Abzug aus dem Libanon:
Syrien ist immer noch präsent
Analyse von Ze'ev Schiff, Ha'aretz, 01.05.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Der Rückzug der syrischen Armee aus dem Libanon
wird von Israel als ein erster und wichtiger Schritt betrachtet.
Doch hinter der Bühne wird Damaskus damit fortfahren, den
Geheimdienst, der in die libanesische Armee eingebunden ist, zu
kontrollieren.
Der Schritt wird erst dann beendet sein, wenn die
Hisbollah nicht länger eine bewaffnete Miliz ist, wenn ihre Raketen
im Südlibanon, die gegen Israel gerichtet sind, demontiert sind und
wenn die iranischen Revolutionsgarden, die noch immer im Libanon
sind, nach Hause zurückkehren.
Einige Stimmen im israelischen Geheimdienst hatten
argumentiert, dass Syriens starker Arm im Libanon die vielen
ethnischen Gruppen des Libanon, die Milizen und die
palästinensischen Flüchtlinge fest im Griff hatte und dass das Land
ohne syrische Kontrolle in einen Bürgerkrieg vergleichbar mit
demjenigen in den 1970er Jahren stürzen könnte. Die Syrer waren auch
die "Adresse", an die sich Israel wandte, wenn es darum ging, sich
mit der Gewalt der Hisbollah gegen israelische Ziele zu befassen.
Auf diese Argumentation folgt nun der Gedanke,
dass ein freier und demokratischer Libanon verantwortungsbewusster
handeln kann. Darüber hinaus wurde klar, dass Damaskus die Hisbollah
mit schweren Waffen (die mehr als einmal gegen Israel gerichtet
waren) ausgerüstet und ihr auch genehmigt hat, iranische Waffen zu
beziehen.
Israel ist nicht der Meinung, dass sich Syrien mit
dem Abzug seiner Truppen aus dem Libanon vollkommen aus dem Land,
das es in beinahe jedem Lebensbereich kontrolliert, zurückgezogen
hat. Es wäre lächerlich zu behaupten, der syrische Geheimdienst wäre
mit den militärischen Einheiten abgezogen. Israel ist davon
überzeugt, dass der syrische Geheimdienst weiterhin die Kontrolle in
Libanons pro-syrischer Regierung ausüben wird.
Die libanesische Armee ist vollkommen vom
syrischen Geheimdienst unterwandert. Dieser gibt vielen
libanesischen Offizieren finanzielle Unterstützung. Der syrische
Geheimdienst ist außerdem tief in die Hisbollah eingedrungen. Einige
der Raketen der Hisbollah wurden in Syrien hergestellt und machten
ihren Weg zur Hisbollah, nachdem der syrische Generalstab
entschieden hatte, die Hisbollah als elementaren Teil seiner Truppen
zu betrachten.
Nur wirklich freie Wahlen können eine innere
Veränderung im Libanon hervorbringen. Dafür benötigt der Libanon
internationale Beobachter. Nur eine freie Regierung könnte die
libanesische Armee aussenden mit dem Auftrag, die Verantwortung für
die Sicherheit im Süden des Landes zu übernehmen.
Es gibt auch Tausende von Arbeitern im Libanon,
die Geld an ihre Familien in Syrien schicken. Diese wirtschaftliche
Verbindung wird weitergehen.
Der neue Libanon hat mächtige Mittel, Syrien unter
Druck zu setzen, falls dieses tun möchte was es will. Doch nur eine
frei gewählte libanesische Regierung könnte damit beginnen, die
bewaffnete Hisbollah in eine politische Bewegung, die dem
libanesischen Gesetz untersteht, zu verwandeln.
Bis zu dem Zeitpunkt, da die Regierung im Libanon
von Teheran verlangt, alle Revolutionsgarden abzuziehen, kann nicht
gesagt werden, dass die ausländischen Truppen aus dem Libanon
abgezogen sind.
Israels Hauptanliegen besteht in der Frage, wie es
mit der Hisbollah umgehen soll, solange diese eine bewaffnete Miliz
bleibt, die sich nicht an die Befehle der libanesischen Regierung
hält. Von Israels Standpunkt aus gab es hinsichtlich der Aufstellung
feindlicher Truppen keine wirkliche Veränderung im Libanon.
hagalil.com 02-05-2005 |