Der Gewinner heißt Scharon:
Nerven aus Stahl ließen ihn gewinnen
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 29.03.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Nun, da am Ende alles gut ist und die Knesset mit einem
Haushaltsplan in der Hand in die Sommerpause gehen kann, kein Volksentscheid
mehr auf der Tagesordnung steht und die Straße zur Abkopplung klar vor uns
liegt, ist der Gewinner offensichtlich: es sind Ariel Sharons Nerven aus
Stahl.
Von dem Tage an, da der Abkopplungsplan angekündigt worden
war, verging kein Augenblick, ohne dass jemand versuchte, diesen Plan
abzuschießen. Diese eine Szene, die sich vor unseren Augen auf dem
Fernsehbildschirm entfaltete, bleibt unvergesslich: Sharon sitzt allein an
seinem Regierungstisch. Benjamin Netanjahu, Limor Livnat und Silvan Shalom
sind dabei, ihm eine Falle zu stellen –oder einen Umsturzversuch zu planen,
um präziser zu sein-, doch er zuckt nicht ein einziges Mal mit der Wimper.
Boten eilen rein und raus, flüstern dies und jenes in sein Ohr – und er
sitzt nur da und antwortet nicht. Die Kamera holt sein Gesicht heran. Keine
Spur von Anspannung oder Panik ist dort zu sehen. Und wir alle kennen
natürlich das Ende dieser Geschichte. Alle drei kapitulierten.
Seit diesem Tag im Juni 2004, an dem die Knesset den
Abkopplungsplan billigte, war Sharon Oberhaupt einer Minderheitenregierung.
Die Rebellen, von Uzi Landau angeführt, versuchten jeden nur möglichen
Trick, um Sharon zu stürzen. Seine Fraktion wurde auf Messers Schneide
geprüft, die Anzahl der Knessetmitglieder, die auf Sharons Seite standen,
fiel von 40 auf 25. Anstrengungen wurden unternommen, die Initiative durch
das Mittel eines Volksentscheids zu stoppen. Über Monate hinweg versuchten
sie ihn zu zwingen, russisches Roulette zu spielen, indem sie ihm eine
geladene Pistole an die Schläfe setzten. Sharon ist kein Angsthase, doch
dieses Spiel wollte er nicht spielen. Es ist kein Zufall, dass Sharon der
einzige Premierminister im vergangenen Jahrzehnt ist, der durchhielt und es
geschafft hat, vier Jahre lang das Kommando anzugeben.
Das vergangene Jahrzehnt hat keine alternative Führungskraft
im Likud, in der Arbeiterpartei oder in sonst einer Partei hervorgebracht.
Und so wurde Sharon trotz seiner Vergangenheit als rüde Person und trotz
seiner Art zu tun, was er wollte, einer der stärksten, pragmatischsten
Premierminister seit Ben Gurion. Durch seine mutigen und zielstrebigen
Bemühungen, permanente Grenzen für Israel zu schaffen, legt Sharon dem Land
die wichtigste nationale Agenda seit dem Sechstagekrieg auf. Ob er Erfolg
haben wird oder nicht, es ist auf jeden Fall gut zu wissen, dass wir nach so
vielen Jahren als Besatzer etwas tun, was die ganze Welt auf unserer Seite
sein lässt.
Während der Likud inmitten einer Rebellion steckte, die politisch rechts
außen Stehenden und die Siedler den Krieg erklärten und Knessetabgeordnete
alle möglichen Tricks versuchten, um den Abkopplungsplan zu stoppen, erhob
sich plötzlich noch ein neuer Feind namens Shinui. Shinui zerstörte die
Aussicht auf eine große Koalition –eine Verbindung zwischen Arbeiterpartei,
Likud und Shinui- aus dem einzigen Grund, dass sie nicht mit der Partei
Vereinigtes Torahjudentum in einer Regierung sitzen wollte. Josef Lapid, ein
Freund und Bewunderer Sharons, wurde gemeinsam mit seinen Ministern
gefeuert, weil er ein Misstrauensvotum gegen die Regierung unterstützte.
Lapid, ein Gefangener seines eigenen himmelhohen Egos, konnte nicht
erkennen, dass Krieg gegen die Ultra-Orthodoxen keine Plattform für alle
Ewigkeit darstellt. Selbst in der Opposition drohte er damit, gegen den
Haushaltsplan zu stimmen, wenn die Regierung darauf bestand, dem Vereinigten
Torahjudentum die versprochenen 290 Millionen NIS zu übergeben. Es muss hier
wohl nicht betont werden, dass eine Wahl gegen den Haushaltsplan einer
Torpedierung des Abkopplungsplans gleichzusetzen ist.
Lapid war angefüllt von sich selbst. Er genoss jede Sekunde, in der er die
gleiche Sorte Clown spielte, die er auch im Fernsehen gespielt hatte. Nur
befand er sich dieses Mal in der wirklichen politischen Welt. Dabei
versäumte er zu erkennen, dass er auf einer nationalen Ebene nicht länger
witzig war. So smart wie er ist, er kapierte es einfach nicht, dass es in
Israel keine Regierung ohne die Religiösen geben kann. Sharons Nerven aus
Stahl gewannen auch diese Runde. Nach allen aufgeblasenen Forderungen und
Vorbedingungen für die Stimmen zugunsten des Haushaltsplans wurde Lapid am
Ende mit etwas gekauft, das Zahava Gal-On „eine Handvoll Dollars“ nannte.
Dadurch verlor Lapid seine politische Jungfräulichkeit und verwandelte
Shinui in eine ungarische Version der Shas-Partei. Eines Tages wird man ihn
noch beschuldigen, Geld von hungernden Kindern zu nehmen, um damit die obere
Gesellschaftsschicht in Sheinkin und im Norden Tel Avivs zu füttern.
Nun kommt der Test für Sharons Abkopplungsplan. Die Likudrebellen werden
sich mit den politisch rechts außen Stehenden, mit den Groß-Israel-Fantasten
und mit Schlägertypen aller Couleur zusammen tun, um das Leben in diesem
Land auf den Kopf zu stellen und aktiv gewalttätigen Widerstand zu fördern.
Der Gazastreifen ist nicht der Libanon. Wir können ihn nicht über Nacht
verlassen. Doch Sharon und Mofas zielen auf einen schnellen Rückzug, bei dem
Toleranz und Mitgefühl für diejenigen, die evakuiert werden, gezeigt wird,
jedoch nicht für diejenigen, die mit Aggression und Gewalt reagieren. Auch
in diesem Bereich werden Ariel Sharon seine Nerven aus Stahl zugute kommen.
Rebellen gescheitert:
Knesset stimmt gegen Volksentscheid über Abkopplungsplan
Das Knessetplenum lehnte am Montagnachmittag die
Gesetzesvorlage für einen Volksentscheid über den Abkopplungsplan mit 72 zu
39 Stimmen ab...
Nördliches Westjordanland:
Der Rückzug hat schon begonnen
Die Spülung funktioniert noch. Aber der Wasserkasten füllt
sich nicht mehr. Der Blick aus dem Klo bietet ein atemberaubendes Panorama.
Die Olivenbäume und die Hügel erinnern an die Toscana...
hagalil.com 29-03-2005 |