Waldsee
– 1944:
Schöne Grüße aus Auschwitz
Von Rosa Lewin
Eigentlich ist es nur das Wort »Auschwitz« im
verführerisch einladenden Titel der Ausstellung des Collegium Hungarium
Berlin, das nicht zum Kontext zu passen scheint. Und doch ist es – sieht man
von der Jahreszahl ab – das einzige, das die Wahrheit sagt.
Der Waldsee ist erfunden, die schönen Grüße sollen etwas
vorgaukeln. Der reale Hintergrund des Ausstellungsnamens ist eine zynische
Täuschungsaktion der SS. 1944 wurden in einem sehr kurzen Zeitraum die
meisten Budapester Juden nach Auschwitz deportiert. Um in dieser späten
Kriegsphase Panik zu vermeiden und den Zweck der Aktion zu verschleiern,
zwangen die SS-Leute die Deportierten, vor ihrer Ermordung Karten mit Texten
wie »Wir sind gut angekommen. Ich habe eine Arbeit in meinem Beruf
bekommen.« oder »Uns geht’s gut. Kommt nach!« abzufassen. Als Absender
fügten die Mörder »Waldsee«, einen erfundenen österreichischen Ferienort,
ein.
Die
Ausstellung der Budapester Galerie 2B im Collegium Hungarium Berlin
60 Jahre danach hat die Budapester Galerie 2B ungarische
und internationale Künstler dazu eingeladen, ihre Gedanken zu diesem Vorgang
künstlerisch zu gestalten. Als einzige Vorgabe wurde die Bedingung gestellt,
sich an das Postkartenformat der »Waldsee«-Karten zu halten. Dieses formale
Korsett bereitete einigen offenbar ein wenig Kopfzerbrechen, weshalb der
ebenfalls ausgestellte Katalog mit Stellungnahmen und Erläuterungen der
Beteiligten noch unentbehrlicher für den Betrachter als bei anderen
Expositionen wird.
Ralf
Bachmann hielt die Eröffnungsansprache
Das Echo auf die Einladung bei bereits berühmten und bei
noch suchenden jungen Künstlern war ebenso bemerkenswert wie der
Ideenreichtum ihrer Werke. »Es mag der perverse Kontrast zwischen der
erlogenen Naturidylle, der nur scheinbaren menschlichen Verbundenheit und
der tatsächlich funktionierenden Mordmaschinerie sein, der so namhafte
Persönlichkeiten wie Laszlo Rajk und Dora Maurer, aber auch dem Thema schon
wegen ihrer Jugend fremde junge Künstler inspiriert und angezogen hat«,
vermutete Ralf Bachmann, der im Namen des Jüdischen Kulturvereins die
Eröffnungsansprache hielt und den aktuellen Wert des künstlerischen
Engagements gegen Antisemitismus in Ungarn wie in Deutschland würdigte.
Die Ausstellungsorganisatoren Ágnes Berger und Laszlo
Böröcz dankten dem JKV herzlich für sein Engagement, für gute Zusammenarbeit
und Unterstützung. Die Ausstellung war bis 3. Juli in der
Karl-Liebknecht-Straße 9 zu sehen. Als nächstes geht sie in's Hebrew Union
College in New York.
Waldsee 1944: Schöne Grüße aus
Auschwitz
Grußworte zur Eröffnung der Ausstellung
von Rolf Bachmann, Vorstandsmitglied des Jüdischen Kulturvereins
hagalil.com 04-07-2005 |