In
der Nacht zum 30. März 2005 zündeten Unbekannte in Rheinsberg (Brandenburg)
den Imbisswagen eines Kurden an. Der Wagen brannte völlig aus. Die Polizei
geht von einem rassistischen Motiv aus.
Für Brandstiftung spreche vor allem die Tatsache, dass das Feuer nicht im
Wagen, sondern außerhalb ausgebrochen sei. Es war bereits der vierte
Anschlag auf den Imbiss innerhalb von zwei Jahren. Nur in einem Fall, der
einen vergleichsweise geringen Sachschaden angerichtet hatte, wurden drei
Jugendliche aus der örtlichen rechten Szene zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Zu ihrem Tatmotiv sagten die Jugendlichen: »Die brauchen das hier nicht zu
verkaufen. Wir sind hier nicht in Türkenland.« Dieses Mal stünden der
kurdische Besitzer und seine Familie vor dem finanziellen Ruin, heißt es in
einer Pressemitteilung des Vereins Opferperspektive, der aus diesem Grund zu
Spenden aufruft.
Brennende
Buden in Brandenburg:
Nicht einmal eine Geste des Bedauerns
Im Februar 2004 besuchte eine Mitarbeiterin der
Opferperspektive eine vietnamesische Familie, auf deren Geschäft ein
Brandanschlag verübt worden war. Die Ware war verbrannt oder verrußt, der
Schaden betrug 35.000 Euro.
Die
Opferperspektive bat die Stadtverwaltung, über ein Hilfsangebot für die
Familie nachzudenken, und regte an, die Kommune möge das Gespräch mit den
MigrantInnen im Ort suchen. Vergebens.
»Da kann man wohl nichts machen«, war die häufigste Antwort.
Im April 2004 bekam die Familie einen Brief, in dem die
Staatsanwaltschaft mitteilte, dass das Verfahren eingestellt worden sei.
Zwei Monate später verkündete der Innenminister die Enttarnung einer
rechtsextremen Gruppe, die für zehn Brandanschläge auf Geschäfte von
MigrantInnen in der Region verantwortlich sei. Über den Fall wurde in den
Zeitungen und im Fernsehen berichtet; nur die Familie, deren Geschäft
verbrannt worden war, wurde nicht informiert.
Ein
halbes Jahr später erhielt der Inhaber eine Zeugenvorladung des
Oberlandesgerichts. »Die haben bei mir eingekauft«, sagte der vietnamesische
Geschäftsmann, nachdem er den Tätern vor Gericht gegenüber gestanden hatte.
»Ich war wütend, ich wollte wissen, warum sie uns das angetan haben.« Aber
die Brandstifter schwiegen.
Im März 2005 wurde das Urteil gesprochen. Zwölf Jugendliche hatten die
Kameradschaft Freikorps gegründet und in einer Satzung festgehalten, dass
sie MigrantInnen durch Anschläge vertreiben wollen. Die Gruppe wurde als
»terroristische Vereinigung« eingestuft. Ihr Anführer, mit 20 Jahren der
Älteste in der Gruppe, bekam eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren.
Während
des Prozesses kam heraus, dass die Neonazis von vielen BürgerInnen gedeckt
worden waren. »Es war allgemein bekannt, wer die Imbisse angezündet hat«,
sagte eine Lehrerin. Auch der Bürgermeister eines Ortsteils hatte es
gewusst. Die Mutter von einem der Täter hatte die Brandstifter zu einem der
Anschläge gefahren. Nach dem Urteil besuchte die Opferperspektive die
Anschlagsopfer. Von der Kommune hatte sich bei keinem der Betroffenen jemand
gemeldet – nicht nach den Anschlägen, nicht nach der Festnahme der Täter,
nicht nach dem Urteil. Sie hätten Hilfe gebraucht, aber die Verantwortlichen
waren offenbar nicht einmal zu einer Geste des Bedauerns fähig.
Einige Betroffene haben Schadensersatz von Versicherungen bekommen, andere
aber hatten – wie die vietnamesische Familie – keinen Versicherungsschutz.
Dazu kam der Verdienstausfall: Einige der niedergebrannten Imbisse mussten
über Wochen, manche über Monate geschlossen bleiben.
Einer der Brandstifter ließ der vietnamesischen Familie durch seinen Anwalt
eine Zahlung von 20 Euro monatlich anbieten. Die niedrige Summe irritierte
sie. Sie erwägen nun, ob sie auf Schadensersatz klagen sollen. Aber das kann
Jahre dauern. Wenn das Zivilverfahren gewonnen wird, erhalten sie nur dann
etwas, wenn die Täter zahlungsfähig sind; verlieren sie, müssen die Opfer
auch noch die Kosten des Verfahrens tragen.
Manche der Betroffenen hatten gehofft, der Staat würde ihnen helfen. Aber
die Entschädigung der Bundesanwaltschaft für Opfer rechter Gewalt können sie
nicht in Anspruch nehmen, weil sie keine körperlichen Verletzungen erlitten
haben.
Angriffsziel
Imbiss:
Hilfe für Betroffene
Seit dem Jahr 2000 wurden in Brandenburg über 60 Anschläge auf Asia- und
Döner-Imbisse verübt. Nach einem Anschlag sind die Opfer mit einer
Vielzahl rechtlicher, sozialer und wirtschaftlicher Probleme konfrontiert,
bei deren Bewältigung sie auf Hilfe angewiesen sind. Um Kommunen und
Behörden Möglichkeiten aufzuzeigen, die Betroffenen zu unterstützen, hat die
Opferperspektive das Informationsheft »Angriffziel Imbiss« mit
Fallbeispielen, Analysen und Handlungs-empfehlungen herausgebracht.
Das Heft basiert auf einer Studie, die von der Opferperspektive zusammen mit
der Landesausländerbeauftragten und dem Aktionsbündnis gegen Gewalt,
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Auftrag gegeben wurde. Für
ImbissbetreiberInnen bietet die Opferperspektive auch einen kleinen Ratgeber
in vietnamesischer und in türkischer Sprache an.
Informationen:
www.opferperspektive.de, Bestellungen:
info@opferperspektive.de
Zeichen der Solidarität in Rheinsberg
Foto: Michael Schwandt, RAA
hagalil.com 14-04-2005 |