Unter Gottesmännern:
Sex und Crime
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Bei den katholischen Päpsten hat es immer wieder
Flucht, Vertreibung und in Avignon sogar einen Zweit-Vatikan gegeben. Doch
das Oberhaupt der christlichen Gemeinden in Jerusalem, der griechische
Patriarch, hat in den letzten 1500 nicht erlebt, was Irineos I am
vergangenen Freitag widerfahren war: Seine Widersacher unter den
Erzbischöfen hatten die Schlösser zum Patriarchat in der Altstadt Jerusalems
ausgewechselt.
Irineos I konnte nicht heimkehren. Für die Nacht flüchtete
er in das befestigte mittelalterliche Kreuzkloster, wo Abraham die
Wanderstäbe der Engel in die Erde gesteckt hat. Aus ihnen erwuchsen jene
Bäume, die Pontius Pilatus schlagen ließ, um daraus das Kreuz Jesu zu
fertigen, wie der Zufall so will.
Irineos I hatte schon vor zwei Jahren Probleme.
Normalerweise erteilen die Staatsmächte dem gewählten Patriarchen einen
Gummistempel. Früher war das der osmanische Sultan oder die britische
Mandatsmacht. Heute sind es Israel, Jordanien und die palästinensische
Autonomiebehörde. Diesmal brach Israel mit der Jahrhunderte alten Tradition
der automatischen Anerkennung des Votums der 18-köpfigen Synode. Irineos I
stand im Verdacht, Jassir Arafat allzu nahe zu stehen. Das Hickhack endete
vor einigen Monaten mit der Anerkennung der Wahl.
Kurz darauf kamen Gerüchte auf, wonach Irineos I kostbare
griechische Kirchengrundstücke in der Altstadt Jerusalems an jüdische
Investoren verkauft habe. Die palästinensische Autonomiebehörde empörten
sich über diesen "Verrat an der palästinensischen Sache". Die griechischen
Bischöfe empörten sich, nicht gefragt worden zu sein, wie ihr Chef das
Kircheneigentum verhökert, gleichgültig ob die Käufer Juden oder Araber
sind. Die arabischen Gemeindeglieder der orthodoxen Kirche empörten sich
darüber, dass der Erlös des Geschäfts in Millionenhöhe, in die Tasche des
Patriarchen floss und nicht den verarmten Gemeinden zugute kam. Israel
schweigt. Jordanien schaut zu. Griechenland beobachtet das Geschehen
kommentarlos.
Der letzte Stand: Der Patriarch kehrte unter israelischem
Polizeischutz in seine Residenz zurück. Polizisten wachen in und vor dem
Patriarchat, damit es keine Ausschreitungen gibt. Am Wochenende beschloss
eine zweidrittel Mehrheit der Synode, den Patriarchen zu entlassen. Bei der
wohl heftigen Diskussionen brach sich einer der Erzbischöfe seinen Arm. Der
Patriarch kann aber nur verstoßen werden, wenn er nachweislich
unzurechnungsfähig ist oder gegen Glaubensgrundsätze verstößt. Das
Verpachten von Grundbesitz an Juden hat freilich Tradition, denn die
Knesset, der Sitz des israelischen Staatspräsidenten und Scharons offizielle
Residenz stehen auf Grundstücken, die von der griechischen Kirche für 99
Jahre verpachtet wurden. Irineos I hält seine Absetzung für "illegal" und
führt vorläufig die Amtsgeschäfte weiter.
Der Skandal im Hause des sephardischen Oberrabbiners
Schlomo Amar ist weniger kompliziert aber nicht minder pikant. Während
Hochwürden in Thailand Tzunamiopfern seelischen Beistand spendet, verhaftete
die Polizei die Frau des Rabbis, Mazal, Tochter Ajala und den auf Abwege
geratenen Sohn Meir. Der hat den frommen Lebenswandel verlassen, um als
Hippie unter Beduinen zu leben. Die 18 Jahre alte Ajala verirrte sich in
eine Chatkammer im Internet, wo fromme Menschen unter sich sind. So lernte
sie einen 17 Jahre alten Jüngling aus Bnei Brak bei Tel Aviv kennen. Als der
virtuellen Bekanntschaft aber ein echtes Treffen folgte, erwachten bei Sohn
Meir uralte Instinkte. Er rief zwei stadtbekannte palästinensische Freunde
aus Kalansuwa bei Jerusalem, lockte den Jüngling in die Jerusalemer Residenz
des Oberrabbis und verprügelte im Beisein seiner Mutter den ungewünschten
Liebhaber der Tochter des Hauses, weil die "Familienehre" befleckt worden
sei.
Dem namentlich nicht bekannten Jüngling wurden sogar die
Schläfenlocken abgeschnitten. Nach einem Krankenhausaufenthalt reichte er
bei der Polizei eine Beschwerde ein. Drei Monate lang untersuchte die
Polizei den Fall. Während Meir und die Palästinenser in Haft sitzen, Frau
Mazal und Tochter Ajala unter Hausarrest stehen, fragen sich die Polizei und
ganz Israel, ob der Herr Oberrabbiner während der Foltertour des Jünglings
fest geschlafen hat oder vielleicht doch etwas von dem Verbrechen wusste. Da
Amar den Status eines Verfassungsrichters hat, hängt davon ab, ob er nach
seiner Rückkehr aus Thailand am Dienstag nur als Zeuge verhört wird oder mit
einer Anklage zu rechnen hat.
Der dritte pikante Fall ist schon ein Jahr alt, aber noch
nicht abgeschlossen. Der aschkenasische Oberrabbiner Yona Metzger wurde vor
einigen Wochen von der Korruptionsabteilung der Polizei stundenlang verhört,
nachdem seine Vorliebe für das Luxusleben in einem der teuersten Hotels
Jerusalems während der Passah-Woche vor einem Jahr aufgeflogen war. Eine
ganze Woche lang quartierte er seine ganze Familie in die Präsidentensuite
der Luxusherberge ein. Während andere Gäste während der Feiertage doppelte
Preise für die Übernachtung zahlen, genoss der bestbezahlte Beamte Israels
die "Einladung" des Hoteldirektors. Die Ermittlungen der Polizei laufen
noch.
[FORUM]
hagalil.com 10-05-2005 |