antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Man wird stärker, wenn man sich stellt

Ein Interview mit Beate Niemann über ihren Vater, den Polizisten und NS-Massenmörder Bruno Sattler aus Berlin und die Reaktionen, die sie hervorruft, wenn sie von ihm erzählt.

Interview: Martin Jander

Beate Niemann (1) forscht über ihren Vater Bruno Sattler (2), der während des Nationalsozialismus als Angehöriger der Gestapo Zehntausende Menschen umgebracht hat. Lange Zeit wurde Frau Niemann diese Wahrheit vorenthalten. Lange Zeit hat sie selbst diese Wahrheit von sich fern gehalten und versuchte ihren in der DDR inhaftierten Vater frei zu bekommen und – nach seinem Tod in einem DDR-Zuchthaus – zu rehabilitieren. Seit der Öffnung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit begann sie genauer nachzuforschen und sich der Geschichte zu stellen. 2002 und 2003 erschienen zwei weithin gelobte Dokumentarfilme von Yoash Tatari über Beate Niemann und ihre Recherchen. Inzwischen hat sie selbst die Verbrechen ihres Vaters minutiös erforscht und dokumentiert. Der Verlag Hentrich & Hentrich wird das Manuskript unter dem Titel Der gute Vater – Bruno Sattler im kommenden Herbst veröffentlichen. Das Interview erscheint wesentlich gekürzt in die tageszeitung (12.3.2005).

Frau Niemann, Sie forschen über einen Mann, über den in Deutschland niemand etwas wissen will. Wer ist das?

Das ist mein Vater Bruno Sattler, der 1898 in Berlin in einer bürgerlichen Familie geboren wurde und der zunächst eine ganz normale Karriere als Schüler und Student machte. Durch den Zusammenbruch der Weltwirtschaft verlor er sein Vermögen. Er machte dann Karriere in der politischen Polizei und in der Gestapo (3). Ich bin die dritte Tochter von Bruno Sattler und wurde 1942 in Berlin geboren. In diesem Jahr leitete mein Vater gerade in Belgrad einen Mord an etwa 8.500 Frauen und Kindern in Gaswagen. Kennen gelernt habe ich ihn eigentlich ausschließlich aus Erzählungen. Später in den 60er/70er Jahren auch bei drei bis vier halbstündigen Besuchen in DDR-Zuchthäusern, wo er seit 1947 inhaftiert war.

Seit wann forschen Sie über Ihren Vater?

Als ich mit meinem Mann 1992 aus Indien wiederkam, die DDR untergegangen und ihre Archive sich geöffnet hatten, stellte ich den Antrag, die Stasi-Unterlagen einzusehen. Ich wollte herausfinden, warum mein Vater niemals freigekauft werden konnte. Ich sah zu Beginn meiner Recherche meinen Vater noch als unschuldig an.

Bruno Sattler

Was haben Sie seither über Ihren Vater herausgefunden?

Mein Vater ist noch als Schüler in den ersten Weltkrieg gezogen und hat erst danach sein Abitur machen können. Er ist nach dem Krieg zum Freikorps Brigade Ehrhardt (4) gekommen, das am Kapp-Putsch beteiligt war. Dann hat er noch sechs Semester studiert - Botanik und Nationalökonomie. Das Studium musste er nach dem Tod seines Vaters abbrechen, weil er seine Mutter ernähren musste. Er war dann als Verkäufer bei Wertheim in der Uhren- oder Silberabteilung beschäftigt und hat sich immer aufgeregt, dass er in einem jüdischen Kaufhaus arbeitete. 1927 ist er von einem Freikorps-Kameraden angesprochen worden: "Komm doch zu mir in die Polizei." Er ist 1928 in die Berliner Polizei eingetreten, hat eine Kommissariatsausbildung durchlaufen und gehörte danach zur Politischen Polizei. 1931 trat er in die NSDAP ein. 1933 wurden sie gefragt, ob sie in die normale Kriminalpolizei wollten oder in die Gestapo. Er wollte in die Gestapo.

Was war sein Aufgabenbereich in der Gestapo?

Sein Aufgabenbereich war die Bekämpfung des Kommunismus. 1934 wurde er Referatsleiter für Sozialdemokratie und sozialdemokratische Gewerkschaften. Später hat man diese Begriffe zusammengeführt. Er war nun insgesamt für die Bekämpfung des "Marxismus" zuständig. Nach der Besetzung Belgiens war er in Brüssel und hat dort die Akten der 2. Internationale sichergestellt. Er ist außerdem nach Paris geschickt worden. Von Paris aus ging er zum so genannten Vorkommando Moskau, das der Einsatzgruppe B (5) angeschlossen war. Er ist später nach Smolensk und von dort aus nach Belgrad gekommen, wo er Chef der Gestapo wurde. Er hat die Gestapo-Dienstelle im Oktober 1944 aufgelöst und ging nach Wien, für eine "ungarische Rückführungsaktion", die mir bislang kein Wissenschaftler oder Historiker genau erklären konnte.

Welche Verbrechen waren mit diesen Karriere-Stationen verbunden?

Das erste Verbrechen ist 1934 die Ermordung von John Schehr (6) und drei seiner Genossen - angeblich "auf der Flucht erschossen" - auf der Königstraße in Berlin-Wannsee. Es waren Schüsse in den Rücken. Die Verbrechen des Vorkommandos Moskau sind ausgewiesen in den geheimen Protokollen der Einsatzgruppen. Auch seine Verbrechen in Jugoslawien sind dokumentiert. Ich habe die Dokumente dort selber eingesehen. Noch nicht greifbar ist für mich die Sonderaktion "Ungarische Rückführung". Die Wissenschaftler, die ich bis jetzt gefragt habe, sind sich aber darüber einig, dass er dabei auch mit der Ermordung der ungarischen Juden zu tun hatte.

Wie viele Menschen hat ihr Vater getötet?

Aus der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Ludwigsburg weiß ich, dass die Zahlen des Vorkommandos Moskau zum Teil erhalten sind. Es handelt sich um über 10.000 Tote. In Belgrad steht er für den Gaswageneinsatz, bei dem in einer sechswöchigen Aktion bis zu 8.500, hauptsächlich Frauen und Kinder, umgebracht worden sind. Ich selber habe außerdem Erschießungsanordnungen in den Archiven in Belgrad gefunden. Das sind Hunderte. Er stand dort auch für Geiselerschießungen und für die so genannte "Partisanenbekämpfung". Er hat die Menschen nach Auschwitz geschickt, er hat sie zu Arbeitseinsätzen, die ja auch einer Vernichtung gleichkamen, bis nach Norwegen geschickt. Ich denke es sind Zehntausende. Und er hat bei Aktionen dreimal selber mit geschossen.

Welches Bild haben Sie von ihrem Vater? Warum tat er was er tat?

In den Erzählungen aus der Familie heißt es, dass er sehr charmant, sehr fröhlich und liebenswürdig gewesen ist. Aufgrund dieser Liebenswürdigkeit hat er angeblich sogar seine Cousinen immer dazu gebracht, ihn zu bedienen. Dann gibt es da noch den aufopferungsvollen Sohn. Mein Vater hat sich um seine Mutter gekümmert und sein Studium abgebrochen als sie in Not geriet. Das haben seine beiden Brüder nicht getan. Und dann ist da eben diese steile Karriere in der Nazizeit. Es hat ihn niemand gezwungen, schon 1931 in die NSDAP einzutreten. Und in all den Unterlagen, die ich in der Stasi-Behörde gefunden habe, habe ich nicht einen einzigen Satz gefunden, dass es ihm Leid getan hat. Es ist da nicht ein einziges Mal eine Einsicht da, dass er Verbrechen begangen hat. Seine Eltern dachten deutsch-national, waren sehr streng und der Zeitgeist war antisemitisch. Er ist in diesem Geist aufgewachsen, hat ihn bis zum Schluss vertreten und bis in die mörderischen Aktionen hinein umgesetzt. In meinen Augen war er ein überzeugter Nationalsozialist.

"Serbien ist judenfrei"

Sie sind an einigen der Orte gewesen, an denen Ihr Vater "gewirkt" hat. Was war Ihr Eindruck?

Ich war im September 2001 eine ganze Woche in Belgrad. Ich war die erste Privatperson, die in den Belgrader Archiven arbeiten durfte. Ich habe auch Überlebende der Verbrechen meines Vaters getroffen. Ich habe einfach nur gedacht, warum tut sich nicht die Erde auf und ich verschwinde? Wie ist es möglich durch eine Stadt zu gehen, in der mein Vater Tausende von Menschen umgebracht hat, die er nie gesehen hat, die er nicht kannte, zu denen er keine Verbindung hatte, einfach nur, weil sie einen anderen Glauben hatten? Ich habe es auch nicht für möglich gehalten, dass ich es aushalten würde Überlebende zu treffen.

Als Sie mit der Recherche zu Ihrem Vater begannen, wollten Sie da alles ganz genau wissen?

Ich habe noch 1991, nach der Wende, die ich mit meinem Mann in Bombay erlebt habe, einen Rehabilitierungsantrag an die Staatsanwaltschaft Schwerin geschickt. Ich hielt meinen Vater ja noch für unschuldig. Inzwischen kann ich mich dafür nur schämen. Ich bin sehr dankbar und sehr froh, dass er abgelehnt wurde, wenn auch ich auch damals die Begründung nicht verstanden habe und mich dagegen heftig gewehrt habe. Plötzlich wurden Urteile der DDR als rechtsstaatlich dargestellt. Das sind sie in meinen Augen bis heute nicht. Aber ich wollte seine Geschichte schon sehr genau erkunden. Als sich im Laufe der Recherche etwas herausstellte, was ich nicht vermutet hatte, wollte ich es unbedingt ganz genau wissen.

Als Sie anfingen, diese Akten zu sichten, nach Belgrad zu fahren, um sich mit eigenen Augen von den Verbrechen Ihres Vaters zu überzeugen, haben Sie mit dieser Geschichte nicht gerechnet?

Als ich nach Belgrad fuhr, wusste ich es schon. Ich habe im Januar 1997 angefangen in den Stasi-Unterlagen zu lesen. Die Anklagepunkte die da gegen meinen Vater genannt wurden, nämlich "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen in Jugoslawien, waren in meinen Augen durch die bundesrepublikanische Gesetzgebung und Prozesse längst widerlegt. 1998 habe ich allerdings das Buch "Serbien ist judenfrei" von Walter Manoschek gefunden. Da war der Gaswageneinsatz und die Verantwortung meines Vaters für ihn explizit erwähnt. Ich habe mich mit dem Autor in Verbindung gesetzt und den Antrag gestellt, nach Jugoslawien reisen zu dürfen. Nach dem NATO-Bombardement konnte ich fahren.

Liliane Djordjevic

Sie haben schon erwähnt, dass Sie überlebende Opfer der Verbrechen Ihres Vaters getroffen haben. Wie war das genau?

Ich habe in Belgrad die einzige Überlebende des Gaswageneinsatzes getroffen, Liliane Djordjevic, die zur Zeit des Einsatzes 13 Jahre alt gewesen ist. Sie war mit ihrer christlichen Mutter aus der Schweiz inhaftiert. Ihr Vater war in diesem Lager Semlin (7) bei Belgrad Lagerarzt. Ihre Mutter ist irgendwann nach dem Krieg gestorben, ihr Vater wurde auf den allerletzten Gaswagentransport geschickt und umgebracht. Sie und ihre Mutter wurden eigentlich vergessen. Es waren noch zwei nichtserbische Frauen und ein Kind da, die haben einfach in den letzten Gaswagen nicht hineingepasst. Liliane Djordjevic wusste von mir und wir haben uns auf diesem Gelände getroffen. Sie kam etwas später und ich sollte auf sie zugehen. Ich dachte, ich kriege kein Bein vor das andere. Ich wollte eigentlich nur von diesem Grundstück verschwinden. Nur durch die Freundlichkeit, mit der sie auf mich zukam und mir die Hand gab und – ja – ein perfektes Deutsch sprach, war es überhaupt möglich, dass ich mich soweit in den Griff bekam, mit ihr sprechen zu können. Das war für uns beide zuerst ziemlich schwierig, aber wir haben uns tagelang immer wieder getroffen. Zum Abschied hat sie mir eine rote Rose geschenkt. Wir stehen noch heute miteinander in Verbindung.

Familie Leon

Sie haben auch andere Menschen getroffen, die nicht selbst, aber mittelbar, von den Verbrechen Ihres Vaters berührt sind.

Ich kenne heute die Geschichte des Hauses, in Berlin-Tempelhof, Manfred-von-Richthofen-Straße, in dem ich geboren worden bin. Ich wusste mein Leben lang, dass das Haus einer Frau Leon gehört hat, eine jüdischen Dame. Die Erzählung meiner Mutter ging so, dass sie, als sie mit mir im 8. Monat schwanger war, Frau Leon über die Schweizer Grenze in Sicherheit gebracht habe. Dieses Haus ist uns am Anfang der 50er Jahre – das wusste ich auch – in einem Rückerstattungsantrag weggenommen und an Erben der Familie Leon zurückgegeben worden. Das wurde in der Familie immer als große Ungerechtigkeit dargestellt, denn letztendlich hatten meine Eltern das Haus korrekt bezahlt und meine Mutter hatte ja Frau Leon – so glaubte ich - das Leben gerettet. Nur zufällig, aufgrund eines Gespräches mit einer Freundin, habe ich noch einmal in alten Unterlagen gekramt. Ich habe mir aus einem Umschlag, in dem meine Mutter unsere ganzen Dokumente aufbewahrt hat, meine Geburtsanzeige herausgenommen. Es waren da noch fünf oder sechs Karten mit einem Band zusammengebunden. Ich blätterte sie durch. Eine Karte ist beschrieben, was ich jahrzehntelang nicht bemerkt hatte. Es ist eine handschriftliche Notiz meiner Mutter, drei Tage nach meiner Geburt, an meinen Vater nach Belgrad. Sie schreibt über meine Geburt, über meine Entwicklung in diesen drei Tagen und über das Haus. Der vorletzte Satz lautet: "Am 20.6. kommt die Leon auf Transport nach dem Osten". Da habe ich erst mal einige Tage gebraucht, um das auszuhalten und habe dann angefangen, genau zu recherchieren. Zunächst auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee, dann im Centrum Judaicum, im Jüdischen Museum in Berlin - das schon eröffnet war und die Totenlisten von Theresienstadt hatte - und zum Schluss war ich im Amt für Wiedergutmachung, von dem ich gar nicht wusste, dass es das noch gibt. Dort erfuhr ich, wie es wirklich war. Herr Leon hat ab 1937 meinen Eltern das Haus zum Kauf angeboten. Meine Eltern haben aber abgelehnt. Im Frühjahr 1942 gingen die Kaufverhandlungen mit der inzwischen verwitweten Frau Leon weiter. Mein Vater hat Frau Leon eine Bestätigung gegeben, dass sie für ein Jahr lang von der Deportation zurückgestellt wird. Deshalb unterschrieb sie den Kaufvertrag wurde aber schon 14 Tage später zur Gestapo bestellt und gleich dabehalten. Sie ist nach Theresienstadt transportiert und 1944 in Auschwitz ermordet worden. Über den jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee wusste ich, dass es Menschen dieser Familie gibt, die sich um das Grab kümmern. Die Friedhofsverwaltung hat einen Brief von mir an die Enkel nach London weitergeleitet. Auf diesen Brief bekam ich nach zwei Monaten eine Antwort, die mich so erschüttert hat, dass ich Monate gebraucht habe, um darüber hinweg zu kommen. Dann habe ich aber doch noch mal geschrieben. Und die zweite Reaktion aus London war schon ganz anders. Ich hatte auch gesagt, ich würde ihnen gerne alles Material, was ich habe, zur Verfügung stellen. Ich habe der Familie geschrieben, dass es einen Film über meine Recherche gibt und dass der 90-Minuten-Film auch mit englischen Untertiteln gezeigt wird. Sie haben diesen Film gesehen und haben mich danach zu sich nach London eingeladen. Da war ich im März 2004 zu einem Dinner in der Familie. Es waren auch befreundete Paare dabei. Ich glaube, es waren die intensivsten Stunden meines Lebens. Ich traf dort mit dem direkten Enkel der Frau Leon zusammen, die meine Eltern zuerst getäuscht und dann haben ermorden lassen, um sich in den Besitz ihres Hauses zu bringen.

Sattlers DDR-Haft

Nach dem Krieg ist Ihr Vater inhaftiert worden. Wie genau ging das vor sich?

Mein Vater ist offenbar nach Ende des Krieges über Linz nach Deutschland gekommen, hat sich anderthalb Jahre versteckt gehalten und ist im Frühsommer 1947 nach Berlin-West gekommen und hat sich immer wieder mit meiner Mutter getroffen. Sie stand unter Beobachtung der Abteilung K 5 - aus der später das Staatssicherheitsministerium wurde - einer Ost-Berliner Behörde und unter Beobachtung der Amerikaner. Mein Vater ist am 11. August 1947 aus West-Berlin verschleppt worden. Es war eine Gruppe sowjetischer Soldaten unter der Anwesenheit von Erich Mielke. Er verschwand und ist 1949 für tot erklärt und entnazifiziert worden. Meine Mutter hat eine Witwenpension bekommen, wir Kinder haben die Halbwaisenrente bekommen. Dass mein Vater lebt, haben wir erst zufällig 1953 erfahren. Außerdem hörten wir, dass er 1952 in einem Geheimprozess in Greifswald  zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt worden war.

Inzwischen wissen Sie schon mehr, weil Sie die Akten des Ministeriums für Staatssicherheit angesehen haben?

Das Urteil in Greifswald sagt: "Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen in Jugoslawien aufgrund eigener Angaben." Sie hatten nichts gegen ihn in der Hand, sondern er hat seine Tätigkeit in Belgrad beschrieben. Den Gaswageneinsatz hat er verneint. Er habe nur davon gewusst. Die meisten hätten ja davon gewusst. Aber er hatte angeblich damit nichts zu tun. Also man hat ihm direkt nichts nachweisen können. Sie haben ihm seine Tätigkeit als Gestapo-Mann von vor dem Krieg vorgehalten, dass er aufgrund seiner Tätigkeit in der Gestapo und seines Spitzelsystems die Arbeit der KPD zum Erliegen gebracht hat und auch die Tätigkeit der SPD. Auch sie hatte von Prag aus nicht mehr tätig sein können. Aber eigentlich war es nicht das, was sie wollten. Es sollte 1950 ein Schauprozess gegen ihn veranstaltet werden. Die Unterlagen habe ich zufällig im Bundesarchiv gefunden. Dieser Schauprozess hat nie stattgefunden, stattdessen hatte er einen Geheimprozess. Ich bin den Weg der DDR-Rechtsanwälte, die für meinen Vater tätig waren, nachgegangen. Er endete für diese DDR-Anwälte zum Teil sehr unerfreulich. Das Ganze ist in unseren Augen immer – und das hat sich eigentlich auch beim Lesen der Akten bestätigt – eine Abrechnung zwischen Mielke und meinem Vater gewesen.

Wie lange saß Ihr Vater in der DDR im Gefängnis?

25 Jahre. Er starb 1972 in Leipzig-Meusdorf im Zuchthaus.

Sie haben ihn in dieser Zeit ein paar Mal besucht. Was war Ihr Eindruck?

Ich habe ihn drei oder vier Mal gesehen, weil man nach den damaligen DDR-Gesetzen ab 16 Jahren in Zuchthäusern Besuche machen durfte. Mein zweiter Besuch war eine Verschleppungsaktion gegen meine Mutter, die dann aber nicht stattfand. Die anderen drei halben Stunden, in denen ich ihn sehen durfte, waren erfüllt mit Angst. Es ging ja darum, den Weg in das Gefängnis überhaupt zu schaffen. Dann kam die Leibesvisitation und dann saß man mit drei oder vier Stasi-Offizieren an einem Tisch. Dann kam ein Mann herein, von dem gesagt wurde: "Das ist Ihr Vater." Meine Mutter hat uns immer eine DIN A 4-Seite mit Fragen notiert, das reichte grade für 25 Minuten. Dann kam immer die Stimme: "Noch 5 Minuten!" Dann war er auch schon wieder weg. Das einzige Bild, das sich mir eingeprägt hat, ist ein gebeugter, großer Mensch, kahl geschoren, in Anstaltskleidung mit den Streifen auf den Armen. Das ist mein Vater gewesen.

Sattlers Kollegen

Sie lebten in West-Berlin. Da muss es doch auch noch Kollegen Ihres Vaters gegeben haben. Haben Sie die nie kennen gelernt?

Ich weiß heute, dass ich einige kennen gelernt habe, denn meine Mutter hat – etwa ab 1949 – als Geschäftsführerin einen Polizeibeamtenverband, den Schrader-Verband (8) geleitet, der später im Bund Deutscher Polizeibeamten aufgegangen ist. Wie ich erst seit ein paar Wochen weiß, gehörten zwei Männer dem Verbandsvorstand an, von denen der eine einer Einsatzgruppe (auch in der Nähe von Smolensk) angehörte und der andere ein Einsatzkommando in Riga führte. Aber ich habe natürlich auch andere kennen gelernt, die nun nicht gerade in Berlin waren. Der eine wurde Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, der andere leitete die Polizei eben dieses Landes, wieder ein anderer leitete die Polizei des Landkreises Hameln-Pyrmont. Meine Mutter wurde da immer mit Kusshand begrüßt. Ich bekam meine erste Schokolade z.B. von Rudolph Diels (9) und Walter Zirpins (10). Ich denke auch an Herrn Best (11). Best war später Sachverständiger für die Prozesse gegen Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes. Herr Best hat meiner Mutter die besten Tipps gegeben, an wen sie sich wenden kann, um meinen Vater vielleicht doch noch aus dem DDR-Gefängnis herauszukriegen.

Was war Ihr Eindruck, als Sie diese Männer damals kennen lernten?

Ich fühlte mich immer bestraft. Mein unschuldiger Vater sitzt im Knast und sie hier sind Ministerpräsidenten, sie sind Männer der Wirtschaft, sie sind Bundesjustizminister, sie sind Landesjustizminister, sie schreiben rührende Briefe an meine Mutter. Und wir?

Familie Sattler

Wie hat Ihre Familie darauf reagiert, dass Sie direkt nach der Wende der DDR intensiver begannen, sich mit der Geschichte ihres Vaters auseinander zu setzen?

Meine Mutter ist 1984 gestorben. Ich hatte die letzten 6 Jahre vor ihrem Tod keine Verbindung mehr zu ihr. Wir haben uns nie verstanden. Was uns auseinander gebracht hat, ist eine rein persönliche Angelegenheit. Was meine Mutter nie ausgehalten hat, waren eigentlich schon meine Fragen. Man musste in der Schule ja immer den Beruf des Vaters angeben. Mein Vater war Regierungs- und Kriminaldirektor oder dann Regierungs- und Kriminalrat. Das war ja nun ziemlich hoch angesiedelt. Ich war sehr stolz drauf. Irgendwann ging mir dann aber auf, dass er in dieser Funktion doch etwas gewusst haben muss. Schon diese Frage war in meiner Familie absolut unanständig und nicht gewünscht und ich habe mich gefügt. Ich habe auch als Angehörige der so genannten "68er"- Generation nicht gefragt. Mit meinen Schwestern kam das Zerwürfnis zur selben Zeit wie mit meiner Mutter. Die Reaktionen meiner Schwestern kenne ich nur aus zweiter Hand. Sie sind offenbar schockiert und schweigen. Mein Mann hatte mich zuerst hier noch sehr unterstützt. Er ist aber 1994 gestorben. Meine Kinder stehen hinter mir. Sie sind stolz auf mich, wie sie sagen.

Sie sind öfter bei Veranstaltungen. Sie sprechen über Ihren Vater. Welche öffentlichen Reaktionen hat es auf Ihre Arbeit gegeben?

Es hat Reaktionen gegeben. Was mich sehr erstaunt, zum überwiegenden Teil von der Opferseite. Die ersten Reaktionen auch nach den Filmen kamen von Opferfamilien. In den Veranstaltungen kommt mir die ganze Bandbreite von eisigem Schweigen über Hochachtung und Missachtung entgegen. Mein Freundeskreis hat sich sehr stark verändert. Ich habe mich von einem großen Teil meiner Freunde getrennt, weil es sie einfach nicht interessiert, was ich mache. Aber ich lerne auch immer wieder neue Menschen kennen. Ich habe mich seither sehr verändert.

Sie haben am Anfang des Interviews gesagt, dass Sie bei der ersten Begegnung mit überlebenden Opfern Ihres Vaters gedacht haben, der Boden tut sich auf. Fühlen Sie sich schuldig?

Einmal denkt man ja immer, man ist ein Teil seiner Eltern. Natürlich stehe ich mit meinem Mädchennamen für das, was mein Vater getan hat. Wobei ich mich aber nie schuldig gefühlt habe, nie. Aber ich fühle mich schuldig, was in unser aller Namen mit den Opfern, mit den Überlebenden und auch mit den Toten nach Ende des Krieges passiert ist. Dass man sie negiert hat, tot geschwiegen hat, dass man sie verleugnet hat und  dass man ihnen Pfennige von Entschädigung hingeworfen hat oder oft nicht einmal das. Daran fühle ich mich mitschuldig. Das lasse ich für mich nicht mehr zu. Mein Wirken gilt ja hauptsächlich auch meiner Familie. Es geht mir darum, ein Beispiel zu schaffen dafür, dass man es auch anders machen kann, dass man an einer solchen Aufarbeitung nicht zerbricht, dass man im Gegenteil sogar stärker wird, wenn man sich stellt.

Das Interview führte Martin Jander, Historiker und Journalist. Über ihn kann man auch Kontakt zu Beate Niemann herstellen: martinjander@t-online.de. Letzte Veröffentlichung: Berlin (DDR) – Ein politischer Stadtspaziergang, Berlin 2003

Eine Täterbiographie:
Die guten Eltern
Beate Niemanns Ausbruch aus der verdrehten deutschen Familien-Erinnerung: Opferschaft und Heldentum...

Anmerkungen:
(1) Beate Niemann,  geb. 6.6.42 in Berlin, 1960 Abbruch der Schule, Aufenthalte in England und Frankreich, 1962-63 Ausbildung zur Auslandskorrespondentin, Arbeit bei Amnesty International und als freie Vollzugshelferin in der Strafanstalt Berlin-Tegel. Berufliche Tätigkeiten beim Diakonischen Werk und der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Schlachtensee. 1997 Beginn des Aktenstudiums in der "Gauck-Behörde". 2002 erschienen zwei Dokumentarfilme von Yoash Tatari ("Mein Vater, der Mörder – eine Tochter klagt an"; "Der gute Vater – eine Tochter klagt an") über Frau Niemann. Das Buch über ihren Vater B. Sattler wird im Herbst 2005 im Verlag Hentrich & Hentrich in Berlin erscheinen. Die Filme können über den Mitschnittservice des WDR bestellt werden.
(2) Bruno Sattler, geb. 1898 in Berlin,  als Schüler Teilnahme am I. Weltkrieg; 1919 Abitur; Studium der Nationalökonomie und Botanik; 1920 Mitglied des Freikorps Brigade Ehrhardt und Teilnahme am Kapp-Putsch; 1922 Tod des Vaters, Aufgabe des Studiums, Verlust des Vermögens; 1928 Eintritt in die Berliner Kriminalpolizei, 1931 Eintritt in die NSDAP; seit 1933 Leiter des Referats "Sozialdemokratie und sozialdemokratische Gewerkschaften", des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA); 1934 Übernahme des Dezernats für SPD, SAP, Reichsbanner, Freie Gewerkschaften und Sportverbände in der Gestapo; 1937 Leiter der Abt. la (politische Polizei), zuständig für Sozialdemokratie und sozialdemokratische Gewerkschaften; 1938 Wechsel zur SS-Einheit der Gestapo, Zuteilung zum Sicherheitsdienst Himmlers; 1939 Leiter Abt. IV A 2, zuständig Kampf gegen sozialdemokratische Kräfte in Deutschland und der Emigration; 1940 einige Wochen in Brüssel zur Sicherstellung der Akten der 2. Internationale, anschließend in Paris; Oktober 1941 bis Januar 1942 Ordonnanzoffizier im Vorkommando Moskau (Teil der Einsatzgruppe B); Januar 1942 bis Oktober 1944 Chef der Gestapo in Belgrad; vom 18.12.1944 bis zum 9. 5.1945 mit dem Sonderstab für ungarische Rückführungsaktion in Wien; Flucht über Linz nach Deutschland; kehrt 1947 mit falschem Namen nach Berlin zurück; seit 11.8.1947 verhaftet und verschiedene Aufenthalte in NKWD Gefängnissen in Berlin und Moskau, später in Zuchthäusern der DDR; stirbt am 15.10.1972 in der Strafvollzugsanstalt Leipzig-Meusdorf; genaue Umstände des Todes sind nicht geklärt.
(3) Gestapo: Abkürzung für "Geheime Staatspolizei", politische Polizei im NS-Deutschland. Sie wurde 1933 gegründet, zählte bis 1944 30.000 Mitglieder und war zuständig für den organisierten Terror in Deutschland und in den besetzten Gebieten. Ihre wesentliche Aufgabe bestand in der Erforschung und Bekämpfung aller "staatsgefährdenden Bestrebungen", in der Wahl der Mittel waren ihr keine Grenzen gesetzt. 1936 wurde Himmler zum Chef der gesamten deutschen Polizei ernannt und gleichzeitig die Gestapo der SS unterstellt und somit in die NSDAP eingegliedert. Seit 1936 waren Gestapo, Kriminalpolizei und Grenzpolizei als Sicherheitspolizei zusammen gefasst. 1939 wurden sie mit dem SD im Reichssicherheitshauptamt vereinigt. Viele Gestapo-Beamte begleiteten in den Reihen der SS und der Einsatzgruppen die deutsche Armee bei ihren Eroberungsfeldzügen und organisierten die Verschleppung der Juden in Vernichtungslager. In den Nürnberger Prozessen wurde die Gestapo 1946 zu einer verbrecherischen Organisation erklärt.
(4) Während der Novemberrevolution in Deutschland bildet Hermann Ehrhardt aus 300 jungen Marineoffizieren einen Stoßtrupp, aus dem das Freikorps Brigade Ehrhardt hervorging. Sie wurde im Auftrag der Weimarer Regierung im Kampf gegen die Münchener Räterepublik und zur Niederschlagung anderer kommunistischer Aufstände eingesetzt. Unter der Führung von General Walther Freiherr von Lüttwitz besetzte 1920 die Marinebrigade Ehrhardt das Berliner Regierungsviertel. Damit begann der Putsch von Lüttwitz und Wolfgang Kapp (Kapp-Putsch). Nach dem Scheitern des Umsturzes wurde Ehrhardt kurzzeitig von General Hans von Seeckt zur Niederschlagung kommunistischer Aufruhrversuche in das Ruhrgebiet berufen. Wegen Beteiligung am Putsch erging gegen Kapp und Ehrhardt Haftbefehl. Wolfgang Kapp starb in der Untersuchungshaft in Leipzig an einer Krebserkrankung.
Ehrhardt konnte nach Bayern flüchten und wurde dort nicht verfolgt. Ehrhardt ließ sich in München nieder und wandelte den Teil seiner aufgelösten Brigade, der nicht in die Reichsmarine überführt wurde, in die geheime Organisation Consul (OC) um, den späteren Wiking-Bund. Seine Mitglieder waren für die Ermordung von Finanzminister Matthias Erzberger, Außenminister Walther Rathenau und für zahlreiche andere politische Morde verantwortlich. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten unterstellte er den Bund dem Reichsführer der SS, Heinrich Himmler.
(5) Einsatzgruppe B: Einen Tag nach dem Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion fielen die so genannten Einsatzgruppen - eine von ihnen war die Einsatzgruppe B unter Arthur Nebe, der auch das Vorkommando Moskau zugeordnet war - in Russland ein. Ihr Auftrag, vor dem Krieg auch der Wehrmachtsführung bekannt, war die "Beseitigung der jüdisch-bolschewistischen Intelligenz", und die "Vernichtung von Bolschewistenhäuptlingen und Kommissaren, sowie aller Juden, die die Sicherheit der kämpfenden Truppe gefährden." Die Einsatzgruppen ermordeten faktisch die gesamte jüdische Bevölkerung, einschließlich Kinder, Frauen und Greise der Gebiete, in die die Wehrmacht vorgedrungen war. Die Einsatzgruppen wetteiferten untereinander um die höchsten Mordzahlen, die sie in so genannten Ereignismeldungen an das Reichssicherheitshauptamt nach Berlin meldeten.
(6) John Schehr: geboren am 30.10.1898 in Altona, Familienstand unbekannt. Seit 1930 Leiter der KPD-Bezirksorganisation Niedersachsen. Am 6.6.1932 wurde er auf Beschluß des Sekretariats der KPD in eine Kommission zur Vorbereitung der Illegalität der KPD berufen. Mitglieder dieser Kommission waren: W. Ulbricht, J. Schehr, H. Kippenberger. Nach der Verhaftung Ernst Thälmanns am 3. März 1933, führte Schehr die KPD in der Illegalität. Schehr wurde durch das Parteimitglied Kattner, in der Illegalität technische Hilfskraft des ZK der KPD, nach schweren Folterungen durch die Gestapo, verraten. Er wurde am 9.11.1933 in einer Privatwohnung während einer Sitzung zur Bildung der 1. Landesleitung der KPD verhaftet. Am 1.2.1934 wurde Kattner von der Gestapo ermordet, der Mord wurde als "Fememord" dargestellt. Am 2.2.1934 wurde John Schehr auf einer Transportfahrt in die Strafanstalt Brandenburg-Görden auf der Königstraße in Berlin Wannsee "auf der Flucht erschossen". Mit ihm umgebracht wurden: Rudolf Schwarz (Leiter des Abwehrressorts), Eugen Schönhaar (ehemals technischer Leiter des Sekretariats des ZK der KPD) und Erich Steinfurth (früherer Landtagsabgeordneter der KPD. Bruno Sattler leitete die Ermordung der vier Kommunisten.
(7) Lager Semlin: Gegenüber der Festung von Belgrad, auf dem anderen Ufer der Save lag der Ort Zemun. Er gehörte zu Kroatien. 1938 fand hier eine Weltausstellung statt, an der auch Deutschland beteiligt war. Nach dem Einmarsch der Deutschen wurden die noch von der Ausstellung vorhandenen Gebäude in das Konzentrationslager Semlin umgewandelt. Für den 1942 für einige Wochen täglich verkehrenden Gaswagen gab es eine Sondergenehmigung zum Passieren der Brücke über die Save in die Stadt Belgrad. Die Papiere hatte der täglich in einem PKW vorausfahrende Lagerleiter Andorfer bei sich. Der Gaswagen und der folgende LKW mit den Koffern der Opfer werden ohne Kontrolle durchgeleitet. Nach Kriegsende lebten Bauarbeiter in den Resten der Gebäude, es wurden kleine Häuser dazu gebaut. Die Bauarbeiter waren für den Wiederaufbau Belgrads eingestellt. Heute stehen noch 2 der Weltausstellungspavillons, in den noch vorhandenen Häusern wohnen Künstler, es gibt einen kleinen Platz mit einem Denkmal für die Ermordeten.
(8) Der Schrader-Verband wurde 13.12.1915 in Berlin unter dem Namen "Verband der Kameradenvereine" gegründet und hatte damals 6.000 Polizisten als Mitglieder. Ernst Schrader wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt, das blieb er auch bei den Zusammenschlüssen mit anderen Polizeiverbänden. Am 20.21.02.1923 kam es in Berlin zur endgültigen Einheitsorganisation der Polizei in Preußen mit 60.000 Mitgliedern: "Verband Preußischer Polizeibeamter e.V". Am 2.5.1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen, und am 24.6.1933 wurden alle Arbeitnehmerorganisationen in die "Deutsche Arbeitsfront", DAF, unter Führung von Robert Ley überführt. Am 8.9.1933 wurde Ernst Schrader in das Konzentrationslager Oranienburg gesperrt. Am 17.5.1935 wurde der Verband vor dem Amtsgericht Berlin aufgelöst. Am 13.7.1936 starb E. Schrader an den Folgen des KZ-Aufenthaltes. Bruno Sattler war Mitglied des Verbandes, wann er austrat, ist nicht bekannt. 1948/49 Neugründung des "Verband der Polizeibeamten e.V. (ehemals Schrader-Verband)." Geschäftsführerin wurde die Frau von Bruno Sattler. Sie blieb es bis zu Auflösung des Verbandes etwa 1964.
(9) Rudolf Diels (16.12.1900 – 18.11.1957), Gründer und Chef der Gestapo, war 1900 im Taunus geboren worden und hatte Rechtswissenschaften studiert. Er wurde bald nach der Gründung in einen Machtkampf zwischen Göring und Himmler verwickelt, musste deshalb auf den Posten des stellvertretenden Polizeipräsidenten von Berlin wechseln. Im April 1934 musste er seinen Posten endgültig verlassen und wurde zum Regierungspräsidenten Kölns, später von Hannover. Im Zusammenhang des 20. Juli 1944 war er ins Gestapo-Gefängnis gekommen, von dort aber von seinem Förderer Göring befreit worden. Nach dem Krieg arbeitete er in der Regierung und im Innenministerium Niedersachsens.  
(10) Walter Zirpins war Sachverständiger im Reichstagsbrandprozess 1933 und sagte zu demselben Komplex sowohl 1948 in Nürnberg als auch 1961 vor einem ordentlichen deutschen Gericht aus. SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor im Amt IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamtes. Im Zweiten Weltkrieg Einsatz Zirpins' bei der "Endlösung der Judenfrage" in den Ghettos Warschau und Litzmannstadt. Nach 1945 Oberregierungsrat und Leiter des Landeskriminalamtes Niedersachsen. Dr. Walter Zirpins war Fritz Tobias' Kronzeuge im Historikerstreit um die These zur Alleinschuld Marinus van der Lubbes. Somit ist er einziger Bürge für die zumindest in der Geschichtsschreibung feststehende These von der Alleinschuld van der Lubbes am Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. Februar auf den 28. Februar1933.
(11) Werner Best (1903 – 1989) wurde in Darmstadt geboren und gründet 1919 in Mainz die Gruppe des "Deutschnationalen Jugendbunds". Best studiert Rechtswissenschaften in Frankfurt a. M., Freiburg und Giessen und machte mit verschiedenen Aufsätzen bei der völkisch ausgerichteten Intelligenz auf sich aufmerksam. Nach Abschluss des Referendardienstes arbeitete er als Amtsrichter an verschiedenen Gerichten. Er trat NSDAP und SS bei. 1935 wurde er stellvertretender Leiter der Gestapo in Berlin. Innerhalb des Reichssicherheitshauptamtes war er später verantwortlich für Personalfragen. Er lenkte die Einsatzgruppen, die unmittelbar nach dem Überfall auf Polen die polnische Intelligenz umbrachten und dann in SS-Dienststellen transformiert wurden. Er entwarf eine erste "Judenverordnung" für das besetzte Frankreich, die Vorbildcharakter für die anderen von Deutschland besetzten Länder hatte. Er wurde Reichsbevollmächtigter im besetzten Dänemark, forderte dort die "Lösung der Judenfrage", scheiterte jedoch am Widerstand der dänischen Bevölkerung, die die dänischen Juden rettete. Nach der Kapitulation wurde er verhaftet und zum Tode verurteilt, in einem Revisionsprozess jedoch nur zu 12 Jahren Haft verurteilt. 1951 wurde er begnadigt, trat in eine Rechtsanwaltskanzlei ein, war führend an Kampagnen zur Freilassung von NS-Tätern beteiligt. Später wurde Best zwar häufiger angeklagt, kam jedoch meist mit geringen Strafen davon. Für die Morde der Einsatzgruppen in Polen, wurde er erst kurz nach seinem Tod angeklagt.

hagalil.com 13-03-2005

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved