Umweltverschmutzung in Israel:
Die Kloake des Jordans fließt ins tote Tote Meer
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Die Baptisten bemerken nicht viel vom Zustand des
Jordans, wenn sie in gemieteten weißen Gewändern über schwarze Basaltstufen
zum grünlichen Wasser des Jordans herabsteigen, um sich mit Haleluja- Gesang
aus einem mächtigen tragbaren Stereogerät taufen zu lassen. Ellenlange
Katzenwelse tummeln sich da mit Sardinenschwärmen zwischen den frommen
Amerikanern, während sich eine zutrauliche Biberratte putzt und im stillen
Wasser Purzelbäume schlägt.
Die "Jardenit Taufstätte" Jesu befinde sich "ganz in der
Nähe" der Originalstelle, wo Jesus ins fließende Wasser des biblischen
Flusses getaucht sei, heißt es auf einem Schild. "Nähe" ist ein relativer
Begriff und bedeutet hier hundert Kilometer. Doch wenn es darum geht, den
Pilgern dann viele Dollars für echtes Olivenöl und vor allem "echtes
Jordanwasser", aus der Tasche zu ziehen, nimmt man es mit der "Nähe" nicht
so genau. "Sparsame" Touristen füllen ihre geleerten Mineralwasserflaschen
Marke "Eden-Wasser" mit dem grünlichen Wasser aus dem Jordan selber ab. Das
kostet nichts. Die von Israel vor 15 Jahren errichtete Taufstätte am Jordan
ist künstlicher, Ersatz für die meist unzugängliche Heilige Stätte im
militärischen Sperrgebet an der Grenze zu Jordanien nahe Jericho.
Die Touristenführer unterlassen es tunlichst, mit ihren
Bussen durch Kibbuz Degania, am Schwimmbad vorbei, zur Fortsetzung des
Jordans zu fahren. Die Staubstraße führt über einen kleinen Erddamm, der das
Wasser bei der Taufstätte auf touristenfreundlichem Niveau hält. Jenseits
des Damms, unter mächtigen Eukalyptusbäumen, rauscht aus Rohren eine
schäumende und ätzend stinkende Flüssigkeit in das Flussbett des Jordans.
"Ab hier ist der heilige Fluss des Judentums, der Christen und Moslems nur
noch eine Kloake mit den ungeklärten Abwässern von israelischen,
jordanischen und palästinensischen Städten", erklärt Gidon Bromberg, Gründer
und Chef der "Freunde der Erde", Abteilung Naher Osten. Mit fachkundigen
Erklärungen vor Ort am "Oberen Jordan" und Zahlenmaterial in der Pressemappe
schildert er Journalisten eine von Menschenhand geschaffene "ökologische
Katastrophe".
Israel pumpt pro Jahr über 350 Millionen Kubikmeter Wasser
aus seinem größten Süßwasserreservoir, dem See Genezareth, bis hinunter zum
Negew, um "die Wüste zum Blühen zu bringen". Israelische Bauern zahlen für
subventioniertes Frischwasser nur 14 Cent pro Kubikmeter und können es sich
unbekümmert leisten, ganze 400 Liter Wasser für die Produktion eines
einzigen Kilos Bananen zu verschwenden. Die Palästinenser klammern sich aus
politischen Gründen an ihre Schollen, indem sie ebenso Gemüse anbauen, das
verschwenderische Mengen Wasser schluckt. Jordanien erhält laut
Friedensvertrag von Israel 50 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem
Genezareth. Es bekämpft Arbeitslosigkeit mit extensiver Landwirtschaft in
der Jordansenke.
Das Ergebnis: für den Jordanfluss bleibt kein Tropfen
Wasser. Und sowie Ende des Jahres der jordanisch-syrische Staudamm des
Jarmuk steht, wird auch aus dem letzten verbliebenen Zufluss kein Tropfen
Frischwasser mehr den Jordan speisen und ins Tote Meer fließen. "Alle
Gewässer und Abwässer sind hier grenzüberschreitend", sagt Bromberg. Deshalb
könnten die Schäden an der "Wiege der Menschheit" mit biblischen,
byzantischen und muslimischen Fundstätten nur durch Kooperation behoben
werden.
Teile des Jordans sind schon vertrocknet. Und der
Meeresspiegel des Toten Meeres sinkt jedes Jahr um einen Meter durch
Verdunstung und mangels Zufluss von neuem Wasser. "Um mit Apfelsinen, Mangos
und Bananen zwei Prozent des Bruttosozialprodukts zu erwirtschaften, nimmt
Israel einen wirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe in Kauf, indem es
gemeinsam mit Palästinensern und Jordanien, teilweise im Namen des Friedens,
einen ganzen historischen Landstrich verwüstet."
Durch den Erhalt der einzigartigen Umwelt an der tiefsten
Stelle der Erde und einer behutsamen Rettung des zum militärischen
Sperrgebiet erklärten Grenzflusses, könnten alle Anrainerstaaten weit mehr
Geld verdienen als durch Landwirtschaft. "Es geht nicht nur darum, das
Habitat für Vögel und Fische zu erhalten", meint der Umweltschützer und
Experte für internationales Umweltrecht. Allein das Schrumpfen des Toten
Meeres führte zu einem Sinken des Grundwassers. Unterirdische Salzhöhlen
werden vom Süßwasser ausgespült und verwandeln sich in "Bolanim"
(Schlucklöcher). Sie verschluckten schon den Campingplatz von Ein Geddi und
Autos auf den Straßen entlang des Toten Meeres in Israel und Jordanien. Die
Heilbadbetriebe mit Einkünften in Milliardenhöhe sind ebenso bedroht wie die
Pottasche-Industrie im Süden des Toten Meeres. "Es kommt billiger, Bananen
und Apfelsinen aus wasserreichen Ländern zu importieren, als sie in der
Wüste mit subventioniertem Wasser anzubauen und die Zerstörung ganzer
Landstriche hinzunehmen."
Bromberg ruft Israel, Jordanien und die Palästinenser auf,
ihre altmodischen Bauern-Ideologien abzulegen. Für den Frieden und die
Rettung des Kulturerbes sollten sie gemeinsam die Wasserverschwendung
beenden, um den Jordan und das Tote Meer vor deren sicheren Tod zu retten.
"Wasser ist kein Kriegsgrund im Nahen Osten, sondern eine Geldfrage. Durch
den Bau von Entsalzungsanlagen, eine vernünftige Verteilung der knappen
Resourcen, Wiederverwendung von Brauchwasser und einem Ende der
Wasserverschwendung in der Landwirtschaft könnte dem Menschen wie der Umwelt
gedient sein. Voraussetzung ist aber eine friedliche Zusammenarbeit aller
betroffenen Parteien und Länder."
© Ulrich Sahm/haGalil.com
hagalil.com 12-07-2005 |