Amerikanische Vermittlung:
Die Siedlerhäuser werden abgerissen
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
"Zehn Jahre lang haben wir auf engstem Raum in einem
Karawan aus Pappe gelebt. Erst vor wenigen Monaten wurde unser Traumhaus
fertig", sagt Tova Gross in Dugit, einer kleinen Siedlung im Norden des
Gazastreifens. Doch sie hat sich schon damit abgefunden, dass spätestens in
knapp 60 Tagen der Umzug in ein angemietetes Haus in einen Kibbuz nahe dem
Gazastreifen bevorsteht. Ihre beiden Kinder werden wie bisher in einer
Regionalschule außerhalb des Gazastreifens lernen.
Da Familie Gross sie unter den palästinensischen Fischern
gute Freunde gefunden hat, mit denen sie bis zum Ausbruch der Intifada
zusammengearbeitet haben und enge gesellschaftliche Kontakte pflegten, reden
sie nicht wie manche radikale Siedlersprecher. "Die meisten Palästinenser
sind keine Terroristen, sondern ganz normale Menschen mit täglichen Sorgen",
sagt Tova. Deshalb ist ihr letztlich auch das Schicksal des Hauses
gleichgültig, das sie demnächst verlassen muss. Nur ihr Mann, ein ehemaliger
Computertechniker, kann sich nicht ohne Weiteres mit der ungewissen Zukunft
abfinden. "In Dugit habe ich für mich ein kleines Paradies gefunden. Mein
Traum war es, Fischer zu werden. Das ist mir gelungen. In der Dunkelheit
kannst du die vielen Lichtpunkte auf dem Meer sehen. Das sind die
palästinensischen Fischer mit ihren kleinen Booten und einer großen Lampe,
um die Fische anzuziehen. Früher sind wir zusammen mit ihnen aufs Meer
hinausgefahren."
In Ramallah und Jerusalem, bei Gesprächen mit der
amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice, scheint das umstrittene
Thema der Siedlerhäuser endgültig besiegelt worden zu sein. Einvernehmlich
hätten Israelis und Palästinenser beschlossen, alle Spuren israelischer
Siedlungen zu zerstören. "Es gibt nur 1200 Siedlerhäuser im Gazastreifen.
Das freie Land muss den Bedürfnissen der rund 1,3 Millionen Palästinenser im
Gazastreifen angepasst werden", verkündete Rice.
Offen sei noch die Frage, wer den Bauschutt wegräumen soll
und wohin. Der israelische Verteidigungsminister machte Rice den Vorschlag,
dass die Palästinenser ihn für den Bau eines Seehafens wiederverwerten
sollten. Einvernehmlich, so die amerikanische Ministerin, würden Israelis
und Palästinenser nun diese und andere Fragen aushandeln, unter anderem bei
dem geplanten Gipfeltreffen Scharon-Abbas am kommenden Dienstag.
Das Schicksal der Siedlerhäuser wird seit Monaten bei
Palästinensern wie Israelis diskutiert.
Bei den Palästinensern wurde bemängelt, dass die
Siedlervillen nur für Bonzen und ihre Familien geeignet seien, nicht aber
für die hunderttausenden einfachen Palästinenser, die in miserablen
Wohnverhältnissen leben. Die Autonomiebehörde befürchtete auch Chaos und
Plünderungen, falls die Siedlerhäuser bestehen bleiben. Nationalistische
Elemente wurden aufgebracht. Die Palästinenser wollten nicht an die Symbole
der israelischen Siedlungspolitik erinnert werden, kleine Häuschen mit
Garten und roten Ziegeldächern.
Minister Muhammad Dahlan hat schon vor einem Jahr
gefordert, dass Israel das besetzte Land so abgeben sollte, wie es das 1967
vorgefunden hat. Gleichwohl erwarten die Palästinenser, dass die von den
Israelis geschaffene Infrastruktur wie Stromleitungen, Wassersysteme und die
Gewächshäuser selbstverständlich und unversehrt übergeben werden sollten.
Die israelische Regierung hat schon vor Monaten den
Beschluss gefasst, die Häuser zu zerstören, schreckte dann aber davor wieder
zurück. Ähnlich wie im Falle der von Ariel Scharon als Verteidigungsminister
1982 zerstörten Häuser in der Stadt Yamit und der Siedlungen im nördlichen
Sinai, hatte sich kein Käufer für die Häuser gefunden. Zeitweilig wurde ein
gesammelter Verkauf der Wohnungen an die Weltbank oder an einen arabischen
Investor angedacht. Kurz kam der Vorschlag auf, wenigstens einen Teil der
Siedlungen in einen "Club Méditerranée" zu verwandeln.
Gegen die Idee einer Zerstörung sprach auch die
Befürchtung, dass Fernsehbilder der Trümmer Israels "guten Ruf" in der Welt
zerstören könnten. Denn mit einem erfolgreichen Rückzug erwarteten Israels
Politiker, das angeschlagene Ansehen ihres Landes in der Welt zu
rehabilitieren um wieder Touristen und Investoren ins Land zu locken.
Israelische Umweltorganisationen protestierten gegen eine befürchtete
Asbestverseuchung der Umwelt. Ohnehin wusste niemand, wohin mit dem
Bauschutt. Ein weiteres Argument gegen die Zerstörung war die Furcht, dass
das Leben israelischer Soldaten gefährdet sei, wenn sie noch Monate nach dem
Rückzug mit Abrissarbeiten beschäftigt sein sollten.
Dank der amerikanischen Vermittlung dürften grundsätzliche
Wege gefunden worden sein, die beiderseitigen Bedenken für und gegen eine
Zerstörung der Siedlerhäuser auszuräumen. Dank der prinzipiellen Einigung
geht es jetzt nur noch darum, die Details auszuhandeln und dann ab August
umzusetzen.
© Ulrich Sahm/haGalil.com
hagalil.com 20-06-2005 |