Scharm A Scheich:
Terror in Präsident Mubaraks Liebeshütte
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Die Sinaihalbinsel war für den ägyptischen Präsidenten
Hosni Mubarak eine ganz besondere Idylle. Durch den Suezkanal vom Rest
Ägyptens getrennt, glaubte Mubarak, wenigstens auf Sinai ein terrorfreies
Paradies schaffen zu können. Per Friedensvertrag "zurückerobert" hatte der
entmilitarisierte Sinai für Ägypten einen hohen symbolischen Wert. War es
doch ein Territorium, dreimal so groß wie der Staat Israel, das durch ein
Abkommen dem ehemaligen Besatzer abgerungen wurde. Angespornt durch diesen
"Sieg", investierte Ägypten in die Touristenindustrie entlang der Rote Meer
Küste.
Weil abgelegen und gut kontrollierbar, glaubte Präsident Mubarak, auf dem
Sinai eine Friedensinsel schaffen zu können, trotz extremer Temperaturen im
Sommer und unwirtlicher biblischer Landschaft.
Die ganze Welt honorierte diesen ägyptischen Traum, auf Sinai eine Enklave
des Friedens zu schaffen. Investoren strömten nach Scharm A Scheich, dem
Südzipfel des Sinai, wo vor 1967 ägyptische Kanonen in einem militärischen
Sperrgebiet die Meerenge von Tiran zu einer Falle für israelische Schiffe
auf dem Weg nach Eilat verwandelten. Mit dem Friedensvertrag wurde die
Meerenge vom "casus belli" zum Friedenssymbol. Deshalb lud die ägyptische
Führung immer wieder Friedenskonferenzen nach Scharm A Scheich ein. 1996,
nach den schweren Terroranschlägen in Tel Aviv und Jerusalem, schwebte
buchstäblich die Führungsspitze der ganzen Welt auf dem ehemaligen
Militärflughafen ein, um den Osloer Friedensprozess zu retten. Bundeskanzler
Kohl vertrat Deutschland.
Im Februar 2005 schuf Mubarak in Scharm A Scheich die Grundlage für einen
Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern nach fast fünf
Jahren "bewaffneter Intifada". Mahmoud Abbas und Ariel Scharon reichten sich
die Hand.
Aber Mubaraks intime Jägerhütte, dank Luftbrücke von Charterflügen zu einer
der einträglichsten Urlaubsparadiese für sonnenhungrige Europäer geworden,
blieb dennoch kein bombensicheres Refugium.
Vor zwanzig Jahren zerstörte ein "geisteskranker" ägyptischer Polizist den
"Frieden" auf Sinai, wohin zehntausende Israelis und Touristen ohne
Visumszwang strömten. Laut Friedensvertrag waren der Küstenstreifen entlang
des Roten Meeres und das Katharinenkloster eine einzigartige Freizone für
friedliches Zusammenleben mit Israelis in einem arabischen Land. Der
ägyptische Polizist erschoss mehrere Israelis, wobei einige von ihnen durch
Ausbluten an nichtigen Beinverletzungen starben, weil sich die ägyptischen
Behörden ohne Weisung aus Kairo nicht zu sofortiger erster Hilfe entscheiden
konnten.
Im Oktober 2004 erlitt Sinai einen weiteren Bruch, als Selbstmordattentäter
das halbe Taba-Hilton Hotel sprengten, ursprünglich von Israelis als
Sonesta-Hotel errichtet. Nicht der Terroranschlag von "verbrecherischen
Banden" (so die Ägypter), "mutmaßlich von Drahtziehern der El Qaeda" (so die
Israelis) schreckte israelische Touristen ab. Vielmehr war es die
Unfähigkeit der Ägypter, nach den Anschlägen effektive Hilfe zu leisten,
Straßen zu sperren, statt Ambulanzen durchzulassen. Jassir, ein israelischer
Araber nach den Anschlägen vom Samstag: "Sinai ist ein Traum, aber wehe, Dir
stößt etwas zu. Selbst eine Kleinigkeit kann Dir das Leben kosten. Es gab
keine Telefonzellen und plötzlich waren alle Fluchtwege versperrt." Unter
Schock stehende Israelis und deren vor Angst zitternden Kinder beklagten:
"Die Ägypter schickten keine Psychologen, uns zu helfen". Erst an der Grenze
zu Israel konnten die Schockverletzten mit Therapeuten rechnen. Der
israelische Arabienexperte Gai Bechor sagte: "Schlimmer als die Anschläge
ist in Ägypten die Unfähigkeit, den physisch oder psychologisch Verletzten
sofortige Hilfe zu leisten. Terroropfern droht eher der Tod durch mangelnde
Hilfe als durch die direkte Einwirkung des Anschlags."
Ägypten, das die führende Macht in der arabischen Welt sein will, kann nicht
akzeptieren, selber zum Ziel des organisierten Terrors von El Qaeda oder
seiner Untergruppen geworden zu sein, obgleich Muhammad Atta, einer der
Todespiloten vom 11.9. in New York ein Ägypter war. Der ägyptische
Tourismusminister sagte: "Die Touristen werden sich wegen verbrecherischer
Banden nicht zurückschrecken lassen, weiterhin in Scharm A Scheich Urlaub zu
machen." Innenminister Habib el-Adli sagte, dass die ägyptischen Behörden
keine Schuld treffe, denn nach den Anschlägen in London seien doch die
Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden. In jedem anderen Land bedeutet ein
gelungener Terroranschlag auch das Scheitern der Geheimdienste, zumal die
Ägypter gewarnt waren. Seit einigen Monaten veröffentlicht Israel dringende
Reisewarnungen für die Sinaihalbinsel, weil mit einem "großen Anschlag" zu
rechnen sei.
© Ulrich Sahm/haGalil.com
hagalil.com 26-07-2005 |