Xavier Naidoo auf Hebräisch:
Mannheims Söhne zu Gast in Tel Aviv
Von Ulrich W. Sahm
In der Tel Aviver Oper sind normalerweise stillere Töne
üblich. Und nicht jeden Tag stellen zwölfjährige Mädchen mit Spangen an den
Zähnen das Abendpublikum mit Konzertbeginn um 21:00 Uhr. Der Saal war
jedenfalls voll, als die deutsche Rockband "Söhne Mannheims" auf die Bühne
trat.
"Wer ist aus Tel Aviv" fragte auf Englisch Xavier Naidoo
das überwiegend junge Publikum. Etwa die Hälfte der Hände erhoben sich unter
Jubel. "Wer ist aus Jerusalem?" Nur ein Viertel des Saals kam aus der
Heiligen Stadt. "Und wer ist aus Deutschland?" Diesmal jubelte fast der
ganze Saal. Soviel deutsches Publikum in Tel Aviv? In der Tat ein
ungewöhnlicher Anblick, denn meistens kommen eher weißhaarige alte Leute am
Stock, wenn die deutsche Botschaft im Rahmen von "40 Jahre diplomatische
Beziehungen Israel-Deutschland" zu Veranstaltungen einlädt.
Auffällig viele junge Menschen im Saal der Oper plauderten
munter in einem Gemisch aus Deutsch und Hebräisch, einige mit russischem
Akzent. Das sind nicht die Kinder der 1930 vor den Nazis geflohenen
"Jekkes", der deutschen Juden. Es sind Kinder von Israelis, die in
Deutschland gelebt haben oder junge deutsche Juden, die in den vergangenen
Jahren nach Israel eingewandert sind.
"Adon Olam", Herr der Welt, ein uraltes hebräisches Gebet,
sang Xavier Naidoo gleich zu Beginn der Vorstellung. Die Rockmusik passte
gut dazu. Das Publikum war begeistert. "Es ist so cool, dass Xavier hier
gleich auf Hebräisch singt", sagt eine junge Frau. Schon vor ihrem Studium
an der frommen Bar Illan Universität war sie ein Fan der Rockergruppe "Söhne
Mannheims". "In Deutschland habe ich sie nie gesehen und bin ja so froh, sie
jetzt in Tel Aviv erleben zu können." Zusammen mit ihren Freundinnen
"schlich" sie sich nach der Vorstellung einfach in den Empfang der deutschen
Botschaft ein, um sich mit ihrem Idol ablichten zu lassen. Xavier war so
fasziniert von den jungen Israelis, dass er mit den Diplomaten im offenen
Hemd kaum ein Wort wechselte.
"Hammermäßig", beschrieb Xavier Naidoo das Konzert in Tel
Aviv. "Zu einem gewissen Zeitpunkt sind die Leute im Saal einfach
aufgestanden, es war ja alles bestuhlt, man darf ja nicht vergessen, es ist
ja eigentlich eine Oper. Und dass die Leute dann einfach dazu kommen,
aufzustehen, wo ich das ja eigentlich nur im Scherz gesagt hatte, dass das
jetzt ein Gebet ist, zu dem man Tanzen kann, und auf einmal standen die
Leute auf, das war ein Hammererlebnis." Das sei nicht überall so: "Manchmal
muss man mit dem Publikum kämpfen. Wir hatten heute das Glück, dass es
relativ schnell gleich zur Sache ging." Ein anderes Mitglied der Band fügte
hinzu: "Die Israelis sind sehr offen und bereit, den Augenblick zu leben. Es
war eine totale Jetztzeit. Deshalb sind sie aufgestanden und haben getanzt
und es war total gut. Wir hatten das nicht erwartet. Wir waren froh und
glücklich, dass es so gekommen ist. Man erträumt sich das natürlich. Aber
man kann nicht davon ausgehen, dass man gleich so verstanden wird."
Naidoo, gefragt ob er Hebräisch könne, meinte lachend:
"Ein wenig, seit ein paar Tagen. Es ist verbesserungswürdig. Aber singen
kann ich schon auf Hebräisch. Das Adon Olam ging mir ganz gut von den
Lippen." Er habe es in den letzten zwei Tagen im Hotel "und zu Hause ein
bisschen" gelernt. "Es ist nicht so schwer. Ich finde, es hat schon eine
Ähnlichkeit mit dem Deutschen, von den Lauten her", sagte der ursprünglich
aus Indien stammende Star der deutschen Pop-Szene.
Naidoo, gefragt nach Angst während seines Aufenthaltes in
Israel: "Angst, nö, ich glaub, wir gehen damit genauso um wie die Leute, die
hier leben." Ein anderes Bandmitglied meinte: "Ich hatte Angst, bevor ich
herkam, hab auch mit Leuten darüber gesprochen. Ich bin ja so geprägt von
den Medien, von den Bildern, die ich in den Medien sehe. Aber dadurch, dass
ich Freunde hab, die hier leben, konnte ich mich informieren und wusste, die
leben ja hier auch, wie wir leben, zwar mit einem anderen Bewusstsein, aber
sie leben eben eigentlich auch gut. Und deswegen kann man sich dann auch
leicht anpassen."
Botschafter Rudolf Dressler und fast alle anderen
deutschen Diplomaten waren auch zu dem ungewöhnlichen Auftritt einer
deutschen Rockergruppe gekommen. An die dröhnenden Lautsprecher nicht
gewöhnt, machte Dressler während des Konzerts eine "Pause" in der Lobby:
"Die deutschen-israelischen Beziehungen sind lebendig, aber nicht immer so
geräuschvoll", meinte er schmunzelnd. "Im Übrigen hat diese Band ja auch
Softmusik gespielt, also sogenannte Weichmusik", fügte er als "Experte"
hinzu. Er gestand allerdings, von den "Söhnen Mannheims" erst erfahren zu
haben, als ihre Veranstaltung in Tel Aviv geplant wurde. "Es war ja
offensichtlich für die Israelis und die Deutschen, die heute Abend da waren,
eine Riesen-Show. Es sind große Künstler, sonst hätten sie nicht einen
solchen Erfolg gehabt."
© Ulrich Sahm/haGalil.com
Ausschnitt aus der ZDF Berichterstattung
hagalil.com 10-06-2005 |