Russland-Israel:
Eine lange Geschichte von Hassliebe
Von Ulrich W. Sahm
"Die Visite des Zaren" titelt eine
israelische Zeitung, während andere von einem "historischen Besuch"
schreiben, dessen Bedeutung, nach Ansicht israelischer Beamter, allein schon
in dessen Zustandekommen liege.
Vladimir Putin landete, aus Ägypten kommend,
gestern Abend in Israel und besuchte erst einmal eine russische Kirche. Denn
so wie Kaiser Wilhelm II 1898 bei seinem denkwürdigen Besuch im Heiligen
Land imperiale Gelüste im Geiste der Kreuzfahrer durch die Einweihung von
Kirchen und die Grundsteinlegung von Monumentalbauten in Jerusalem
demonstrierte, so hatten damals auch die Zaren mit dem Bau riesiger
Pilgerhospize, Kirchen und dem Aufkauf von Land dem Imperialismus gehuldigt.
Die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche ist auch bei den
israelisch-russischen Beziehungen nicht zu unterschätzen.
Nachdem 1947 die UNO mehrheitlich für die
Errichtung eines jüdischen Staates gestimmt hatte, und Israel 1948
entstanden war, kam die UDSSR den Amerikanern zuvor mit einer formellen
Anerkennung dieses neuen Staates. Nicht für ungut. Israel sollte ein
bolschewistischer Staat werden. Stalin war für viele sozialistisch oder
kommunistisch denkende Staatsgründer ein Held. An den Schalthebeln der Macht
saßen viele Kibbuzniks. In ihren Kollektivsiedlungen, so heißt es, seien die
wahren Ideale des Kommunismus verwirklicht worden. So lag in den Kibbuzim
jeden Morgen die Prawda ("Wahrheit") im Postfach, auch wenn nicht jeder
russisch verstand. Der Staat Israel sollte ein Vorposten des Kommunismus im
Nahen Osten werden, und so war es selbstverständlich, dass der jüdische
Staat die russischen Kirchen an Moskau übergaben. Bis dahin unterstanden sie
nämlich den zarentreuen "Weißrussen", die nach der kommunistischen
Revolution ihr Hauptquartier in New York bezogen hatten. In den ehemals
jordanischen und heute israelisch-besetzten oder palästinensischen Gebieten
versuchen die "Rotrussen" die dortigen russischen Kirchen und deren
Landbesitz zu übernehmen. Putins Kirchgang steht deshalb ganz in der
Tradition des Kaisers Wilhelm II. Nach Abbruch der diplomatischen
Beziehungen 1968 zierten das Dach des russischen Hospiz in Jerusalem
eigentümliche "Kreuze", die wie Antennen aussahen. Mehrere Spionage-Prozesse
gegen Israelis deuten auf intensive Aktivitäten des KGB hin. Manche Agenten
sollen eine Vorliebe für Mönchskutten gehabt haben...
Als Israel gerade entstanden und sofort von
den arabischen Staaten überfallen worden wurde, herrschte große Not an
Waffen. Weder Amerikaner noch Briten halfen den Juden, sich zu verteidigen.
Die von Israel eingesetzten Messerschmidts und Karabiner wurden von der
UDSSR heimlich über die Tschechoslowakei geliefert. Mit dem Tod Stalins und
wegen dem "Kalten Krieg" endete der israelische Flirt mit Moskau.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien lieferten nun die Waffen, während
die Sowjetunion Irak, Libyen, Ägypten und Syrien, später auch die PLO,
aufrüstete. Israels Einbindung in den Westen wurde "endgültig", als sich die
Amerikaner ab 1968 hinter Israel stellten. Der Oktoberkrieg von 1973 war
auch eine heiße Phase im "Kalten Krieg". Die USA und die UDSSR machten
weltweit ihre Atomwaffen scharf, als Israels Existenz gefährdet schien.
Zum "Kalten Krieg" gehörte auch die
"humanitäre" Forderung der Amerikaner, den Juden Russlands Freizügigkeit zu
gewähren. In den siebziger Jahren gewährte Moskau zwei Gruppen die heimliche
Ausreise: Wolgadeutschen und Juden. 1991, nach dem ersten Irakkrieg, öffnete
Moskau die Fluttore, um Israel mit Menschen zu überschwemmen und so
untergehen zu lassen. Niemand glaubte, dass der kleine Staat mit knapp 5
Millionen Einwohnern über eine Million Einwanderer verkraften könne, zumal
Israel wegen des Irakkriegs wirtschaftlich am Boden lag. Verglichen mit
Deutschland wäre das so, als kämen auf einen Schlag 20 Millionen Menschen
mit einem Anrecht auf Wohnung, Arbeit und Sozialleistungen ins Land. Doch
Israel ertrank nicht, sondern wurde demographisch gestärkt durch die
Vermehrung seiner jüdischen Bevölkerung um 20 Prozent.
Seit dem Ende des Kalten Krieges bemüht sich
Israel um eine Verbesserung der Beziehungen zu Moskau und lässt einige
seiner Satelliten von Sibirien aus mit SS-20 Raketen ins All heben. Ariel
Scharon besuchte Moskau, um ein Gegengewicht zu den einseitig-engen
Beziehungen mit den USA zu setzen.
Putin kommt jetzt nach Israel, um die
verlorene Ehre der ehemaligen Supermacht wieder herzustellen. Mit der von
Israel kritisierten Lieferung von Luftabwehrraketen an Syrien, "damit
israelische Flugzeuge nicht über Bashar el Assads Schlafzimmer fliegen
können", also zu reinen "Verteidigungszwecken", versucht Moskau auch
militärstrategisch wieder mitzureden.
Dank, oder besser formuliert, wegen der
vielen Russen in Israel bieten sich engere Beziehungen geradezu an, nicht
nur wegen jüdisch-russischen "Oligarchen", die Moskau wegen
Wirtschaftsvergehen in Milliardendimensionen strafverfolgen möchte, von
Israel aber nicht ausgeliefert werden. Putin will Veteranen treffen, die in
der Roten Armee gedient haben. Mitgereiste Geschäftsleute der 200-köpfigen
russischen Delegation wollen Israel Erdöl und Naturgas zum Verkauf anbieten.
Solange im Konflikt zwischen Israel und den
Palästinensern die "Road Map" nicht umgesetzt wird, müssen die
Mitunterzeichner dieses "Friedens"-Plans, UNO, EU und Russland damit vorlieb
nehmen, dass das politische Monopol allein bei den Amerikanern liegt. Putins
überraschender "historischer Besuch" dürfte deshalb auch ein Versuch sein,
durch das Hintertürchen im Nahen Osten wieder Fuß zu fassen.
hagalil.com 28-04-2005 |