Jüdisches Museum Hohenems:
Jüdischer Kitsch und andere heimliche Leidenschaften
Identity Shopping, Gott im Detail und
die Sehnsucht nach den Dingen des Glücks, Jüdischer Kitsch @ Hohenems - 29.
Mai bis 8. Oktober 2005
Die Welt des Jüdischen Kitsches erschließt sich heute
vor allem in Andenkenläden und im Internet. Ob Souvenirs von Besuchen in
Israel oder in den ehemaligen Ghettos Europas (von Venedig bis Polen), oder
Bestellungen im World Wide Web, "jüdische Objekte" versprechen Identitäten
in der Diaspora, in der Zerstreuung jüdischen Lebens in der Welt, an der
auch die Existenz eines jüdischen Staates nichts geändert hat. Kitsch ist
ein Versprechen auf Glück, das zwar nicht eingelöst wird, aber die Hoffnung
darauf repräsentiert. Der Kitsch der Diaspora ist so ein Versprechen: eine
Beziehung zu einem Ort, an dem man nicht ist, aber dessen Gegenwart überall
zu spüren ist.
Vor allem in den USA, dem Land der Einwanderung
schlechthin, hat sich schon vor hundert Jahren ein Markt für jüdische
Produkte entwickelt, ein Markt der vom Chanukkaspielzeug bis zum
alltäglichen Bedarf für die koschere Küche reicht – und auf ein wachsendes
Bedürfnis nach kultureller Identität reagierte, das über religiöse Gebote
und Rituale weit hinaus ging.
Nach der Katastrophe des Holocaust, den Massenverbrechen
des 20. Jahrhunderts überhaupt, ist jüdische Tradition weltweit zum
Gegenstand einer nostalgischen Suchbewegung geworden, nicht nur von Juden.
Sehnsucht nach Identität bewegt heute jeden, in einer
modernen Welt der Mobilität und Migration, des globalen Warentauschs und der
Suche nach "Ursprünglichkeit". Doch auch diese Sehnsucht bedient sich auf
dem Markt der Möglichkeiten.
Die jüdische Kultur ist reich an Ritualen und damit
verbundenen Objekten, die nicht auf die Synagogen beschränkt sind, sondern
traditionell vor allem das häusliche Leben prägen – Speisegebote und
Festordnungen, Übergangsrituale und religiöse Pflichten. Nur eine Minderheit
von Religiösen hält sich tatsächlich an die überkommenen Gesetze – doch als
kulturelles Erbe sind sie auch in den meisten Familien präsent, die ein
weitgehend weltliches Leben führen.
So eröffnet die in Objekten überlieferte Allgegenwart
religiöser Traditionen in einer modernen, weltlichen Lebenswirklichkeit ein
Spannungsfeld, dass sich hochgradig produktiv erweist: für alle Formen von
Kitsch und Ironie und das was möglich wird, wenn beide aufeinander treffen.
Heraus kommt ein liebevolles, überbordendes Spiel mit der Berührung von
Tradition und Alltag, kulturellen Orientierungen und praktischen
Erfordernissen, Mythen und deren Kritik, Identität und ihrer
Infragestellung.
Shlock Shop
Seit vier Jahren präsentiert Michael Wuliger jede Woche in
der Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung seinen "Shlock Shop" – Jüdischer
Kitsch aus dem Internet und aus Duty Free Shops am Flughafen, aus
Andenkenläden und Supermärkten. Gemeinsam mit ihm unternehmen wir einen
ironischen Streifzug durch die bunte Welt des schönen Seins, auf der Suche
nach Gott und Identität.
Feinkost Adam
im Salon des Jüdischen Museums Hohenems
Die Berliner Künstlerin Anna Adam kommt mit ihrem
satirischen Projekt FEINKOST ADAM © Klischees vom Judentum auf die Schliche,
indem sie sie ad absurdum führt. Das geschieht mit viel Humor – einer
seltenen Beigabe in der allzu oft verbissen geführten Auseinandersetzung um
ein ernstes Thema.
FEINKOST ADAM © lässt sich sehen, fühlen, lesen, schmecken, hören und
mitmachen. Für das Jüdische Museum Hohenems hat FEINKOST ADAM © neue
Angebote vorbereitet. Willkommen im Salon!
Mehr zu
FEINKOST ADAM ©
Jüdisches
Der Frankfurter Fotograf Peter Loewy hat "Jüdisches"
fotografiert: Krimskrams und Ritualgegenstände, Kunsthandwerk und
Erinnerungsobjekte, kleine Sammlungen und arrangierte Identitäten.
Dank dem Vertrauen, die ihm entgegengebracht wurden, konnte Peter Loewy
seine Streifzüge durch die Wohnungen bekannter und unbekannter Menschen
unternehmen. Was wir dabei entdecken, sind Nischen des Alltags, Stilleben
und Paradiese, mal schrill und bunt, mal voller Melancholie. Wie ein Kind
sucht man nach dem Jüdischen im Puzzle der Gegenstände und Stimmungen.
Grotesk, kitschig und stolz präsentieren sich die einzelnen Photographien,
eine magische Landschaft des Privaten.
Peter Loewy, 1951 in Israel geboren, lebt seit 1956 in Frankfurt am Main, wo
auch die Bilder vom Zuhause jüdischer Familien in Deutschland entstanden
sind. Seine Fotobücher erscheinen seit 1997 im Kehayoff Verlag, München.
... und andere heimliche Leidenschaften
Versteckt in den Vitrinen der Dauerausstellung zeigen wir heimliche
Sammelleidenschaften von Freunden des Jüdischen Museums: Schnupftabakdosen
und Pfeifenköpfe, Talismane und Fetische, "Jüdisches" und Skurrilitäten des
Alltags, die sich in Sammlungen und Chaosschubladen, auf Dachböden und in
Schränken für gewöhnlich vor der Öffentlichkeit verborgen halten.
Weitere Informationen:
http://www.jm-hohenems.at
Rahmenprogramm zur Ausstellung:
Do, 12. Mai 2005, 19:30 Uhr
Görlitz – Schicht um Schicht
Michael Guggenheimer (Zürich) liest aus seinem Buch über die
deutsch-polnische Grenzstadt Görlitz/Zgorzelec, aus der seine Mutter einst
fliehen musste.
Di, 31. Mai 2005, 19:30 Uhr
Vom Sammeln
Lesung mit Michael Köhlmeier, Hohenems
Texte über Sammler, Dinge und Obsessionen von Michael Köhlmeier, Trezza
Azzopardi, Walter Benjamin und anderen
Special Event Sa, 11. Juni 2005, 20:30 Uhr
Matt Darriau's Ballin' The Jack does the Marx Brothers
Eine nicht nur jüdische Obsession
in Zusammenarbeit mit dem Spielboden Dornbirn
Matt Darriau, einer der vielseitigsten und einflussreichsten Musiker der New
Yorker Downtown-Szene, zählt zu den Innovatoren im Bereich des "Alternative
Jewish Movement". Er brilliert mit der eigenwiligen Balkanmusik seines
"Paradox Trio" ebenso wie mit den populären "Klezmatics" oder seinem
Aufsehen erregenden Swing-Projekt "Ballin' The Jack". Nachdem er sich
gleichermaßen ernsthaft wie augenzwinkernd mit Goodman, Miller und Ellington
auseinandergesetzt hat, entdeckt Darriau nun die swingende Filmmusik der 13
Marx Brothers-Kinofilme: von "The Cocoanuts" (1929) bis zu "Love Happy"
(1949).
Die grandiosen Solisten von "Ballin' the Jack" arrangieren und
interpretieren die Instrumentalsoli von Harpo und Chico mit viel
Fingerspitzengefühl und Sinn für aberwitzigen Humor. Der geniale Roy
Nathanson (Jazz Passengers, Lounge Lizards) erweckt Groucho Marx und seine
Songs zu neuem Leben. Die unterhaltsame Transformation des 30-er Jahre Swing
in das New York von heute wird durch eingespielte Original-Filmszenen zum
optisch-akustischen Gesamtvergnügen.
Kartenvorverkauf: Dornbirn Tourismus
ticket.dornbirn.at
Info & Kartenbestellung: Spielboden Tel. 0043-5572-21933
karten@spielboden.at,
www.spielboden.at
Eintritt: € 19,- / 15,- Spielbodenmitglieder, Mitglieder Verein
Jüdisches Museum Hohenems und Ö1-, Ö3-Club
Do, 30. Juni 2005, 19:30 Uhr
Bilderverbot und Kitschgebot.
Kunst und Kunsthandwerk in der jüdischen Kultur
Vortrag von Cilly Kugelmann, Jüdisches Museum Berlin
Mi, 6. Juli 2005, 19:30 Uhr
Wir sind alle Sammler!
Vortrag von Prof. Dr. Konrad Köstlin,
Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien
Do, 1. September 2005, 19:30 Uhr
Ich sehe was, was Du nicht siehst.
Reste, Reliquien und andere Dinge im Museum
Vortrag von Dr. Sabine Offe, Universität Bremen
Mi, 7. September 2005, 19:30 Uhr
Untergang im Durcheinander oder Fanatismus der Ordnung?
Sammeln als wissenschaftliche, künstlerische und kulturelle
Strategie
Vortrag von Prof. Dr. Detlef Hoffmann, Universität Oldenburg
hagalil.com 30-05-2005 |