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Ostpreußen-Anführer von Gottberg (CDU):
Der Holocaust – "Mythos", "Dogma", "jüdische 'Wahrheit'"

Von Alfred Schobert

Christian Wulf, niedersächsischer Ministerpräsident, wird sich mit einem Antisemitismus-Skandal in seiner Partei beschäftigen müssen. Wilhelm von Gottberg, CDU-Mitglied, Bürgermeister der Gemeinde Schnega, Mitglied des Kreistages von Lüchow Danneberg, Sprecher der Ostpreußischen Landsmannschaft und als solcher Stiftungsratsvorsitzender der Ostpreußischen Kulturstiftung, muss es sich nicht nur gefallen lassen, dass man von ihm behauptet, er habe in der Preußischen Allgemeinen Zeitung die antisemitische Rede Hohmanns öffentlich verteidigt.[1]

Nachdem von Gottberg zunächst am im März 2005 beim Landgericht Lüneburg eine Verfügung gegen die Tageszeitung "Neues Deutschland" erbeutet hatte [2], zog er Anfang Mai seinen Antrag zurück, da das Oberlandesgericht Celle ihm signalisierte, dass er in einem Verfahren keine Chance haben werde.[3] Um von Gottbergs Verteidigung der antisemitischen Rede Hohmanns wird es wohl auch am 20. Mai im Prozess vor dem Lüneburger Arbeitsgericht gehen, den Dr. Ronny Kabus gegen seine Entlassung als Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums durch den Stiftungsratsvorsitzenden von Gottberg angestrengt hat. Kabus hatte in seiner Aussage vor der Bundestags-Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" u.a. auf Belastungen der Museumsarbeit durch politische Statements des Stiftungsratsvorsitzenden hingewiesen und dabei exemplarisch von Gottbergs Äußerungen über Hohmann genannt. Kabus erhielt daraufhin Ende vergangenen Jahres die Kündigung, die er nun anfechtet.[4]

Der niedersächsischen Landesregierung, die neben dem Bund das Museum finanziert, ist von Gottbergs Verteidigung der antisemitischen Rede Hohmanns bekannt. Laut Statement des zuständigen Ministers, Lutz Stratmann, hielt sie sie für "nicht akzeptabel". "Ich sage das", so der Minister in der Sitzung des niedersächsischen Landtags am 27. Januar 2005, dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, "ganz besonders heute. Antisemitische Grundeinstellungen müssen in jedem Fall in aller Schärfe zurückgewiesen werden."[5]

Bei Recherchen im Archiv des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) fanden sich weitere Aussagen von Gottbergs, mit denen sich die Landesregierung und die niedersächsische CDU längst hätten beschäftigen müssen. Darunter ein geschichtspolitischer Text, in dem sich von Gottberg auch Argumentationen aus der Publizistik von Holocaust-Leugnern bediente und den Holocaust mit Begriffen wie "Mythos", "Dogma" und (man beachte die Anführungszeichen) "jüdische 'Wahrheit'" belegte – Begriffe, die die historische Tatsache der Vernichtung der europäischen Juden in Zweifel ziehen.

Wilhelm von Gottberg bediente sich ihrer im Leitartikel des Ostpreußenblatts, in dem er die Lage der Nation im neuen Jahrtausend beleuchtete. Nicht nur, um denjenigen den Wind aus Segeln zu nehmen, die apologetisch davon reden wollen, hier würden Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, hier ein längeres Zitat aus von Gottbergs Text, mit Zitat im Zitat – so kann man von Gottberg bei seiner Arbeit am Text über die Schulter schauen. Die Passage weist einige Merkwürdigkeiten und Tücken auf, die geduldige Lektüre erfordern:

"Bedeutsam für die Zukunft der Deutschen ist die Frage, wie lange noch die nachwachsende Generation mit dem Makel der Schuld für zwölf Jahre NS-Diktatur belastet wird. Man müsse auch heute tiefe Scham wegen der Ereignisse im Dritten Reich empfingen, so der ehemalige Bundespräsident v. Weizsäcker und auch seine beiden Nachfolger. Nach unserer Meinung ist dies eine intellektuelle Verbrämung der Kollektivschuld-These. Eine Kollektivschuld aber gibt es nicht. Schuld sind nur die Schuldigen. Als wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte wird immer noch – auch 56 Jahre nach Ende des Dritten Reiches – der Völkermord am europäischen Judentum herangezogen. Mario Consoli schreibt in 'L’uomo libero' Nr. 41/96: 'Sechs Millionen eine runde schreckenerregende Zahl. Männer, Frauen, Greise und Kinder – alle wurden sie ausgerottet, nur weil sie Juden waren! Der Holocaust ist heute ein Bleigewicht, das für alle Zeiten am Fuß Deutschlands und Europas hängen bleiben soll (...). Jeder noch so fadenscheinige Vorwand (...) ist gut genug, um den Holocaust in Erinnerung zu rufen. Die Propaganda-Dampfwalze wird mit den Jahren nicht etwa schwächer, sondern stärker, und in immer mehr Staaten wird die jüdische 'Wahrheit' über den Holocaust unter gesetzlichen Schutz gestellt (...). Der Holocaust muß ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt. Bricht dieses Dogma zusammen, gerät nämlich die ganze heutige Deutung des Zweiten Weltkrieges ins Wanken (...). Damit kämen jene Werte wieder zu Ehren, die im Gegensatz zum Internationalismus das Recht der Völker auf Wahrung ihrer Identität und auf Unabhängigkeit gewährleisten.' (Zitiert nach Burschenschaftliche Blätter 2/99, S. 118.)

Wir haben dem nichts hinzuzufügen.

Der beschlossene Bau des Mahnmals zur Erinnerung an den Holocaust im Herzen Berlins am Brandenburger Tor hat unausgesprochen das eigentliche Ziel, auch die Nachwachsenden mit dem Schuldkomplex zu belasten."[6]

Festzuhalten ist zuerst, dass sich von Gottberg positiv und zustimmend auf Mario Consoli bezieht. Dafür spricht erstens, dass er das Consoli-Zitat distanzlos mit der neutralen Formulierung "Mario Consoli schreibt" einführt. Zweitens muss die Kommentierung, er habe "dem nichts hinzuzufügen", als Zustimmung verstanden werden. (Ein dritter Beleg wird sich uns später noch erschließen.)

In diesem Zitat Consolis fallen schon bei der ersten Lektüre einige Formulierungen ins Auge: Da ist, mit abfälligen Anführungszeichen versehen, von einer "jüdischen 'Wahrheit' über den Holocaust" die Rede. Der Holocaust sei "ein Mythos", "ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen" bleibe. Die Gegenüberstellung vom Holocaust als "Mythos" und sogenannter "freier Geschichtsforschung" entstammt dem Argumentationsarsenal der Holocaustleugner, die ihre obskuren Darlegungen mit dem Euphemismus "freie Geschichtsforschung" bezeichnen – ein wichtiges Organ der Holocaustleugner trägt den Titel Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung.

Diese Formulierungen geben Anlass, die Herkunft des Zitates (sowie seinen Urheber und seine Verbreiter) genauer zu verfolgen – diese Spurensuche führt tatsächlich, wie einige Formulierungen bereits ahnen lassen, ins Milieu der Auschwitz-Leugner.[7] An der angegebenen Stelle in den Burschenschaftlichen Blättern findet sich tatsächlich besagtes Zitat. Es steht dort in einem Artikel von Rudolf Großkopf[8], der "Kommentar zur Tagung des AfbA über das Strafrecht und die Freiheit der Wissenschaft" überschrieben ist. Großkopf überliefert den Text Mario Consolis[9] etwas ausführlicher als von Gottberg dies tut:

"Die Begriffe 'Faschist' und 'Nazi' sind heute jeglichen politischen Inhalts entleert und zu Totschlagvokabeln geworden, mit denen man jeden Gegner niederknüppelt, also jeden, der sich der internationalen und multikulturellen Demokratie entgegenzustellen wagt (...). Mit Hilfe unglaublicher Manipulationstechniken haben es die Sieger des Zweiten Weltkriegs fertiggebracht, nicht nur eine Wiedergeburt des Faschismus und des Nationalsozialismus zu verhindern, sondern auch der traditionellen kulturellen Werte, welche das Leben Europas unzählige Jahre hindurch geprägt haben. Dabei bediente man sich folgender Methode: Man verknüpfte traditionelle Werte wie Liebe zur Heimaterde und zur Familie, Heroismus, Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein und Spiritualismus mit dem Faschismus und dem Nazismus, mit Mussolini und Hitler. Nachdem diese Gleichsetzung erst im Unterbewusstein der Massen verankert war, reichte eine Steigerung der antifaschistischen Propaganda vollkommen aus, um eine Wiedergeburt der für die Machthaber gefährlichen Werte im Keim zu ersticken. Indem man das im Zweiten Weltkrieg besiegte Europa mit dem Bösen gleichsetzte, erreichte man weit mehr als die bloße Ächtung des Faschismus und des Nationalsozialismus. Man setzte zugleich das ganze Wertesystem außer Kraft, das jahrtausendelang eine Zivilisation von weltgeschichtlich einzigartiger Grossartigkeit aufrechterhalten hatte.

Mit Mussolini und Hitler wurden auch Plato und Dante, Macchiavelli [sic] und Nietzsche, Rom und das Heilige Römische Reich an den Pranger gestellt (...). Als wirksames Instrument zur Kriminalisierung des Faschismus und des Nationalsozialismus erweist sich aber seit dem Nürnberger Prozess die Anklage des Völkermordes an den Juden (...). [Ab hier zitiert von Gottberg im Ostpreußenblatt: AS] Sechs Millionen – eine runde, schreckenerregende Zahl. Männer, Frauen, Greise und Kinder – alle wurden sie ausgerottet, nur weil sie Juden waren! Der Holocaust ist heute ein Bleigewicht, das für alle Zeiten am Fuß Deutschlands und Europas hängen bleiben soll (...). Jeder noch so fadenscheinige Vorwand (...) ist gut genug, um den Holocaust in Erinnerung zu rufen. Die Propaganda-Dampfwalze wird mit den Jahren nicht etwa schwächer, sondern stärker, und in immer mehr Staaten wird die jüdische 'Wahrheit' über den Holocaust unter gesetzlichen Schutz gestellt (...). Der Holocaust muß ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt. Bricht dieses Dogma zusammen, gerät nämlich die ganze heutige Deutung des Zweiten Weltkriegs ins Wanken (...). Damit kämen jene Werte wieder zu Ehren, die im Gegensatz zum Internationalismus das Recht der Völker auf Wahrung ihrer Identität und auf Unabhängigkeit gewährleisten."[10]

Consolis Text ist deutlich erkennbar im Blick auf die ja auch explizit erwähnte herrschende Gesetzeslage hin formuliert. Dies gilt erst recht für seine deutsche Überlieferung bei Großkopf, dessen Text ja "Kommentar zur Tagung des AfbA über das Strafrecht und die Freiheit der Wissenschaft" überschrieben ist.

Entsprechend fallen Sätze, die man bei flüchtiger Lektüre dahingehend missverstehen könnte, als erkenne der Text die historische Tatsache der 6 Millionen ermordeten Juden an. (Und mit einem solchen Satz setzt auch von Gottbergs Zitat ein.) Schaut man genauer hin, erkennt man im Ausgangstext den betreffenden Satz allerdings als bloßes Referat der "Anklage [Hrvh. v.A.S.] des Völkermordes an den Juden" "seit dem Nürnberger Prozess", d.h. als "wirksames Instrument der Kriminalisierung des Faschismus und des Nationalsozialismus". Faschismus und Nationalsozialismus gelten dem Text nicht als per se kriminell, sondern ihre Kriminalität sei erst von den Siegern des 2. Weltkrieges mittels "unglaublicher Manipulationstechniken" durchgesetzt werden.

Bei von Gottberg wird dies leicht abgemildert, er paraphrasiert den betreffenden Satz Consolis (nebenbei der dritte Beleg für die Feststellung, dass von Gottberg sich allgemein zustimmend auf diesen bezieht). Aus Consolis Satz "Als wirksames Instrument zur Kriminalisierung des Faschismus und des Nationalsozialismus erweist sich aber seit dem Nürnberger Prozess die Anklage des Völkermordes an den Juden" wird bei von Gottberg: "Als wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte wird immer noch – auch 56 Jahre nach Ende des Dritten Reiches – der Völkermord am europäischen Judentum herangezogen."

Entsprechend rollt dem Text zufolge (und dies auch in von Gottbergs Textübernahme) bis heute eine "Propaganda-Dampfwalze". Die habe dafür gesorgt, dass in "immer mehr Staaten" Holocaust-Leugnung bestraft werde. Spätestens an dieser Stelle gewinnt der Text deutliche Schlagseite, und dies gilt auch für von Gottbergs durch Zitatschnitt und Paraphrase eines Satzes leicht abgemilderte Version. Denn er spricht nicht von der juristischen Sanktionierung von Holocaust-Leugnung sondern davon, dass – und hier müssen die diskriminierenden Anführungszeichen Beachtung finden – "die jüdische 'Wahrheit' über den Holocaust unter gesetzlichen Schutz gestellt" werde. Die historische Tatsache der Judenvernichtung wäre demzufolge lediglich eine "jüdische 'Wahrheit'", also – wenn Wahrheit, wie dies allgemein geschieht, als universelle (und nicht ethnisch partikulare) Geltung einer Behauptung verstanden wird – keine Wahrheit.

Damit gewinnen auch die folgenden Sätze in von Gotbergs Text ihren Sinn: Die Behauptung, der Holocaust müsse "ein Mythos bleiben", ist keineswegs eine bloß ungeschickte Formulierung, dass die Erinnerung an die Shoah Kern der "institutionellen Geschichtsfiktion" (wie es in der Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen heißt) der Bundesrepublik Deutschlands sei und zur institutionellen Gründungserzählung, ("Mythos" im übertragenen Sinn) der Bundesrepublik Deutschland gehöre. "Mythos" steht im vorliegenden Text deutlich als Gegenbegriff zu "historischer Wahrheit", der nächste Satz macht dies deutlich, denn eine historische Wahrheit bedarf nicht der Erhebung zum Dogma (im Sinne eines unanfechtbaren Glaubenssatzes), sie braucht keinen Schutz vor seriöser historischer Forschung (die mit der Formel "freie Geschichtsforschung" im Text Consolis und von Gottbergs auch nicht gemeint ist): "Der Holocaust muss ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt."[11] Dieser Satz kann nicht mehr als verunglückte Formulierung jenes institutionenanalytischen Grundgedankens über institutionelle Gründungserzählungen gelten, der Text schließt sich nicht der normativen Forderung an, die Erinnerung an die Shoah müsse bleiben, sondern referiert, was er als herrschende Meinung versteht und kritisiert; die herrschende Meinung und ihr Niederschlag in der Gesetzgebung fixierten dem Text zufolge nämlich ein "Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt" – eine äußerst merkwürdige Interpretation der Gesetzeslage und der Rechtssprechung, die keineswegs seriöse und in ihren Interpretationen der Tatsachen pluralistischen Forschung über die Vernichtung der europäischen Juden verbietet, sondern lediglich die mit wissenschaftsförmig aufbereiten Pseudobestreitungen historischer Tatsachen arbeitende antisemitische Propaganda von Scharlatanen und Amateurhistorikern unter Strafe stellt.

Gewiss würde von Gottberg empört bestreiten, dass er sich mit diesem Text auf die Seite der Holocaust-Leugner stelle und dabei vermutlich darauf verweisen, dass in seinem Text doch vom "Völkermord" (als Tatsache) und nicht bloß, wie bei Consoli, von der "Anklage des Völkermordes" die Rede ist, dass in seinem Text – im Zitat Consolis – die sechs Millionen Opfern angesprochen werden[12], und dass eingangs des Textes auch vom "unbegreiflichen Holocaust" die Rede ist.[13] Nur stehen diese Aussagen, versteht man sie wohlwollend als Anerkennung der historischen Tatsachen, in krassem Widerspruch zum dann folgenden: Wenn von Gottbergs Text die Vernichtung von sechs Millionen Juden als eine historische Tatsache ansieht, dann kann diese Wahrheit nicht wenige Zeilen später zur "jüdischen 'Wahrheit'", zum "Mythos" und zum "Dogma" heruntergeredet werden, denen Ergebnisse der "freien Geschichtsforschung" entgegengestellt werden. Da der Text die Vernichtung der europäischen Juden zu einer "jüdischen 'Wahrheit'", einem "Mythos" und einem " Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen" bleibe, erklärt, bleibt der Verdacht, dass die knappen Hinweise auf den Völkermord und die Opferzahl als bloße Schutzbehauptungen fungieren.[14] Da von Gottberg Textvorlage, Rudolf Großkopfs "Kommentar zur Tagung des AfbA über das Strafrecht und die Freiheit der Wissenschaft" deutlich im Blick auf die in der Bundesrepublik herrschende Gesetzeslage formuliert ist, liegt es nahe, auch von Gottberg zu unterstellen, ebenfalls mit Blick auf die herrschende Gesetzeslage zu formulieren bzw. zu zitieren.

Zudem zielt sein Text ja auf die Reetablierung der Werte, die "wieder zu Ehren" kämen, wenn das "Dogma" zusammenbrechen würde:

"Der Holocaust muss ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt. Bricht dieses Dogma zusammen, dann gerät nämlich die ganze heutige Deutung des 2. Weltkriegs ins Wanken (...) Damit kämen jene Werte wieder zu Ehren, die im Gegensatz zum Internationalismus das Recht der Völker auf Wahrung ihrer Identität und auf Unabhängigkeit gewährleisten."

Das schließt an die Zeilen Johann Gottlieb Fichtes über "Deutschlands Zukunft" und des "Volkes Auferstehn" an, die von Gottberg seinem Text voranstellte.

Wie gesehen, kommentierte von Gottberg sein ausführliches Zitat mit der zustimmenden Formel "Wir haben dem nichts hinzuzufügen." Man mag ihm angesichts dieses Satzes fast einen Sinn für Ironie zugestehen, denn die harte Eingangspassage im Consoli-Zitat in den Burschenschaftlichen Blättern ließ er weg. Es blieb dennoch genug übrig: von Gottberg würzt seinen Ausblick auf die deutsche Nation im neuen Jahrtausend mit einer ganz kräftigen Prise vom Salz des harten Geschichts-"Revisionismus". Einem Leser des Ostpreußenblatts war dies ein großes Lob wert: Prof. Dr. h.c. Hans Rothe aus Bonn sprach in einem Leserbrief von einem "großen Leitartikel [...], in dem Wilhelm v. Gottberg die Analyse der Zukunft ganz unverhüllt gibt, dazu mit dem lesenswerten Zitat von Mario Consoli über Wahrheitsfindung".

Trotz dieses geschichtspolitischen Ausfalls und manch anderer politischer Positionen von Gottbergs, die geeignet sind, das gute nachbarliche Verhältnis zu Polen und die Beziehungen zu Russland zu stören und das friedliche Zusammenleben in Europa zu gefährden, gilt von Gottberg prominenten Christdemokraten bisher als guter Umgang. So hielt der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm am 22. April 2005 beim "Königsberg-Kommers", der von der Deutschen Burschenschaft (Herausgeber der Burschenschaftlichen Blätter, die den Holocaust-Leugner Großkopf publizierten) und der Ostpreußischen Landsmannschaft unter Vorsitz Wilhelm von Gottbergs veranstaltet wurde, trotz vorheriger deutlicher Hinweise[15] auf die Verstrickungen der Veranstalter ins rechtsextreme Milieu die Festrede.[16]

Wer auf die Stimmen der organisierten Vertriebenen zählt, muss wohl die Rede eines Ostpreußen-Hardliners vom Holocaust als "Mythos" übersehen oder in Kauf nehmen. Das gilt, allen Beteuerungen der Parteivorsitzenden Angela Merkel im Zuge des Skandals um den dann aus der Partei ausgeschlossenen Abgeordneten Martin Hohmann zum Trotz, wohl bis heute für die CDU, auch die in Niedersachsen unter Führung des bundesweit Sympathieträger Christian Wulf.

Alfred Schobert ist Mitarbeiter beim Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS)

Anmerkungen:
[1]Vgl. vom Vf. "Schönbohm fischt im Trüben. Brandenburgs Innenminister pflegt Kontakte nach Rechtsaußen. In: Neues Deutschland vom 20.2.2005, S. 4 (zu finden unter  www.zukunft-ostpreussenmuseum.de/pressestimmen/artikel41.html).
[2]Vgl. zum ersten Prozesstag "Hohmann-Streitfall für die Justiz. 'Neues Deutschland' und Wilhelm von Gottberg vor dem Landgericht". In: Landeszeiung (Lüneburg) vom 9.3.2005; zu finden unter www.zukunft-ostpreussenmuseum.de/pressestimmen/artikel51.html.
[3]Siehe "Niederlage für von Gottberg. 'Neues Deutschland' gewinnt Rechtsstreit". In: Landeszeitung (Lüneburg) vom 11.5.2005; nachlesbar unter www.zukunft-ostpreussenmuseum.de/pressestimmen/artikel52.html.
[4]Zum Skandal der Entlassung von Kabus mag man sich auf der eigens aus diesem Anlass eingerichteten Homepage www.zukunft-ostpreussenmuseum.de informieren.
[5]"Vor diesem Hintergrund" habe sich die Landesregierung, so der Minister weiter, Land "sofort mit dem Bund und dem Freistaat Bayern über die Notwendigkeit abgestimmt", die Stiftungssatzung dahingehend zu ändern, dass der Vorsitz nicht mehr automatisch dem Ostpreußen-Anführer "als 'geborenem Vorsitzenden'" zufalle.
[6]Wilhelm von Gottberg: Zum Geleit: ... und der Zukunft zugewandt. In: Ostpreußenblatt 1/2001, S. 1-2. Zu Beginn des Consoli-Zitats fehlt gegenüber der Vorlage ein Gedankenstrich: "Sechs Millionen – eine runde schreckenerregende Zahl..."
[7]Ohne Hinweise und Hilfe von Anton Maegerle und Martin Dietzsch, die mich in der März-Ausgabe der Archiv-Notizen auf die Fährte brachten, wäre die Spurensuche mit den nun folgenden Ergebnissen nicht möglich gewesen.
[8]Großkopf ist pensionierter Physiker, Mitglied der Burschenschaft Thuringia Braunschweig und lebt in Königsbronn. Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Beihilfe zur Volksverhetzung. Vorgeworfen wird Großkopf die Unterstützung des bekanntesten deutschen Holocaust-Leugners, Germar Rudolf.  Rudolf hatte sich in die USA abgesetzt. Großkopf war Bevollmächtigter für sein Konto bei der Heidenheimer Volksbank, über das Rudolfs Verlag Castle Hill Publishers seine deutschen Geschäfte abwickelte. Holocaust-Leugnung ist ein einträgliches Geschäft, die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte über 200.000 Euro. Großkopf wurde im Oktober 2004 nach fast einem Monat Untersuchungshaft gegen eine Kaution von 300.000 Euro freigelassen. In der rechtsextremen Publizistik war Großkopf in den vergangenen Jahren durch gelegentliche Leserbriefe präsent. So behauptete er in der Jungen Freiheit: "In der BRD werden Andersdenkende ausgegrenzt, verfolgt und von der Justitz bestraft. Die BRD ist in wichtigen Teilbereichen des öffentlichen Lebens kein normaler Staat" (Junge Freiheit 26/1997). Ganz auf dieser politischen Linie unterzeichnete er im Februar 2004 einen Appell, der "Freiheit für Horst Mahler, Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen" fordert.
[9]Consoli ist ein italienischer Rechtsradikaler. Zur Quelle, der Zeitschrift L'Uomo libero ("Freier Mensch") , schrieb das Institute for Jewish Policy im Dezember 1996, es handle sich um ein antisemitisches Organ, das Holocaust-Leugnung betreibe (siehe ausführlicher www.axt.org.uk/antisem/archive/archive1/italy/index.htm).
[10]Rudolf Großkopf: Kommentar zur Tagung des AfbA über das Strafrecht und die Freiheit der Wissenschaft. In: Burschenschaftlichen Blätter 2/1999, S. 118. Eine erste deutsche Fassung des Zitats findet sich in der 1997 publizierten Broschüre "Vom Untergang der Schweizerischen Freiheit" des flüchtigen Schweizer Holocaust-Leugners Jürgen Graf. Eine englische Übersetzung des Zitats fand sich Anfang 2001 unter dem Titel "Why the Holocaust Must Remain a Dogma" auf der Homepage des kalifornischen Institute for Historical Review, einem der wichtigsten Zentren der internationalen Holocaust-Leugner-Szene. Der Text sei dem Hausorgan, dem Journal for Historical Review, entnommen.
[11]In der englischen Übersetzung beim Institute for Historical Review steht nicht der deutsche Euphemismus "freie Geschichtsforschung; da bedient man sich der Wissenschaftlichkeit suggerierenden Formel "Revisionismus": "The Holocaust must remain a myth, a dogma, sheltered from all revisionist and truthful scrutiny."
[12]"Sechs Millionen – eine runde, schreckenerregende Zahl. Männer, Frauen, Greise und Kinder – alle wurden sie ausgerottet, nur weil sie Juden waren!" Wenn dies als konstatierende Aussage über die historische Tatsache der Shoah gelten soll, fragt man sich, was in diesem Kontext die Qualifizierung der Opferzahl als "rund" soll; Sinn macht die Qualifizierung der Opferzahl als "rund" und "schreckenerregend" allerdings, wenn man den Holocaust lediglich als "wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte" betrachtet.
[13]Die Formulierung fällt in einer fiktiven Passage, im Rahmen einer hypothetischen Überlegung: "Die Menschen im Deutschen Reich vor hundert Jahren hätten alle für geisteskrank erklärt, die im Januar 1901 vorausgesagt hätten, daß das große Land in Europas Mitte 1945 zwei Kriege sowie fast die Hälfte seines territorialen Besitzstandes verloren haben würde. Ebenso undenkbar auch die Prognose, wonach Deutschland zwölf Jahre Diktatur mit dem unbegreiflichen Holocaust überstehen müsse." Merkwürdig, dass es um die Prognose geht, wonach "Deutschland [Hrvh. v. A.S.]  zwölf Jahre Diktatur mit dem unbegreiflichen Holocaust überstehen müsse" – als wäre "Deutschland" in die Gaskammern getrieben worden. Oder geht es von Gottberg auch in dieser Passage darum, dass "Deutschland" nach 1945 und bis heute den Umgang mit "zwölf Jahre[n] Diktatur mit dem unbegreiflichen Holocaust überstehen müsse"? Er spricht schließlich von der Belastung durch den Holocaust als "Bleigewicht" und davon, dass der "beschlossene Bau des Mahnmals zur Erinnerung an den Holocaust im Herzen Berlins am Brandenburger Tor [...] unausgesprochen das eigentliche Ziel" habe, "auch die Nachwachsenden mit dem Schuldkomplex zu belasten".
[14]Dieser Leitartikel von Gottbergs ist zudem nicht der einzige Text im Ostpreußenblatt, in dem mit obskuren Formulierungen Zweifel an der historischen Tatsache der Vernichtung der europäischen Juden gesät werden. Im März 2000 erschien im Ostpreußenblatt ein nicht namentlich gezeichneter Artikel über den Londoner Irving-Prozess, der ebenfalls sehr heikle Passagen enthielt (der Text ist dokumentiert in Martin Dietzsch/Alfred Schobert [Hg.], Ein "jüdischer David Irving"? Norman G. Finkelstein im Diskurs der Rechten – Erinnerungsabwehr und Antizionismus. Duisburg: DISS 2001, S. 70).
[15]Vgl. Alfred Schobert: Schönbohm fischt im Trüben. Brandenburgs Innenminister pflegt Kontakte nach Rechtsaußen. In: Neues Deutschland vom 20.2.2005, S. 4 (zu finden unter www.zukunft-ostpreussenmuseum.de/pressestimmen/artikel41.html) u. Andreas Speit: Schöner Gast beim Kommers Zusammenschluss schlagender Verbindungen erinnert morgen an "750 Jahre Königsberg". Brandenburgs Innenminister Schönbohm (CDU) hält die Festrede. In: taz (Hamburg) 21.4.2005, S. 21 (siehe www.taz.de/pt/2005/04/21/a0070.nf/text.ges,1).
[16]Vgl. Andreas Speit: In vollem Wichs. Königsberg-Kommers der Burschenschaften: Protest von allen Seiten, GAL greift CDU wegen Schönbohm-Auftritt an. In: taz (Hamburg) 25.4.2005, S. 21 (siehe www.taz.de/pt/2005/04/25/a0059.nf/text.ges,1).

hagalil.com 17-05-2005

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