Umbenennung gefordert:
"Norbert-Wollheim-Platz"
Initiative "Norbert-Wollheim-Platz"
Die Gebäude des von der Frankfurter Universitätsleitung in
geschichtsverdrängender Manier "Campus Westend" getauften Areals wurden von
den IG Farben errichtet und bis 1945 genutzt. Jene "Interessengemeinschaft"
war in den 30er Jahren der weltgrößte Chemiekonzern und trug aufgrund ihrer
Verquickung mit dem nationalsozialistischen Machtapparat wesentlich zum
Beginn und Fortgang des 2. Weltkriegs bei. Eine Tochterfirma der IG
produzierte das Gas Zyklon B, welches zur Vernichtung der Deportierten
eingesetzt wurde. Die IG Farben selbst unterhielten sogar ein eigenes Lager
in Monowitz nahe Auschwitz, wo 25–30.000 Menschen, vorwiegend Juden, beim
Bau einer Buna-Fabrik durch Arbeit ermordet wurden.
Nach dem Krieg wurde der riesige Konzern wieder in seine
ursprünglichen Bestandteile – u.a. Bayer, BASF und Höchst – aufgeteilt. Die
Nachfolgefirmen des Chemiegiganten und die weiterhin existierende IG Farben
in Abwicklung (i. A.) weigerten sich, den Opfern eine Entschädigung
auszuzahlen. So kam es, dass die früheren Farben-Firmen zu Beginn der 50er
erneut Milliardenumsätze machten, während die ehemaligen Zwangsarbeiter
seelische und z. T. materielle Not von unvorstellbarem Ausmaße litten. Der
Monowitz-Überlebende Norbert Wollheim wollte sich damit jedoch nicht
zufrieden geben und strengte mit Hilfe seines Anwalts – dem er nur 150 DM
Lohn bieten konnte – einen Prozess vor dem Frankfurter Landgericht an. In
der Klageschrift beschrieb Wollheim die Selektion seiner Familie und
berichtete, wie seine Frau und sein Sohn vergast wurden. Er selbst musste 22
Monate für die IG Farben Zwangsarbeit verrichten und forderte dafür 10.000
DM. Der Anwalt der Gegenseite war ein Münchener Nazi, welcher zuvor einen
SS-Führer verteidigt hatte. Die IG Farben i.A. schoben alle Verantwortung
auf die SS ab und beschrieben das firmeneigene KZ als "Erholungslager". Das
Landgericht entschied jedoch zugunsten Wollheims, allerdings stellten die
10.000 DM laut Urteilsspruch keinen Ersatz für den nicht ausgezahlten
Arbeitslohn dar, da Wollheim aufgrund fehlenden Arbeitsvertrages keinen
Lohnanspruch besitze. Diese
zweischneidige Entscheidung ermutigte viele Überlebende, juristische
Schritte zu ergreifen, woraufhin die IG Angst um ihr Vermögen bekam. Deshalb
wandte sie sich an die Jewish Claims Conference, um einen Kompromiss
auszuhandeln: die Claims Conference verlangte für 10.000 Zwangsarbeiter
insgesamt 100 Millionen DM, die IG wollte jedoch nur 10 Millionen zahlen.
Schließlich einigte man sich auf einen Betrag von 30 Millionen DM. An
insgesamt 5.800 Zwangsarbeiter wurden geringe Summen zwischen 2.500-5.000 DM
ausgezahlt. Bedingt durch den Kalten Krieg wurden aber nur diejenigen
entschädigt, die auf der westlichen Seite des Eisernen Vorhangs lebten.
Norbert Wollheim hatte bereits ab 1938 Transporte jüdischer
Kinder nach England organisiert und somit viele Leben gerettet, bevor er
1943 gemeinsam mit Frau und Kind verhaftet und deportiert wurde. Durch
seinen mutigen Einsatz während und nach der Zeit des Nationalsozialismus
wurde er zu einem mittlerweile in der Öffentlichkeit fast wieder vergessenen
Symbol für den Kampf um Selbstbehauptung und Entschädigung gegen die
nationalsozialistische Barbarei und im speziellen die schier übermächtigen
IG Farben (i.A.). Aus diesem Grund forderte Karl Brozik, der mittlerweile
verstorbene Repräsentant der Jewish Claims Conference in Deutschland, die
Umbenennung des Grüneburgplatzes als der Postadresse des IG Farben-Geländes
in Norbert-Wollheim-Platz. Micha Brumlik, Direktor des
Fritz-Bauer-Instituts, machte diese Forderung anlässlich des Umzugs der
Universität ins Westend im Jahre 2001 öffentlich. Die Stadt lehnte das
Ansinnen jedoch ab, und auch die Uni-Leitung machte sich diesen Gedanken
nicht zu eigen. Weitere Bemühungen um eine Umbenennung wurden von beiden
Seiten stets mit dem Hinweis auf die angeblich jahrhundertealte Tradition
des "Grüneburgplatzes" abgetan, de facto wurde dieser Name jedoch einzig von
1930 – 1945 genutzt, der Zeit also, in der die IG Farben von Frankfurt aus
ihre verbrecherischen Tätigkeiten organisierte.
Das Komitee der Überlebenden von Buna/Monowitz übergab
während des Treffens ehemaliger Zwangsarbeiter im März 2004 der
Oberbürgermeisterin eine Petition, in der es heißt: "Den Platz vor dem IG
Farben-Haus nach Norbert Wollheim zu benennen wäre für uns Überlebende ein
sichtbares Zeichen der Stadt Frankfurt, der unvergänglichen Vergangenheit zu
gedenken, der historischen Verantwortung gerecht zu werden. Wir versammeln
uns heute zum letzten Male in Frankfurt. Unsere Generation, Zeugen und Opfer
der national-sozialistischen Verfolgung und Vernichtung, stirbt aus. Bevor
unser Schicksal nur noch Historie ist, wollen wir dafür streiten, dass
Geschichtsvergessenheit nicht Platz greift. Wir appellieren an die
Verantwortlichen der Stadt Frankfurt, die Umbenennung des "Grüneburgplatzes"
in "Norbert-Wollheim-Platz" zu veranlassen: in Ehrfurcht vor den Opfern, in
Verantwortung für die Zukunft." Weder
von Petra Roth noch von der Uni-Leitung kam daraufhin eine positive Antwort.
Die Forderung der Überlebenden muss jedoch realisiert werden. Wir werden
gemeinsam mit Personen des öffentlichen Lebens eine eigene Resolution an
Universität, Stadt und Land adressieren, um dieses wichtige Anliegen zu
verwirklichen, bevor der letzte Überlebende verstorben ist. Bitte
unterstützt das Gedenken an Norbert Wollheim mit eurem Namen und sammelt
weitere Unterschriften im Freundes- und Bekanntenkreis.
Resolution und Unterschriftensammlung
für die Umbenennung des "Grüneburgplatzes" in "Norbert-Wollheim-Platz"
hagalil.com 11-03-2005 |