Ausstellung in Wien:
Women in the Holocaust - Frauen im Widerstand
Von Alexandra Bader,
CeiberWeiber
Ab 3. Juni 2005 werden vielfältige Aspekte von Frauen
(leben) im Holocaust in einer Ausstellung in Wien gezeigt. Es handelt sich
um ein israelisches "Produkt", in dem jahrzehntelanges Archivieren, Forschen
und Sammeln komprimiert und dennoch umfassend dargestellt wird. Dabei wird
auch den Schicksalen von Österreicherinnen, die den Nazis Widerstand
leisteten, breiter Raum gegeben. Zunächst war es Sache überlebender Männer,
die Geschichte widerständiger Handlungen zu schreiben, wie Yonat Rotbain
meint, von der das Ausstellungskonzept stammt.
Diese Veröffentlichungen waren eher allgemein gehalten,
während später dann Frauen persönliches Erleben schilderten. Eine solche
Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern ist auch heute festzustellen, wenn
wir uns beispielsweise in Buchhandlungen ansehen, was zu Afghanistan und
Irak angeboten wird: Männer schreiben über politische Hintergründe, Frauen
beschreiben meist Einzelschicksale. Wenn die Wahrnehmung von Widerstand bei
der männlichen Perspektive hängenbleibt, wird der Anteil von Männern als
dominierend transportiert.
"Widerstand" ist dann der Mann mit der Waffe in der Hand,
was den Blick darauf verstellt, dass auch "bloßes Überleben" des NS-Terrors
widerständige Handlungen beinhaltet hat. Die Strategien, die gerade Frauen
oft entwickelten und entwickeln mussten, werden dann weit weniger beachtet.
Dennoch gibt es Gender-Unterschiede, da etwa lange angenommen wurde, die
Nazis würden zwar Männer von den Familien trennen und einsperren, die Frauen
und die Kinder aber verschonen. De facto waren aber zwei Drittel der Opfer
des Holocaust Frauen und Kinder. Die unvorstellbare Zahl von sechs Millionen
ermordeten Juden beinhaltet auch eine Million Kinder.
Frauen waren es, die sich um die Ernährung kümmerten und
die versuchten, wenigstens die Kinder zu retten, selten "heldenhaft mit der
Waffe in der Hand". Freilich wird auch nicht verschwiegen, dass es
Kämpferinnen gab, die sich den Partisanen anschlossen oder im Ghetto
Widerstand leisteten. Die Ausstellung verzichtet auf "Greuelfotos" von
Nazi-Grausamkeiten, da diese bereits zur Genüge bekannt sind. Indirekt und
wohl wirksamer ist der Terror jedoch immer präsent, auch in Bildern wie
jenen von KZ-Latrinen oder von zerschlagenem Blechgeschirr, aus dem gegessen
und getrunken und das zugleich als Nachttopf verwendet wurde.
Ausstellungsdesigner
Zev Harari wählte eine Darstellungsart, bei der Fotos von meist schlechter
Qualität digital bearbeitet und stark vergrössert wurden. Dadurch fällt kaum
auf, dass relativ viel Text bei den Bildern zu lesen ist. Übrigens stets in
Englisch, was jedoch dadurch kompensiert wird, dass es eine schön gestaltete
deutsche Broschüre mit den Infos der Schautafeln und vielem weiterem gibt.
Die Inhalte stammen von Moreshet, einem Studien- und Forschungszentrum für
den Holocaust, und von Givat Haviva, einer seit langem bestehenden, nach
einer Partisanin benannten Friedensinitiative.
Die Ausstellung, welche in mehreren Ländern gezeigt wird,
gehört zu einem laufenden Projekt, bei dem die Geschichte der Frauen im
Mittelpunkt steht. Es gab ganz spezifische Handlungen von Frauen, die
alltäglich erscheinen, aber lebensgefährlich waren, wie das Verstecken von
Kindern und anderen Familienangehörigen, oder das Schmuggeln von Waffen und
Nahrungsmitteln unter Kleidern und Röcken ins Ghetto. Sie brachten Menschen
über die Grenze, legten Sprengsätze unter Eisenbahngleise und waren mit
diesen Handlungen immer im Bewusstsein der Überlebenden, ohne dass ihnen in
der aufgeschriebenen Erinnerung besonderes Augenmerk gegeben wurde.
In der Ausstellung wird Wert auf Vielfalt gelegt: so gibt
es zum Beispiel Auszüge aus dem Tagebuch, das Anna Faltyn in Prag 1931 für
ihre erste Tochter führte. Viele Mütter legten in jener Zeit Alben mit Fotos
und Berichten für ihre Kinder an, doch Anna muss bald auch Schreckliches
eintragen. Anna, Helena, die 1933 geborene Hanna und Ehemann Ernest werden
im Sommer 1943 zuerst nach Theresienstadt und dann nach Auschwitz
deportiert. Keine/r kehrte je zurück, was bleibt, sind nette Kinderfotos in
einer Ausstellung im Jahr 2005.
Ein Bereich widmet sich den Erinnerungen von
KZ-Überlebenden aus verschiedenen Ländern und würdigt Roza Robota aus Polen,
die mit drei anderen jungen Frauen Sprengstoff für den Aufstand in Auschwitz
1944 besorgte. Alle vier wurden hingerichtet, ohne Mitglieder des
Lageruntergrundes verraten zu haben. Zofia Rosenstrauch ist ein Name ohne
Daten, da von ihr nur ein Album mit Zeichnungen gefunden wurde, die
KZ-Alltag darstellen. Es war nichts über sie in Erfahrung zu bringen, doch
wurden die in der Ausstellung fotokopiert gezeigten farbigen Illustrationen
im Porzess gegen Eichmann verwendet.
Junge Frauen, die sich bewaffnetem Widerstand anschließen
wollten, wurden oft auf Heim und Herd verwiesen, als ob nicht alle Regeln
sonstigen (traditionellen) Lebens außer Kraft gesetzt wären. Dies bekam auch
Lilli Litwak (litwaken = eigentlich die Bezeichnung für litauische Juden) zu
hören, die gemeinsam mit anderen Frauen Kampfpilotin der Roten Armee werden
wollte. So verzweifelt sei die Lage nicht, dass Mädchen gebraucht würden,
hieß es. Bald durften sie aber fliegen und waren schnell als "Nachthexen"
legendär, die deutsche Versorgungsbasen zerstörten. Lilli wurde auch als
Person berühmt, als "Weisse Rose von Stalingrad", da sie Blumen liebte und
mit diesen auch ihr Cockpit verzierte. Sie wurde mehrmals verwundet, einmal
von ihrem Freund, ebenfalls Kampfpilot, nach einer Notlandung gerettet.
Schließlich attackierten sie 8 deutsche Kampfflugzeuge,
und diesen Einsatz überlebte sie nicht. Wie Lilli wurde auch Liza Magun 1943
im Alter von 22 Jahren getötet. Sie hielt die Verbindung zwischen dem
Widerstand im litauischen Wilna und dem dort von den Deutschen abgeriegelten
Ghetto. Sie warnte Juden vor bevorstehenden Überfällen, von denen der
Untergrund erfahren hatte. Liza wurde beim Versuch ermordet, ihre
gefälschten Papiere erneuern zu lassen. Der Untergrund ehrte sie, indem er
die Losung "Liza ruft!" verwendete. Zelma Steiner schloss sich im Alter von
14 Jahren den slowakischen Partisanen an und nahm an deren Aufstand 1944
teil. Obwohl sie selbst verwundet wurde, kümmerte sie sich um die
Verletzungen anderer. Nach ihrer Gefangennahme verriet sie trotz Folter
niemanden und wurde als jüngste Partisanin exekutiert.
Legendär war auch manch eine Frau, die sich
Ghettowiderstand anschloss, wie Niuta Teitelbaum in Warschau. Sie tötete in
Verkleidung mehrere Gestapo-Männer und entkam unbehelligt. Sie nahm am
Aufstand im Ghetto teil, und die Deutschen wollten ihrer unbedingt habhaft
werden. Sie wurde gefangengenommen und im Alter von 25 Jahren hingerichtet.
Eine in der Ausstellung geehrte (und noch hochbetagt lebende) Österreicherin
ist Antonia Bruha, die in einer tschechischen Widerstandsbewegung aktiv war,
kam nach einem nicht vollstreckten Todesurteil ins KZ Ravensbrück. In den
schlaflosen Nächten nach der Befreiung, als sie dauernd an die vielen
Ermordeten denken musste, schrieb sie ihre Erlebnisse auf.
Auch die Sozialdemokratin Käthe Leichter wurde nach
Ravensbrück deportiert, überlebte jedoch nicht, da sie im Rahmen eines
"Euthanasieprogrammes" in einer Psychiatrischen Anstalt wie rund 15000
andere jüdische Häftlinge ermordet wurde. Die Sozialdemokratin Rosa Jochmann
war bereits 1940 nach Ravensbrück gebracht worden, wo sie als Blockälteste
für viele später Deportierte Hoffnung bedeutete, so auch für Antonia Bruha.
Doch da sich Jochmann für ihre Mithäftlinge engagierte und Widerstand
leistete, wurde sie fünf Monate separat in Bunkerhaft gezwungen, was sie
körperlich sehr schwächte. Sie starb 1994 im Alter von 92 Jahren. Vally
Weigl, die ältere Schwester von Käthe Leichter, konnte mit Ehemann in die
USA emigrieren und wird gerade als Komponistin wiederentdeckt. Bekannt als
couragierte Helferin für untergetauchte Juden und Überlebende von Auschwitz
ist schließlich die Ärztin Ella Lingens, die 2002 im Alter von 95 Jahren
starb.
Text
und Bilder: Alexandra Bader,
CeiberWeiber
Ausstellung bis 23. Juni 2005, im Nestroyhof, Nestroyplatz
1, 1020 Wien Öffnungszeiten: Mo.Fr. 10.00 Uhr 19.00 Uhr
hagalil.com 21-06-2005 |