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Eindrücke von einem Besuch am Mahnmal:
Ein neuer Spielplatz für Berlin?

Seit zwei Wochen ist das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas für die Öffentlichkeit zugänglich.

Von Franziska Werners

Zuerst gab es die offizielle Eröffnung mit geladenen Gästen und ernsten Ansprachen. Wenn man von Frau Roshs Ausrutscher bezüglich der Beerdigung eines gelben Sterns und des Zahns eines Opfers absieht, alles in allem ein durchaus seriöser Akt, dem jedoch sehr bald weniger erfreuliche Szenen folgen sollten.  Die Bilder, die unmittelbar nach der Öffnung des Berliner Holocaust-Denkmals durch die Presse gingen, berührten unangenehm: Jugendliche sprangen scheinbar gänzlich unbefangen von Stele zu Stele und verwandelten das Denkmal in einen Spielplatz.

Am verlängerten Pfingstwochenende wurde es besonders bunt. Neben den üblichen Hauptstadtattraktionen lockte der Karneval der Kulturen zur Multi-Kulti Parade nach Kreuzberg, das internationale Turnfest hatte zahllose Sportler und Vereine aus Deutschland und Europa geladen und irgendwie lag es für viele Besucher wohl nahe, auch dem Holocaust Denkmal einen Besuch abzustatten, zumal an einem so sonnig-warmen Frühlingstag.

Das Bild das ich zuvor etwas ungläubig in der Zeitung gesehen und für eine Ausnahme gehalten hatte, bot sich nun gleich dutzendfach.

Unbeeindruckt von Fernsehteams oder Pressefotografen liefen (nicht nur) jugendliche Besucherinnen und Besucher fröhlich lärmend über die Stelen, halfen sich gegenseitig beim Aufstieg auf höhere Steine und hatten sichtlich Vergnügen an ihrer sportlichen Betätigung.

Die Besucherordnung, die derartiges Benehmen ausdrücklich untersagt, wurde als Inschrift auf einer etwa 50 mal 50 Zentimeter großen Platte an den vier Ecken des Denkmals in den Boden eingelassen. Welch wunderbare Ironie: eine Besucherordnung, die man mit Füßen treten kann.


Besucherordnung für das Stelenfeld
(1) Das Stelenfeld darf grundsätzlich nur zu Fuß und im Schritt-Tempo durchquert werden.
(2) Für Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer sind 13 gekennzeichnete Gänge geeignet. Diese Gänge haben ein max. Gefälle von 8 %.
(3) Der Besuch des Stelenfeldes erfolgt auf eigene Gefahr – Warnhinweise: – Sämtliche Längs- und Querachsen sind lediglich 0,95 m breit. – Die kreuzenden Wegachsen sind nur in wenigen Teilbereichen einsehbar. Vorsicht ist geboten.
(4) Nicht gestattet ist : – Lärmen, lautes Rufen, das Benutzen von Musikinstrumenten sowie der Betrieb von Rundfunk- und Tonträgergeräten, soweit über den persönlichen Hörbereich hinausgehend, – das Lagern im Stelenfeld, auf Stelen zu klettern, von Stele zu Stele zu springen und sich in Badebekleidung auf einer Stele zu sonnen, – das Mitführen von Hunden, – das Mitführen von Fahrrädern, Skateboards, Roller-Blades, Rollschuhen, – Fahr- und Motorräder an den äußeren Stelen abzustellen, – das Rauchen, der Genuss alkoholischer Getränke und Grillen, – das Stelenfeld zu verunreinigen.
(5) Anordnungen und Anweisungen des ausgewiesenen Sicherheitspersonals sind zu befolgen.
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Stresemannstr. 90, 10963 Berlin

Fast genauso dezent verhielten sich die zahlenmäßig allerdings weit unterlegenen Sicherheitsbeamten. Sie durften nicht verraten, wie viele tatsächlich im Einsatz waren, aber auf die Frage ob die eigene Zählung von vier der Realität nahe käme, wurde schließlich doch bestätigend genickt. Freilich, man kann nicht neben jede Stele einen Aufpasser stellen, wie einer der Besucher in breitem schwäbisch anmerkte, aber vielleicht dürften es doch ein paar mehr sein als einer pro Ecke, zumal an einem solchen Tag. Auch wäre diesen Beamten etwas mehr von Lea Roshs Sendungsbewußtsein zu wünschen, dann würden sie den Denkmal-Turnern, Rauchern und Hundebesitzern, die ihren Vierbeiner partout mit sich ziehen müssen, gewiß energischer entgegengetreten.

Die da so leichtfüßig über das Denkmal und seine Besucherordnung sprangen, waren übrigens keineswegs nur Jugendliche, wie auch die, die sich über derartiges Benehmen aufregten, nicht allesamt der Generation der Alt 68er und älter angehörten. "Das mußt Du Dir vorstellen, das sind Erwachsene und die turnen da rum wie auf dem Spielplatz, als wäre das einfach nur ein total geiles Event", empört sich eine Frau Anfang 20. Der junge Mann neben ihr verzieht ebenfalls angewidert das Gesicht und schüttelt den Kopf.
An anderer Stelle werden Familienfotos gemacht: Zwei Väter rücken ihre zwei- bis dreijährigen Kinder auf einer Stele zurecht. Die eine Mutter fotografiert, die zweite macht hinter der Kamera Faxen, um den Nachwuchs in Stimmung zu bringen.

Es sind sicher bezaubernde Fotos geworden, aber ob die lieben Kleinen in etwa 15 Jahren beim Betrachten dieser Schnappschüsse nicht doch ein paar Beklemmungen haben werden? Ob sie ihre Eltern dann vielleicht einmal fragen, warum, wo doch der Tiergarten so nahe lag, sie ausgerechnet das Denkmal für die ermordeten Juden Europas zur Kulisse für dieses nette Familienfoto gewählt haben?

Es gibt auch ganz andere Fotos und die hängen nur wenige Meter entfernt, unter dem Stelenfeld im Ort der Information. Im "Raum der Familien" werden unter Verwendung großformatiger Reproduktionen von Familienfotos 15 Lebensläufe jüdischer Familien in Europa vorgestellt, die Umstände des Lebens, Überlebens und Sterbens jedes einzelnen Familienmitglieds - soweit bekannt - vor, während und nach der Shoah. Im "Raum der Dimensionen" finden sich Textauszüge aus Postkarten, Tagebüchern und Notizen, die jüdische Frauen und Männer auf der Flucht oder vor ihrer Deportation zurückließen oder noch versucht hatten, an Freunde und Angehörige zu schicken - bedrückende Zeugnisse von Todesangst und Verzweiflung.

Auch die anderen übersichtlich angeordneten Dokumentationen, der "Raum der Namen", der "Raum der Orte", das Gedenkstättenportal und nicht zuletzt die Namensdatenbank mit den Gedenkblättern aus Yad Vashem verfehlen ihre Wirkung nicht: Im Vergleich zum Rummel auf dem Stelenfeld herrscht in den leicht abgedunkelten Dokumentationsräumen relative Stille. Die Stimmen der Besucher sind gedämpft, und viele von ihnen hatten zuvor mehr als zwei Stunden in der Schlange gestanden, um diese Ausstellung zu sehen.


Wer am Pfingstwochenende den Ort der Information unter dem Stelenfeld besuchen wollte, nahm lange Wartezeiten in Kauf.

Im Gästebuch finden sich Einträge, in denen von Scham und Trauer zu lesen ist, aber auch von Entschlossenheit, so etwas nie wieder geschehen zu lassen. Was hier auf vergleichsweise wenigen Quadratmetern zu sehen und zu hören ist, erhebt nicht den Anspruch, etwas gänzlich neues oder eine historische Gesamtdarstellung des Holocausts und seiner Ursachen zu bieten, und scheint doch dem ursprünglichen Ziel der Initiatoren Lea Rosh und Eberhard Jäckel, nämlich ein Denkmal zu setzen, also einen zentralen Ort zu initiieren, an dem der Ermordung der europäischen Juden gedacht werden soll, näher zu kommen als Peter Eisenmans architektonisches Event. Andererseits, ob ohne das Event überhaupt so viele Menschen den Weg in diese Dokumentationsräume gefunden hätten?

Und selbst draußen finden sich durchaus auch andere, stillere Besucherinnen und Besucher, die innehalten oder Blumen auf einer der Stelen ablegen oder auch einen Stein, wie es auf jüdischen Friedhöfen üblich ist.

Und es gibt die engagierten Hauptschullehrerinnen, die sich nach dem Besuch mit ihrer Klasse nicht nur freuen, weil sich alle gut benommen haben, sondern auch darüber, daß ihre Schülerinnen und Schüler tatsächlich ernsthaft und mit großer Aufmerksamkeit dabei waren . "Wir haben die Kinder aber auch entsprechend vorbereitet auf diesen Tag" erklärt eine der Pädagoginnen. Wie schön, wenn dieses Beispiel Schule machen würde - nicht nur bei Kindern ...

Alle Fotos © Franziska Werners

Denkmäler in Berlin

hagalil.com 26-05-2005

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