An den
Präsidentschaftswahlen in Ägypten am 7. September nehmen erstmals
mehrere Kandidaten teil. Für das Präsidentenamt gibt es zehn Bewerber,
von denen im Grunde nur drei landesweit bekannt sind: Der Kandidat der
Nationalen Demokratischen Partei (NDP), Präsident Hosni Mubarak, der
Kandidat der Wafd-Partei, Nu'man Gum'a, und Ayman Nur, der Kandidat der
Ghad-Partei. [1]
Ihre Kandidatur wurde durch
eine Änderung des Art. 76 und eine Ergänzung des Unterartikels 192 der
ägyptischen Verfassung ermöglicht, die nun eine Direktwahl des
Präsidenten mit mehreren Kandidaten erlaubt. Zuvor bestand die Wahl aus
einem Referendum über einen einzelnen, vom ägyptischen Volksrat
aufgestellten, Kandidaten. [2]
Die Verfassungsänderung besagt,
dass sowohl Vertreter von Parteien als auch unabhängige Kandidaten bei
den Präsidentschaftswahlen antreten können. Allerdings muss ein
unabhängiger Kandidat bestimmte Voraussetzungen erfüllen - er muss die
Unterstützung von mindestens 250 Abgeordneten aus dem Schura-Rat, dem
Volksrat und den Regionalräten vorweisen [3] -, was für Vertreter
bereits existierender Parteien nicht gilt.
Für die Präsidentschaftswahlen
2011 wiederum gilt, dass ein Kandidat, um antreten zu können, einer
Partei angehören muss, die mindestens fünf aufeinander folgende Jahre
lang legal aktiv war und bei den kommenden Wahlen mindestens fünf
Prozent der Sitze im Volks- und Schura-Rat erlangt hat. [4]
Die herrschende NDP setzte sich
für eine starke Beteiligung der Bürger am Referendum [über die Annahme
der Verfassungsänderungen] ein und band auch das religiöse Establishment
in ihre Rekrutierungsbemühungen ein. Die Partei begrüßte den positiven
Ausgang des Referendums und bezeichnete ihn als entscheidenden Sieg, der
Reformen und Demokratie in Ägypten den Weg bereiten werde. Viele Artikel
in der ägyptischen Regierungspresse äußerten sich in ähnlicher Weise zu
dem Ausgang des Referendums. Außerdem wurde eine neue Bürgerbewegung
namens Al-Istimrar ("Fortführung") ins Leben gerufen, welche die
Regierung unterstützen und als Gegengewicht zu den unabhängigen
Oppositionsbewegungen agieren soll.
Ägyptische Oppositionskreise,
unter ihnen die Kifaya-Bewegung, die Muslimbrüder und Parteien wie
Al-Wafd, Al-Nasseri und Al-Tagammu', beurteilten das Änderungsgesetz
kritisch. Sie argumentierten, das Gesetz errichte unüberwindbare Hürden
für Kandidaten, die nicht der NDP angehören. Daher riefen sie ihre
Mitbürger zum Boykott des Referendums auf. [5] Als die Ergebnisse des
Referendums bekannt gegeben wurden, behaupteten diese Gruppen, die
Resultate seien gefälscht worden und spiegelten weder die Wahrheit noch
den Willen des Volkes wider.
Trotz ihrer Ablehnung des
Änderungsgesetzes rief der Führer der Muslimbrüder, Scheich Muhammad
Mahdi 'Akef, zur Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen auf: "Die
Position der Brüder – der Aufruf zur Teilnahme an den
Präsidentschaftswahlen – resultiert aus der aktuellen Lage [in Ägypten].
Unsere Position soll dazu dienen, das Bewusstsein der Menschen [zu
wecken] und soll [die Bürger] dazu bewegen, aktiv an den Wahlen
teilzunehmen, um zu verhindern, dass ihre Stimmen gefälscht werden und
um sich an diesem Schritt in Richtung Reform zu beteiligen." [6]
Eine ähnliche Position bezog
die Wafd-Partei, die trotz ihrer Ablehnung des Referendums mit Nu'man
Gum'a sogar einen Kandidaten vorstellte. Laut der Internet-Seite
ikhwanonline.com "schließt [Gum'a] [die Möglichkeit] der Wahlfälschung
nicht aus, will aber [trotzdem als ernsthafter Kandidat an den Wahlen]
teilnehmen. [...]" [7]
[Als Reaktion auf] die Annahme
des Referendums entstanden drei neue Oppositionsbewegungen: die
Nationale Union für demokratischen Wandel, die hauptsächlich aus
nasseristischen Aktivisten besteht [8], die von Intellektuellen,
Künstlern und Autoren gegründete Neue Bewegung für Wandel [9] und die
Bewegung Journalisten für den Wandel, die für Meinungsfreiheit und
journalistische Unabhängigkeit eintritt. [10]
Den folgenden Report, der sich
mit der öffentlichen Debatte beschäftigt, die in Ägypten über die
Verfassungsänderungen und deren Auswirkungen auf die Wahlen am 7.
September geführt wurde, finden sie auf unserer Homepage
www.memri.de