Abbas in Washington:
Keine hohen Erwartungen
Analyse von Danny Rubinstein, Ha'aretz,
26.05.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Die Palästinenser haben nur geringe Erwartungen
für das Treffen zwischen dem Vorsitzenden der palästinensischen
Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas (Abu Mazen), und dem
US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush, das am heutigen
Donnerstag stattfindet. Diese geringen Erwartungen –insbesondere im
diplomatischen Bereich- stammen von dem Wissen, dass derzeit nur
eine Sache die Agenda des israelisch-palästinensischen Konflikts
anführt, und dies ist die Umsetzung des Abkopplungsplans des
israelischen Premierministers Ariel Sharon.
Die amerikanische Regierung unternimmt gegenwärtig jede nur mögliche
Anstrengung, um die Ausführung des israelischen Rückzugs aus dem
Gazastreifen und der nördlichen Westbank zu sichern. Dafür ist es
notwendig, Sharon angesichts der Gegner des Rückzugs zu stärken.
Dies bedeutet, dass Bush Abbas keine bedeutenden Versprechungen
machen kann, weil jede dieser Versprechungen vermutlich auf Kosten
Israels ginge.
Wenn Bush z. B. versprechen würde, dass er sofort nach dem
Gaza-Rückzug die totale Einfrierung des israelischen Siedlungsbaus
in der Westbank erreichen wolle und weitere Evakuierungen von
Westbanksiedlungen hinzukämen, würde dies Sharons politisch rechten
Gegnern in die Hände spielen. Sie würden ein solches Versprechen als
Beweis dafür zitieren, dass sich Israel nicht mit Rückzugsfragen
beschäftigen solle und würden argumentieren, dass der
Abkopplungsplan gestoppt werden müsse.
Deshalb erwarten die Palästinenser, dass Bush Abbas nur allgemeine
Statements über Amerikas Verpflichtung gegenüber dem
palästinensischen Wohlergehen und gegenüber der Errichtung eines
palästinensischen Staates in Übereinstimmung mit der so genannten
Straßenkarte zum Frieden übermitteln wird.
Abbas, der dies versteht, wird Bush deshalb nicht bitten, Druck auf
Israel auszuüben, sondern nur dafür zu sorgen, dass es seinen
Versprechungen, die es während des Sharm-el-Sheikh-Gipfels machte,
nachkommt. Die Palästinenser möchten einen kompletten Rückzug
Israels aus den Westbankstädten, eine umfangreiche Freilassung
palästinensischer Gefangener, die Entfernung der Straßensperren und
insbesondere einen Stopp israelischer Verfolgungen von gesuchten
Palästinensern und ein Ende der Verhaftungen, Razzien und gezielten
Tötungen.
In Erwiderung auf die Vorwürfe, er sei schwach und unfähig, die
terroristische Infrastruktur zu zerstören, wird Abbas seinen
amerikanischen Gesprächspartnern sagen, dass er seine Fähigkeiten
bisher auf verschiedenen Gebieten bewiesen hat: Er ist in freien und
fairen Wahlen gewählt worden. Er hat eine Feuerpause, die bereits
länger als drei Monate andauert, zustande gebracht. Und er hat damit
begonnen, Reformen umzusetzen. Hierzu gehören auch die
Zusammenlegung der Sicherheitskräfte und das Ersetzen ihrer
Kommandeure. All dies habe er trotz der Steine, die Israel ihm in
den Weg legte, erreicht.
Gestern fuhren palästinensische Sprecher damit fort, sich darüber zu
beklagen, dass Israel versuche, das erste Treffen des neuen
Vorsitzenden der PA mit Bush zu sabotieren. Sie zitierten
israelische Offizielle –unter ihnen den Premierminister-, die Abu
Mazens Umgang mit der Hamas kritisiert hatten. Abbas wird versuchen
Bush zu erklären, man könne sich mit Hamas nur auf demokratischem
Weg befassen und dass er darauf dränge, aus Hamas eine politische
Partei zu machen, die dem Terror abschwört und ein verantwortlicher
Partner in der palästinensischen Regierung wird.
hagalil.com 27-05-2005 |