Jüdischer Extremist:
Niemand wollte die Leiche des Mörders
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der Mörder von vier Arabern in der nordisraelischen
Stadt Schfaram vom vergangenen Donnerstag wurde erst am Sonntag Nachmittag
begraben. Niemand wollte seiner Leiche die letzte Ruhe gewähren.
Eran Zuberi-Zada, 19, israelischer Soldat, Deserteur und Rechtsextremist
hatte am Donnerstag Abend im Linienbus 165 von Haifa nach Schfaram in
Galiläa mit seinem M-16 das Feuer auf die Insassen des Busses eröffnet. Bei
dem Amoklauf wurden der christliche Busfahrer, zwei muslimische Schwestern
und ein weiterer Christ ermordet.
Der Mordanschlag löste große Empörung aus. Ministerpräsident Ariel Scharon
verurteilte die Tat eines "blutrünstigen Terroristen", eine Formulierung,
die üblicherweise für palästinensische Mörder an Juden verwendet wird. Die
arabische Minderheit im Norden Israels verkündete einen Generalstreik.
Verteidigungsminister Schaul Mofas verfügte, dass Zuberi kein
Militärbegräbnis mit den üblichen Ehren erhalte. Die Hamas kündigte "Rache"
an, doch die "Islamische Bewegung" Israels drängte: "Mischt Euch da nicht
ein".
Eden Zuberi, der sich Natan Zada umbenannte, als er "zur Religion
zurückkehrte", wie in Israel der Anschluss an frommen Fundamentalismus
bezeichnet wird, hatte vor einigen Monaten seinen Wohnsitz gewechselt.
Obgleich er noch bei seinen Eltern in Rischon Lezion bei Tel Aviv wohnte,
hatte er sich bei den Behörden als Bewohner der Siedlung Tapuach im
Westjordanland eintragen lassen.
Im Prinzip müsste Zuberi an seinem Wohnsitz begraben werden. Aber die eher
rechtsradikalen Siedler von Tapuach wollten ihrem ohnehin schlechten Ruf
keinen weiteren Makel anfügen. Im Januar hatte Zuberi beim Militärgericht
ein Buch von Rabbi Meir Kahana, dem geistigen Vater der verbotenen
Kach-Organisation, hoch gehalten. Wegen Desertierens erhielt er drei Wochen
Haft. Freunde aus der Siedlung Tapuach bezeichneten Zuberi einen "zweiten
Baruch Goldstein", nach dem Massenmörder von 1994, der in Hebron 22 Araber
in der Abrahamsmoschee erschoss und über hundert verletzte.
Der Bürgermeister von Rischon Lezion verweigerte ebenfalls das Begräbnis
"für einen faulen Apfel" (Tapuach, der Name jener Siedlung, bedeutet im
Hebräischen "Apfel"). Er wollte keinen Wallfahrtort für rechtsextremistische
Israelis. Um den Streit zu beenden, verfügte schließlich das
Ministerpräsidentenamt, dass Zuberi auf einem zivilen Friedhof in Rischon
Lezion begraben werde.
Doch damit ist dieses Kapitel nicht abgeschlossen. Der vierfache Mörder
wurde selber zum Mordopfer. Nach dem Amoklauf im Bus in Schfaram eilten 600
Männer herbei, schlugen die Fensterscheiben des Busses ein und prügelten den
Mörder zu Tode. Zunächst hatte ein einzelner Polizist versucht, sich
schützend vor den entwaffneten Zuberi zu stellen. "Als ich ihn verlassen
musste, um nicht selber gelyncht zu werden, lebte er noch", gab der
verletzte Polizist im Krankenhaus in Haifa zu Protokoll.
Nachdem Spitzenpolitiker, darunter Ariel Scharon und Schimon Peres, der
arabischen Gemeinschaft und den arabischen Knesset-Abgeordneten ihr
persönliches Beileid ausgesprochen hatten, stellte die Vereinigung
arabischer Gemeinschaften in Israel einen Forderungskatalog an die Regierung
auf. So solle eine weitere Untersuchung dieses Falles unterbunden werden!
Doch die Politiker erklärten, dass nur "professionellen Kreise" über eine
kriminelle Ermittlung entscheiden könnten. Nachdem das pathologische
Institut in Abu Kabir feststellte, dass Zuberi "durch Prügel" getötet worden
sei, dürfte der Polizei von Gesetzes wegen keine Wahl bleiben, nun die
Mörder des Mörders ausfindig zu machen. "Wir sind hier nicht in Ramallah.
Lynchjustiz darf es in einem Rechtsstaat nicht geben", sagte ein
Rechtsanwalt im Radio.
Am Wochenende wurde zudem klar, dass sich Armee und Geheimdienst eines
schweren Versäumnisses schuldig gemacht hätten. Schon einen Monat vor der
Mordtat warnten die Eltern vor der Gefahr ihres extremistischen Sohns. Um
den Rückzug aus Gaza zu stoppen, sei er "zu Allem bereit gewesen". Obgleich
er mit seiner Waffe desertiert war, hätten sich die Militärbehörden nicht
wirklich bemüht, ihn zu finden.
Bekannt wurde auch, dass Zuberi seine Mordtat offenbar sehr genau geplant
hatte. Am Mittwoch war er im gleichen Bus nach Schfaram gefahren. An der
Endstation erklärte er Ordnern und Busfahrern, während der Fahrt
eingeschlafen zu sein. "Einer der Busfahrer, Michel Bachut, brachte dem
jungen verstört wirkenden Soldaten eine Flasche Wasser, ermunterte ihn, er
solle sich nicht fürchten, und begleitete ihn zum Bus nach Haifa", erzählt
der Ordner Amin Sabach. Überlebende des "Blutbusses" erzählen, dass der
Busfahrer den Soldaten wiedererkannt hätte. Als der Soldat nicht ausstieg,
fragte der Fahrer, wohin er wolle. Mitten in Schfaram eröffnete Zuberi das
Feuer und ermordete Michel Bachut, jenen Busfahrer, der ihm am Tag zuvor
geholfen hatte. "Das war kein spontaner Amoklauf. Das war eine wohlgeplante
Tat, die der Mörder bis ins Detail vorbereitet hatte", sagt Sabach.
© Ulrich Sahm/haGalil.com
hagalil.com 07-08-2005 |