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Das ist keine Privatangelegenheit des Ministerpräsidenten:
Der Krieg der Farben

Uri Avnery

Ein Ausländer, der zum augenblicklichen Zeitpunkt Israel besucht, hat den Eindruck, dass sich das Land mitten im Wettkampf zweier Fußballteams befindet: orange gegen blau.

An Tausenden von Autos fliegen Bänder mit diesen Farben, meistens an den Antennen. Was auf den Straßen auch sehr auffällt, ist, dass diejenigen mit verschiedenen Farben einander feindlich behandeln, was sich in ihrem Fahrstil bemerkbar macht – und diejenigen mit derselben Farbe, sich mit ausgesuchter Höflichkeit begegnen, was auf israelischen Straßen ziemlich ungewöhnlich ist.

Farben, die unterschiedliche Parteien symbolisieren, erinnern an den Rosenkrieg vor 450 Jahren. Damals war die rote Rose das Emblem des Hauses Lancaster bei seinem Kampf um den Thron von England, während die weiße Rose das feindliche Haus derer von York kennzeichnete. Der Krieg dauerte 32 Jahre lang und endete mit dem Sieg der roten Blüte.

In unsrer Zeit gehören die Kriege der Farben ins Sportstadium, wo nur selten Blut vergossen wird. Der israelische Krieg zwischen orange und blau ist dagegen eine sehr ernste Angelegenheit.

Oberflächlich betrachtet, ist es der Kampf um den Rückzug aus dem Gazastreifen und die Evakuierung von ein paar Siedlungen dort. In Wirklichkeit hat dieser Kampf eine viel tiefere Dimension: Es geht um das eigentliche Wesen und die Zukunft Israels.
Diejenigen, die das orangefarbige Band flattern lassen, wissen das sehr genau. Sie haben sich geschworen, das „ganze Land orange einzufärben“ und meinen damit, seine Lebensweise von Grund auf zu ändern. Nach ihnen sind die von der Knesset geschaffenen Gesetze ungültig, wenn sie im Gegensatz zum religiösen Gesetz – der Halakha – stehen, wie es von den nationalistischen Rabbinern einer fundamentalistisch-messianistischen Fraktion mit einem faschistischen Rand, ausgelegt wird. Regierungsentscheidungen seien null und nichtig, wenn sie gegen Gottes Willen seien. Und Gott spricht – wie ja allen bekannt – aus dem Mund der Siedlerführer. (Man kann nur sagen: armer Gott! Wenn ER solche Sprecher benötigt!)
 

..."was sich hier abspielt, ist nicht der Kampf um die Loslösung von Gaza, es ist der Kampf um das Aussehen Israels"...

...die meisten, selbst die Minister meiner Regierung, ziehen es noch immer vor zu schweigen. Sie machen einen Fehler!
Das ist nicht meine private Front, das ist die Front des Staates Israel, und jeder, der um das Schicksal des Staates bangt, muss sich heute erheben und deutlich sagen, wo er steht!"

Israels Minister-präsident Ariel Scharon
im Juli 2005

Diejenigen, die die blauen Bänder flattern lassen, wissen – einige bestimmt und eindeutig, andere etwas verschwommen – dass sie für eine andere Vision Israels kämpfen. Einige haben eine klare Vorstellung von einem demokratischen, liberalen und säkularen Israel, das in Frieden mit der arabischen Welt leben will. Andere haben eine allgemeinere Vision eines vernünftigen und anständigen Israels, in dem die Mehrheit durch die Knesset entscheidet. So oder so, der Unterschied zwischen blau und orange ist klar und unverkennbar.

Heute, 37 Tage vor der geplanten Evakuierung, können zwei Phänomene festgestellt werden:
Erstens, die große Mehrheit der Autos auf den Straßen hat gar kein farbiges Band.
Zweitens, unter denen, die ein farbiges Band flattern lassen, gibt es doppelt so viel orangefarbige wie blaue, etwa 2:1.
Die öffentlichen Meinungsumfragen zeigen allerdings, dass das wirkliche Verhältnis genau umgekehrt ist: Zwei Drittel unterstützen den Gaza-Rückzug. Dieser Prozentsatz stieg sogar letzte Woche, nachdem der Lynchversuch an einem verwundeten arabischen Jungen durch Gush Kativ Siedler im Fernsehen gezeigt wurde. Aber schon davor gab es eine klare Mehrheit für den Rückzug.

Warum gibt es dann im Augenblick nicht eine solide Mehrheit von blauen Bändern auf den Straßen?
Der 1. Grund ist nicht überraschend: eine fanatische Minderheit mit hoher emotionaler Motivation hat einen Vorteil über die "stille Mehrheit", die immer dahin tendiert, passiv zu sein.

Die Siedler und ihre Verbündeten haben auch einen klaren logistischen Vorteil. Sie leben in ihren eigenen Gemeinden, und es ist für sie dementsprechend einfach, Tausende von Kindern und Jugendliche zu mobilisieren, die sich über das ganze Land verteilen und an den Autos ihre Bänder verteilen. Die Religiösen, die fast alle die Siedler unterstützen, leben zusammen in ihren Yeshivot (Seminare) und in besonderen Stadtteilen, wo auch sie jederzeit zu einer Aktion aufgerufen werden können.
Alle diese Vorteile wären jedoch nicht ganz so offenkundig, wenn die Gegner nicht so schwach wären.

Die meisten Bürger sind einfach ängstlich. Sie fürchten, wenn sie ein blaues Band flattern lassen, dann würden ihre teuren Autos von rechten Hooligans beschädigt. Und tatsächlich sind einige Autos mit blauem Band beschädigt worden.
Furcht ist ein typisches Symptom einer Gesellschaft, die von einer faschistischen Minderheit bedroht wird: Extremisten wenden bewusst Gewalt an, um die dem Gesetz folgende Mehrheit zu lähmen, die, weil sie vor Gewalt zurückschreckt, nicht entsprechend reagieren kann. Schon wenige ausführlich veröffentlichte Beispiele genügen, um Unsicherheit und Angst zu verbreiten.

Ein anderer Grund hängt mit dem Wesen der demokratischen Öffentlichkeit zusammen. Die meisten Leute wollen nur in Ruhe gelassen werden. Sie wollen nicht auffallen und ihre Überzeugungen nicht öffentlich demonstrieren. Sie leben nicht in besonderen Stadtteilen, die ihnen ein Gefühl der Sicherheit und Macht vermitteln. Viele glauben, dass sie mit ihren Gedanken und Gefühlen alleine dastehen. Und nicht wenige reagieren zögerlich oder wollen gar nicht daran denken, ein blaues Band zu erwerben.

Ein anderes Phänomen: während fast alle "Orangefarbigen" ihr Band stolz an die Spitze der Antenne oben am Auto flattern lassen, befestigen viele der "Blauen" das Band weiter unten, am Seitenspiegel oder am Türgriff, wo es weniger auffällt.

Aber der Kampf der Farbbänder ist kein Spiel. Im Augenblick ist dieser äußerst wichtig, und die Siedler wissen dies sehr wohl.
Es ist deshalb wichtig, weil die Zahl der orangefarbigen Bänder den Eindruck hinterlässt, dass die Siedler die Straßen beherrschen und dass sie die tatsächliche Mehrheit in Israel sind – selbst wenn die Umfragen das Gegenteil sagen. Das lässt ihre Moral im Kampf gegen die israelische Demokratie in die Höhe schnellen, während die der demokratischen Öffentlichkeit sinkt.

Dies beeinflusst - bewusst oder unbewusst - die Politiker und die Medienleute, die ihrerseits wieder die öffentliche Meinung bilden. Wenn das blaue Band das orangefarbige besiegen würde, würde dies großen Einfluss auf das ganze System haben. Es würde den Parteien, die den Rückzug befürworten, neuen Mut verleihen, ebenso den Sicherheitskräften, die ihn durchführen müssen. Die gegenteilige Situation könnte für den Staat gefährlich werden.

Das blaue (und blauweiße) Band ist ein einigendes Symbol. Kräfte verschiedener Schattierungen arbeiten in dieser Kampagne zusammen; Kräfte, die Ariel Sharon und den Rückzug nur aus dem Gazastreifen unterstützen ("Gaza - erster und einziger Rückzug") und Kräfte, die diesen Rückzug in ein Instrument verwandeln wollen, um einen allgemeinen Frieden zu erreichen ("Gaza – der erste, aber nicht letzte Schritt").
Vertreten wird hier eine liberale und friedensliebende Kultur. Hier glaubt man daran, dass alle Bürger, gleich welchen Geschlechts oder welcher Volks- oder Religionszugehörigkeit auch immer, zusammen leben können. Man glaubt hier, kurz gesagt, das Gegenteil von dem, was die Siedler glauben.

Der Sieg des blauen Bandes wird vielen Leuten ein Gefühl der Macht vermitteln. Jenen, die verzweifelt sind, die glaubten, dass sie zu wenige und zu schwach wären und dass sowieso "schon alles verloren sei", denen würde das blaue Band ein Gefühl geben, dass sie zu einer großen und einflussreichen Gemeinschaft gehören.

Der Kampf hat noch eine andere interessante Wirkung. In den vergangenen Jahren ist es dem rechten Flügel gelungen, das Monopol über das Zeigen der israelischen Flagge zu haben. Ein Teil der Linken hat sich von der blau-weißen Flagge sogar enttäuscht distanziert, weil sie für ihn die Besatzung und die Siedlungen symbolisiert.
Bei Demonstrationen gegen die Besatzung erschien die israelische Flagge wenn überhaupt, dan nur im Gush-Shalom-Emblem, das die Flagge Israels mit der palästinensischen kombiniert. Ein Zeichen, das auch viele Palästinenser gerne als Symbol für die mögliche Koexistenz im Nebeneinander tragen.

Seitdem aber die Siedler die Farbe orange - vom ukrainischen Aufstand geklaut – übernommen haben, übernahmen die Opponenten ganz natürlich die blaue Farbe, die von der Fahne Israels stammt.

Die symbolische Bedeutung ist äußerst wichtig. Immer mehr Leute sind davon überzeugt, dass dieser augenblickliche Kampf wesentlich ein Kampf zwischen dem Staat Israel und dem "Staat der Siedler" ist – einem demokratischen Staat auf der einen und einem nationalistisch-messianischen Staat auf der anderen Seite.
Eine bedeutsame Symbolik, die weit reichende Konsequenzen für die Zukunft in sich trägt. Es ist der Beginn der wahren Trennung – die Trennung zwischen dem Staat Israel und den Siedlern.

Auch dafür wäre es wichtig, dass die blaue Farbe jetzt den Krieg der Farben gewinnt.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)

hagalil.com 12-07-2005

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