Mov!ng On:
Handeln und Dokumentieren im rassistischen Alltag
Von Anna Blume und chaze
Der Bundesverband Schleppen & Schleußen bestreitet,
dass der illegale Transport von Menschen über Grenzen moralisch verwerflich
sei. Vielmehr bezeichnet er diese Tätigkeit als "undokumentierten
grenzüberschreitenden Personenverkehr" und sieht in ihm einen rasanten
Wachstumsmarkt.
Globalisierung, so seine Argumentation, bedeute nicht nur
eine weltweit freie Waren-, sondern auch Personenbewegung. Das es sich bei
dieser Interessensgemeinschaft mit hochprofessionellem Marketingstrategien
um eine Kunstaktion mit antirassistischem Hintergrund handelt, wird erst
nach einer Phase der Irritation deutlich. Die Ausstellung Mov!ng On in
Berlin-Kreuzberg bietet Raum für Projekte dieser Art im Grenzbereich
zwischen Kunst und Politik.
Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Darstellung von
Rassismus im Alltag. Der Kurzfilm Einen Schritt weiter von Nick Hanke und
Rico Tscharntke konfrontiert gleich zu Beginn mit dem Leben eines
Asylbewerbers in Deutschland. Gedreht mit versteckter Kamera versetzt er die
Besucherinnen und Besucher in die Position eines Nicht-Weißen in der
deutschen Gesellschaft, zum Beispiel in die ruppige Kontrolle im Supermarkt,
bei der die Hautfarbe genügt um zum potentiellen Dieb zu werden. Das Projekt
Human Recources von Zala T.S. Unkmeier zeigt anhand von Zitaten aus dem
Brief Im Deutschen Interesse, den die Bundesregierung 2002 zur Begründung
ihrer Asylpolitik an alle deutschen Haushalte verschickte, wie per Gesetz
Flüchtlinge zu Wertobjekten werden. Signifikant wird dies in der
Unterteilung in nützliche und unnütze Flüchtlinge.
Mehrere Projekte thematisieren die Beliebigkeit von
Grenzen und die individuellen Erfahrungen mit ihnen. Border Sounds, ein
Hörspiel, stellt die Grenze als gefährlichen Raum dar, wie er von
Flüchtlingen wahrgenommen wird. Das Grenzen für verschiedene Menschen einen
unterschiedlichen Status haben, wird in dem Video Berlin Potsdam gezeigt.
Ein nicht amtlich genehmigter Sprung über die Stadtgrenze bedeutet für
Deutsche nichts, für Asylsuchende stellt dies aufgrund der Residenzpflicht
eine Gesetzesübertretung, die den Verlust des Aufenthaltsrechtes nach sich
ziehen kann, dar.
Mit der Chipkartenini, die Flüchtlingen den Zugang zu
Bargeld ermöglicht, verlässt die Ausstellung die Ebene der reinen
Dokumentation und zeigt Möglichkeiten antirassistischer Praxis auf. In
weiteren Projekten wird das große Spektrum antirassistischer Aktivitäten der
letzten Jahre dargestellt. Diese reicht von Informations- und
Aufklärungsarbeit bis hin zu militanten Aktionen.
Migrantinnen und Migranten werden hierbei nicht als reine
Opfer dargestellt, denen geholfen werden müsste, sondern als politisch
Agierende. Bedingt von der eindeutig politischen Ausrichtung tritt der
künstlerische Aspekt in den Hintergrund. Zudem entsteht durch die Häufung
der Projekte in einem Raum stellenweise eine pädagogisierende Atmosphäre,
welche deren Wirkungskraft mindert.
Eine Reflexion antirassistischer Praxis findet nicht
statt. Der umfangreiche Katalog stellt diese jedoch in einen breiten
gesamtgesellschaftlichen Kontext. Das diese Ausstellung nicht in einer
deutschen Grenzstadt gezeigt wird ist bezeichnend.
Mov!ng On: Handlungen an Grenzen – Strategien zum
antirassistischen Handeln. In der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst,
Oranienstraße 25, Berlin-Kreuzberg, bis 11. September 2005 täglich 12
- 18.30 Uhr, Eintritt frei. Katalog 188 S., 10 Euro.
www.ngbk.de
hagalil.com 30-08-2005 |