Jahresrückblick:
Von Pessach zu Pessach
Von Alice Schwarz, Israel Nachrichten, 22.04.2005
Rechnet man das Jahr "von Pessach Pessach", so hat diese
Zeitspanne 2004/5 keinen schlechten Abschluss zu verzeichnen. Der drastische
Rückgang der Terroranschläge, Scharons erfolgreicher Besuch in den USA und
der sogennannte Aufschwung der Wirtschaft geben Anlass zu Optimismus. Eine
große Anzahl von Israelis wird dieses Fest im Ausland oder in inländischen
Hotels verbringen, nicht gerade ein Anzeichen der Armut. Und alle
diejenigen, die jammern, wie schlecht die israelische Gesellschaft geworden
ist, kann man daran erinnern, dass auch die Höhe der Spenden Bemittelter für
die Unbemittelten zu diesen Pessachfeiertagen eine Rekordhöhe erreicht hat.
Wie groß war das Einvernehmen, das zwischen Bush und Scharon
auf Bushs Landgut erzielt wurde? Ein Kommentar im Haaretz meint, obwohl
beide "Gutsbesitzer" seien und sich für Kühe und Kälber interessieren, seien
ihre Ansichten in manchem so verschieden wie ihr Aussehen: der eine groß und
schlank, der andere untersetzt und eher klein, der eine in einem kleinen
Dorf in Mandatspalästina, der andere als Abkömmling amerikanischer
Geldaristokratie geboren, der eine ein ewiger Oppositionär, der sich in
schweren Kämpfen an die Spitze vorkämpfte, der andere Sohn eines ehemaligen
US-Präsidenten. Der eine ein ehemaliger Kampfflieger und siegreicher
General, der andere ein früherer Etappenhengst, mit umstrittener
"Kriegsvergangenheit im Hinterland".
Der Artikelschreiber vergleicht weiters die
auseinanderklaffenden Aussprüche der beiden bei ihrer Pressekonferenz vor
wenigen Tagen und kommt zu dem Schluss: Sie sind so weit voneinander
entfernt wie Mars und Venus. Aber für das unbewaffnete Auge sind die beiden
Planeten am Firmament scheinbar nicht so weit von einander entfernt, von
anderen Assoziationen ganz abgesehen, und die Körpersprache von Scharon und
Bush hat jedenfalls "Nähe" (der Sympathien) ausgedrückt. Na also!
Die verbesserte Wirtschaftslage hat auch kuriose
Begleiterscheinungen. Immer mehr Israelis benützen Fertigprodukte, was nicht
nur eine Hebung des Lebensstandards, sondern auch eine wachsende
Umweltverschmutzung mit sich bringt. Das vergangene Jahr seit vorigem
Pessach kennzeichnet eine zunehmende Wahrnehmung des Phänomens. So meldeten
die Medien in diesem Tagen, dass eine Säuberungsaktion von 20.000
Freiwilligen der Naturschutzbehörde in den Naturschutzgebieten, Parks und
Wäldern 10 Tonnen Müll zusammenbrachte. 17.000 Säcke wurden in 17
Ortschaften und Anlagen prall gefüllt und die Landschaft freigemacht für die
neue Welle von israelischen Schmutzfinken, die ab morgen wieder losgelassen
werden. Der Wohlstandsmüll - ein Zeichen des Wohlergehens und Fehlbenehmens!
Was den Müll in den Köpfen betrifft, wird er sich nicht so
leicht entfernen lassen. Hier wird extrem gesündigt - von rechts wie von
links. Das auslaufende "Pessachjahr" brachte viele Beispiele. Die äußerste
Rechte hat mit ihrer Ankündigung des "Festtagbesuchs" auf dem Tempelberg die
gesamte Israelpolizei auf die Beine gebracht. Und mit Recht. Ein
demonstrativer Besuch religiöser Juden an dieser nicht heiligen, sondern
auch heiklen Stätte hätte eine dritte, verheerende Intifada auslösen können.
Schon die Meldung über die angedrohte Möglichkeit hat wütende
Demonstrationen - vorläufig nur in den Palästinensergebieten - veranlasst.
Genau das richtige Pessachgeschenk! Zum Glück hat das massive
Polizeiaufgebot ein Unglück verhindert. Man kann nur hoffen, dass dies auch
weiterhin der Fall sein wird.
Die extreme "intellektuelle" Linke hat sich in den letzten
Tagen vor Pessach ebenfalls "ausgezeichnet". Im Kulturklub "Zawta" fand ein
Gedenkabend für den genialen, aber politisch linksradikalen Schriftsteller
Chahoch Lewin statt. Dabei ging es "lewinischer als lewinisch" zu. Wie der
"Haaretz" meldete, bejubelte ein zwar kleines, aber unfeines Publikum einige
Darbietungen, die jedem normalen Israeli die Haare zu Berg stehen lassen.
Eingeleitet wurde der Abend von einem Gedicht, das eine Parodie auf den
Spruch "die gefallenen Soldaten seien unvergessen" darstellt. Das Gedicht
wünscht, die gefallenen Soldaten mögen vergessen werden. Weil sie sich an
den Palästinensern vergangen hätten.
Achtung vor den Toten im Allgemeinen und den toten Soldaten
im Besonderen war bisher eine allseits bewunderte israelische Norm. Links
von Extremlinks gibt es keine solche. Weiter kam es an dem Abend im "Zawta"
auch zur Darstellung einigere linken Satiren, in denen sich ein
palästinensischer Toter bei den Israelis untertänigst für die Kugel, ein
Obdachloser für die Zerstörung seines Hauses etcetera bedankt. Wie lustig,
wie kritisch! Der "Haaretz" tröstet uns, dass diese extreme Linke nur einige
Hundert Anhänger zählt. Leider sind darunter einige, die das Ohr der Medien
im Ausland gepachtet haben.
In diesem vergangenen "Pessachjahr" hat Israel eine ganze
Reihe von besonders beliebten, ja geliebten Künstlern der leichten Muse
verloren. Der letzte war Ehud Manor.
Eine Boulevardzeitung brachte eine sehr treffende Karikatur:
Ein Klavier, von dessen Notenständer Notenblätter mit den Namen der
Entschwundenen hochfliegen: Nomi Schemer, Airik Lavi, Uzi Heitman, Ephraim
Kishon und jetzt Ehud Manor.
Ehud Manor war, obwohl manche seiner Texte elegisch waren,
ein "Nationalpoet", ungeheuer fruchtbar und ungemein erfolgreich.
"Habani-bi" gewann den Eurovisionswettbewerb. Andere Lieder wurden fast zu
Hymnen oder Volksliedern. Liebenswürdig und bescheiden, hat er jede Ehrung
verdient.
Aber die Aufmerksamkeit, die seinem Hinscheiden und Begräbnis
in den Medien zuteil wurde, so die Gesamtübertragung des Begräbnisses,
schien manchen übertrieben. Sie sei im Ausland nicht einmal
Staatsoberhäuptern, höchstens dem Papst und gewiss keinen Liederschreibern
gewidmet worden.
Aber hier ging es um etwas Besonderes. Sozusagen ein
nationales Symbol ist hier gefeiert und die Trauer einer ganzen Generation
zum Ausdruck gebracht worden. Daher war die herzliche Teilnahme ganz Israels
beim Hinscheiden eines großen und bescheidenen Künstlers ein würdiger
Abschluss für das Pessachjahr.
hagalil.com 24-04-2005 |