Bethlehems neuer Bürgermeister:
Ein Marxist verwaltet Jesu Geburtsstadt
Von Ulrich W. Sahm
Bethlehem ist das touristische Aushängeschild der
Palästinensergebiete. Mit den Stimmen der islamistischen Hamasbewegung ist
der 70 Jahre alte Hals- Nasen- Ohrenarzt Victor Batarseh zum neuen
Bürgermeister von Bethlehem gewählt worden. Der praktizierende Katholik
hatte sich an der Spitze einer parteilosen Gruppe den Bürgern Bethlehems zur
Wahl gestellt und ganze 2690 Stimmen erhalten.
Weil die Bestimmungen der Autonomiebehörde gemäß einer
Weisung Jassir Arafats vorsehen, dass ein Christ, Katholik oder
griechisch-Orthodoxer, Bürgermeister von Bethlehem sein müsse, konnte die
islamistische Hamas keinen eigenen Kandidaten aufstellen und einigte sich
auf das langjährige Mitglied der marxistisch-weltlichen "Volksfront zur
Befreiung Palästinas" (PFLP).
"Der Marxismus ist doch nicht gegen die Religion gerichtet
und ein Sozialist kann doch auch an Gott glauben", argumentiert der
frischgebackene Bürgermeister bei seinem ersten Journalisteninterview seit
seinem Amtsantritt.
Batarseh weiß, dass er in den Tagen vor Weihnachten
traditionell ein Weltstar ein sein wird, denn jeder Fernsehsender will einen
Soundbite vom Bürgermeister der Geburtsstadt Jesu einfangen. Doch noch ist
der 70-jährige Arzt politisch noch etwas unbedarft. Er überrascht mit
undiplomatischer Offenheit.
Nach den bekanntesten Aktionen der PFLP befragt, äußert
der gelernte Mediziner keine Distanzierung, sondern rechtfertigt sie. Die
Entführung einer Air France Maschine nach Entebbe durch Terroristen der PFLP
und der deutschen RAF 1976 sei "notwendig" gewesen. "Die Welt hatten das
Leid des palästinensischen Volkes vergessen. Wir wollten weltweit Mitgefühl
für die palästinensische Sache erzeugen".
Die Ermordung des israelischen Tourismusministers Rehabeam
Zeewi im November 2002 sei legitime Rache für den "israelischen
Staatsterror" gewesen. Kurz zuvor wurde Abu Alah Mustafa, nach George
Habasch der Chef der PFLP, von den Israelis mit einer Rakete in seinem Büro
ermordet. "Jedes Morden ist illegal, aber der Mord an dem Tourismusminister
war eine Reaktion." Dass die Israelis behaupten, den damaligen PFLP-Chef
"liquidiert" zu haben, weil er angeblich den Befehl zu mehreren
Mordanschlägen in Jerusalem mit vielen israelischen Toten gegeben habe,
wusste Batarseh nicht.
Nach seinen politischen Zielen und denen der PFLP befragt,
nannte Batarseh als erstes einen Rückzug Israels "mindestens auf die Grenzen
von 1967". Weiter verlangte er eine Erfüllung "aller UNO- Resolutionen durch
Israel". Besonders betonte er das "Recht auf Rückkehr der palästinensischen
Flüchtlinge" nach Israel, also Paragraf 11 der UNO-Resolution 194. Gefragt,
ob er denn auch den Paragrafen 8 der gleichen Resolution befürworte, nämlich
eine Überstellung des Großraumes von Jerusalem mitsamt Bethlehem und
Ramallah unter die Kontrolle des UNO-Sicherheitsrates, ohne Rechte für
Israel oder Araber, antwortete Batarseh: "Die Zeit ist vorangeschritten.
Diese Forderung ist veraltet."
Batarseh bestätigte, dass seine Partei, die PFLP, die
Osloer Verträge mit Israel nicht anerkannt habe. Sie bedeuteten auch eine
Anerkennung des Staates Israel durch die PLO und der PLO als Vertreterin der
Palästinenser. Sie führten zur Rückkehr Arafats und der Einrichtung der
palästinensischen Selbstverwaltung. Batarseh meint dennoch: "Oslo hat den
Palästinensern nichts gebracht und ist gescheitert." Die PFLP betrachte Tel
Aviv, Haifa und Beer Schewa als "besetzte Gebiete".
Batarseh ist sich der Brisanz seiner Äußerungen bewusst
und merkt, dass eine Aberkennung des Existenzrechts Israels bei den
deutschen Korrespondenten nicht gut ankommt. "Tel Aviv und Haifa sind zwar
besetztes Gebiet, aber es sind auch gewisse Fakten geschaffen worden", sagt
der Bürgermeister. Ohne sich zu den Osloer Verträgen und der Anerkennung des
Staates Israel zu verpflichten, sagt er: "Zum Wohle Bethlehems bin ich
bereit, mit den Israelis zu reden." Doch elegant schiebt er Israel den
schwarzen Peter zu: "Noch stehe ich auf der schwarzen Liste der Israelis.
Sie lassen mich nicht einreisen."
hagalil.com 25-05-2005 |