MEMRI Special Dispatch - 12.
April 2005
Presse-Reaktionen:
Händeschütteln am Sarg des Papstes
Zeitungsmeldungen zufolge
haben sich während der Feierlichkeiten zur Beisetzung von Papst Johannes
Paul II. der israelische Präsident Moshe Katzav und sein syrischer
Amtskollege Assad sowie Katzav und Irans noch amtierender Präsident
Khatami die Hand gegeben und miteinander gesprochen. In Israel als
"Beerdigungsdiplomatie" gefeiert, spielten syrische Blätter die Gesten
herunter. Im Iran stritt Mohammad Khatami jeglichen Kontakt mit Katzav
ab.
Im Kontext der Beisetzung des
Papstes ist über die Begegnung der beiden sowie über die Politik von
Johannes Paul II. eine Diskussion in den iranischen Medien entstanden,
die wir im Folgenden dokumentieren:
zusammengefasst und
übersetzt von Wahied Wahdat-Hagh*
Khatami über Katzav und
Israel
Die Zeitung Sharq schrieb: "Israelische Medien haben am Freitag, den
8.4.2005 merkwürdige Behauptungen aufgestellt, die von Moshe Katsav,
Präsident des zionistischen Regimes stammen: So zitiert die
Internetseite der israelischen Zeitung Maariv Katzav, demzufolge er
während der Beisetzung des Papstes nach christlichem Brauch den um ihn
sitzenden Teilnehmern die Hand gegeben habe. Als er die Zeremonie
verlassen wollte, so behauptet Katzav, habe Herr Khatami ihm die Hand
gereicht. Er habe zudem mit dem iranischen Präsidenten auf persisch
gesprochen und ihm nach seinem Wohlbefinden gefragt. Der
Sharq-Korrespondent in Rom berichtete dann von italienischen und anderen
westlichen Zeitungsartikeln, die dieses Gespräch als eines der letzten
Wunderwerke des Papstes beschrieben haben. […] Tatsächlich ist Moshe
Katzav Iraner. [Wie Khatami] stammt er sogar auch aus Yasd und hat den
Iran im Alter von drei Jahren verlassen. Sein damaliger Name war Mussa
Qassab. [1] [Präsident Khatami erklärte dazu:] ‚Ich habe keine
Persönlichkeit des zionistischen Regimes getroffen. […] Wenn wir Israel
anerkennen würden, legitimierten wir damit das Prinzip von Gewalt und
Besatzung.’ Die Sitzordnung sei zustande gekommen, weil Katsav und
Khatami beide mit K anfangen und Israel und Iran mit I. […]." [2]
Bei seiner Rückkehr fügte Khatami noch auf dem Teheraner Flughafen hinzu:
"Diese Behauptungen sind wir all die anderen von zionistischen Medien
aufgestellten Behauptungen. Ich habe keine Persönlichkeit des
zionistischen Regimes getroffen." [3]
Auch die Nachrichtenagentur ISNA zitierte aus einer Rede, die der
iranische Präsident am Flughafen über seine Haltung zu Israel gehalten
hat: "Die Welt kennt unsere Position gegenüber Israel. [...] " Auch auf
seiner dreitägigen Reise nach Österreich, Frankreich und Italien habe
er, so Khatami, immer wieder "deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir
Israel aus moralischen und vernünftigen Gründen nicht anerkennen können.
Schließlich ist Israel auf der Grundlage von Gewalt und rechtswidriger
Aneignung gegründet worden. […] Ich bin der Überzeugung, dass dies gegen
die Menschlichkeit verstößt. Wenn wir diejenigen legitimieren, deren
Präsenz und Existenz auf Gewalt und Besatzung beruht, schaden wir der
Menschheit. Das können wir nicht akzeptieren. Die Welt muss begreifen,
warum die verschiedenen Pläne, die einen sogenannten Frieden
herbeiführen sollten, nicht erfolgreich waren. Ist das nicht ein Zeichen
dafür, dass sie falsch waren? Alle Friedenspläne für den Mittleren Osten
sind gescheitert, [...] weil sie das legitime Recht der Palästinenser
nicht berücksichtigen. Solange das palästinensische Volk nicht das
Gefühl hat, dass seine Rechte gesichert werden, kann kein Friedensplan
erfolgreich sein. Dennoch mischen wir uns nicht [in den Konflikt] ein.
[...] Wer Friedenspläne entwirft, muss unbedingt vertrauenswürdig sein.
Die USA sind aber ganz und gar nicht vertrauenswürdig. Für die
Palästinenser und die freiheitsliebenden Menschen in aller Welt ist
Amerika kein neutraler Vermittler, sondern verteidigt lediglich Israel.
Daher empfehlen wir, dass die Europäer und andere diesen falschen Kurs
teilweise korrigieren. Jedenfalls habe ich entgegen allen Behauptungen
kein Gespräch geführt und kein Treffen mit einer Persönlichkeit des
zionistischen Regimes gehabt." [4]
König Xerxes und die Juden
Die Sharq erklärt zudem, dass die israelischen Medien über den Handschlag
berichtet hätten, weil die israelische Regierung vom Iran und den
anderen Regierungen im Mittleren Osten anerkannt werden wolle. Zwar habe
Ägypten Israel anerkannt, Jordanien und Qatar würden aber nur begrenzte
Beziehungen mit Israel pflegen. Daher sei es für die israelische Führung
sehr wichtig, dass Syrien und Iran an den Verhandlungstisch gezogen
würden. Sharq betont: "Schon in den 60er Jahren war der Kampf gegen Tel
Aviv für die Gründer der Islamischen Republik eine Motivation des
politischen Kampfes. Der antizionistische Kampf war eine der Grundlagen
der neuen Ordnung. Die erste ausländische Botschaft, die nach dem Sturz
des alten Regimes geschlossen wurde, war die israelische Botschaft. Aber
auch das Schahregime hatte nicht den Mut, Israel offiziell anzuerkennen
und tat dies nur de facto. So versuchte das monarchische Regime die
iranische mit der jüdischen Geschichte zu verknüpfen. [So berief es sich
auf König Xerxes], von dem auch im alten Testament die Rede ist. Xerxes
hatte nicht nur eine jüdische Frau namens Esther, sondern befreite auch
das jüdische Volk aus der Tyrannei Babylons. Xerxes half sogar bei der
Wiedererrichtung jüdischer Synagogen. Der Schahregierung ist es aber
dennoch nicht gelungen, das öffentliche Bewusstsein für Israel
einzunehmen. Zumal die Juden Israels den Angehörigen der Bahai-Sekte [5]
Schutz gewährten, was das Misstrauen der Iraner noch steigerte." [6]
Die Zeitung Aftabe Yasd kritisierte dagegen grundsätzlich, wie die
iranischen Medien mit der Begegnung von Khatami und Katzav umgingen. Es
sei reine Zeitverschwendung, sich mit einer solch "banalen Angelegenheit
zu beschäftigen": "Solange selbst politische Persönlichkeiten mit der
besten Vergangenheit vorrangig beweisen müssten, dass sie Israel hassen,
bleibt keine Zeit, um die wirklichen Probleme zu lösen." [7]
Rafsanjani über den Papst,
die Christen, Jesus und Amerika
In einer Freitagspredigt lobte derweil der ehemalige – und möglicherweise
kommende – Staatspräsident Rafsanjani den verstorbenen Papst und
kritisierte die USA: "Papst Johannes Paul II war eine herausragende
Persönlichkeit. Er war für den Frieden und gegen Kriegstreiberei. Er
verurteilte die amerikanischen Verbrechen und das Gefängnis von Abu
Ghureib. Außerdem kämpfte er gegen die Gottlosigkeit der Kommunisten. Es
wäre gut, wenn die Christen und der Vatikan von John Paul II lernen und
ihre Aufgaben ernster nehmen würden. Die Christen leben heute nicht so,
wie es ihnen das Christentum eigentlich vorschreibt. Wie können die
Christen behaupten, sich christlich zu verhalten und dabei tatenlos den
weltweiten Verbrechen der USA und der Supermächte zusehen? Die
Plünderung der natürlichen Ressourcen der Menschheit, die von den
Weltmächten in den internationalen Gremien ausgeübte Gewalt und ihre
irreführende Propaganda widersprechen dem Geist des Christentums. Jesus
hat Unterdrücker, die Rechte von anderen verletzen, mit
menschenfressenden Schlangen verglichen. Wie können die Christen jetzt
über die Tyrannei schweigen? Die Christen müssen gegen Amerika laut
aufschreien und zum Ausdruck bringen, dass Amerika dem Ansehen von Jesus
geschadet hat." [8]
In einem Beitrag der Redaktion widerspricht die Zeitung Jomhuriye Eslami
der These, dass Papst Johannes Paul II dem Weltfrieden geholfen habe. Er
habe sich lediglich mit Worten gegen die Kriegstreiberei gestellt.
Jomhuriye Eslami schreibt: "Wenn der Papst gewollt hätte, hätte er die
öffentliche Meinung in der christlichen Welt mit seiner moralischen
Macht gegen Bush und Blair lenken können. Er hätte verhindern können,
dass sie das afghanische und das irakische Volk bestialisch überfallen.
Wenn der Papst wirklich gewollt hätte, hätte er die amerikanische
Regierung wenigstens fragen müssen, warum sie die zionistischen
Verbrechen in Jenin unterstützt hat." Schon Khomeini habe gesagt, dass
man den Papst fragen müsse, ob "Jesus Christus denn wie der Papst den
amerikanischen Präsidenten verteidigt hätte". Jomhuriye Eslami wirft dem
Papst vor, zu sehr von einer "jüdisch-christlichen Erbschaft"
beeinflusst gewesen zu sein. In deren Namen hätte der Westen versucht,
seine kolonialen Ziele durchzusetzen. [9]
Zur Papstwahl: Die
amerikanischen Kardinäle und ein Friedenspapst
Die offizielle studentische Nachrichtenagentur ISNA berichtete, dass
einige Beobachter in Rom der Meinung seien, "dass das Weiße Haus sich
besonders für die Wahl eines amerikanischen Kardinals als Nachfolger von
Papst Johannes II einsetze. G.W. Bush und seine Mitarbeiter hoffen, dass
eine ihnen freundlich gesonnen Persönlichkeit Papst wird." Sicherlich,
so ISNA, würden die Stimmen der amerikanischen Kardinäle eine
entscheidende Rolle spielen und großen Einfluss auf die Wahl des Papstes
haben. [10]
Die Zeitung Bastab berichtet, dass der Papst den Islam geschätzt und im
"Jahr 1999 den Koran geküsst" habe. Er habe sich für den Dialog der
Kulturen ausgesprochen und stets betont, dass der "Islam nichts mit dem
Terrorismus zu tun" habe. Das Verhalten von " als Neokonservative
auftretenden Christen" nach dem 11. September würde den Idealen des
(verstorbenen) Papstes widersprechen: "Sie nennen sich zwar Katholiken
und trauern um den Papst, haben aber in den letzten drei Jahren alles
unternommen und keine Mühe gescheut, um die Christen gegen die
islamische Welt aufzustacheln. Sie wollen eine Neuauflage der Kreuzzüge
im 21. Jahrhundert." Vor diesem Hintergrund laste eine "bedeutende
historische Mission auf dem Rücken des nächsten Papstes." Wenn dieser
die Linie der friedlichen Politik von Papst Johannes Paul II verlasse,
werde "ihm die Geschichte das niemals verzeihen." [11]
*Dr. Wahied Wahadt-Hagh ist Politikwissenschaftler und Mitarbeiter von
MEMRI
1) Qassab (dt. Metzger) soll Katsav ursprünglich geheißen haben.
2) Sharq, 10.4.2005
3) Iran, 10.4.2005
4) ISNA, 9.4.2005
5) Die Bahai-Religion ist keine "Sekte", sondern wird inzwischen als eine
neue Weltreligion anerkannt.
6) Sharq, 10.4.2005
7) Aftabe Yasd, 11.4.2005
8) IRNA, 8.4.2005
9) Jomhuriye Eslami, 10.4.2005
10) ISNA, 8.4.2005
11) Bastab, 5.4.2005
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