawi auf
einem im Juli 2005 veröffentlichten Tonband den Jihad gegen sie zu einer
muslimischen Pflicht, weil sie Abtrünnige seien und ein Bündnis mit den
Kreuzfahrern gegen die Jihad-Kämpfer geschlossen hätten.
Im Juli 2005 veröffentlichte
Al-Zarqawi ein drittes Statement, in dem er Al-Maqdisis Anklagen
zurückwies und kritisierte. Ein islamischer Religionsgelehrter, der wie
Al-Maqdisi nicht am Jjhad im Irak teilnehme, habe kein Recht die
Aktionen der Kämpfer zu kritisieren – schon gar nicht, wenn er auf diese
Weise auch noch den Interessen der Kreuzfahrer diene. Zwar sei
Al-Maqdisi sein Mentor gewesen, doch hätte er nie in allen Punkten mit
ihm übereingestimmt. Al-Zarqawi gesteht ein, dass sie beide in ihrer
gemeinsamen Zeit in Afghanistan noch Selbstmordattentate abgelehnt
hätten, im Hinblick auf den Irak hätte er seine Meinung jedoch geändert
und halte solche Operationen nunmehr nicht nur für zulässig, sondern für
wünschenswert. Im Übrigen folge er damit den Weisungen anderer
Rechtsgelehrter, mit denen er in Kontakt stünde und die den Islam
„besser kennen“ würden als Al-Maqdisi. Außerdem habe ja auch Al-Maqdisi
seine Meinung geändert: Obwohl dieser Selbstmordattentate früher für
verboten hielt, erkläre er sie jetzt unter bestimmten Bedingungen für
erlaubt.
Einen ausführlichen Bericht
über die religiöse Debatte zwischen Al-Zarqawi und Al-Maqdisi um den
Jihad im Irak, die wesentliche Elemente der Jihad-Ideologie erkennen
lässt, finden Sie auf der Memri-Homepage unter:
http://www.memri.de/uebersetzungen_analysen/themen/islamistische_ideologie/
isl_zarq_maq_14_09_05.html