Unrühmliche Vergangenheit:
Die Rückkehr des SS-Mannes
Polens Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den
Vater des "Plastinators" Gunther von Hagens
Aus Warschau von Gabriele Lesser
Gunther von Hagens (60), der mit seiner Leichenausstellung
"Körperwelten" zum Millionär geworden ist, steckt wieder einmal in
Schwierigkeiten. Doch diesmal geht es nicht um die verletzte Totenruhe
einiger Ausstellungsstücke, um erschossene, später enthäutete und
präparierte Chinesen oder um einen Professorentitel der Volksrepublik China.
Diesmal steht der Vater des Leichen-"Plastinators", Gerhard Liebchen, im
Rampenlicht der Medien. Gegen den rüstigen 88-jährigen ermitteln die
Staatsanwälte des polnischen "Instituts für das Nationale Gedenken" (IPN) in
Posen. Einem Bericht des Spiegels
und der Rzeczpospolita zufolge soll Liebchen während des Zweiten Weltkrieg
als SS-Mann zur Verhaftung von 60 Polen beigetragen sowie andere Polen
denunziert und verfolgt haben. "Wir überprüfen,", so Staatsanwalt Jozef
Krenz, ob dieser Mann tatsächlich an der Verschickung jener 60 Polen ins KZ
beteiligt war. Sollte dies zutreffen, könnte dies zur Grundlage eines
weiteren Ermittlungsverfahren werden, diesmal wegen Beihilfe zum
Völkermord." Hätte von Hagens im
1.200-Einwohner-Dorf Sieniawa Zarska nahe der deutsch-polnischen Grenze
keine Fabrikhalle gekauft, wäre die SS-Vergangenheit seines Vaters
vermutlich nie publik geworden. Doch der alte Mann, der dort seit rund einem
Jahre die Geschäfte seines Sohnes führt, rühmte sich in fließendem polnisch,
Land und Leuten sehr verbunden zu sein. Schließlich, so verriet er in einem
Fernsehinterview, sei er in Skalmierszyce bei Kalisz geboren. Dass der
deutsche Heimkehrer eine unrühmliche Vergangenheit bei NSDAP und SS hatte,
erzählte er allerdings nicht. Dies erfuhren die Polen erst am Wochenende aus
den polnischen Medien. Die Aufregung
war groß. "Vielleicht macht er seine nächste Fabrik in Auschwitz auf?",
empörte sich ein Leser im Internet-Forum der Rzeczpospolita. Ein anderer
fragt zynisch: "Ob ihm wohl der Papst als Leiche gefallen würde?"
Auch Gunther von Hagens, so versichert dieser zumindest in
einer öffentlichen Erklärung, habe von der Vergangenheit des Vaters erst aus
der Zeitung erfahren. "Mein Vater", so schreibt er auf seiner
"Körperwelten"-Website, "lehnte bisher jedes konkrete Gespräch über seine
Kriegserlebnisse mit der Begründung ab, er wolle uns Kinder nicht mit der
Vergangenheit belasten". Die Großeltern hätten erzählt, dass der Vater es
als "einziges deutsches, protestantisches Kind in einer katholischen
polnischen Schule nicht leicht" gehabt und den Einmarsch der Nazis 1939
daher als Befreiung erlebt habe. Zudem, so schreibt er weiter, "haben meine
Eltern sich mir gegenüber wiederholt und ohne Nachfrage gegen die
Judenverfolgung ausgesprochen und mir versichert, daran weder direkt noch
indirekt beteiligt gewesen zu sein." In der DDR habe der Vater dann das
Kommunistische Manifest gelesen. Später habe er ihn allerdings auf den
totalitären Charakter der frühen DDr aufmerksam gemacht.
Erst jetzt, nach der Publikation durch Spiegel und Rzeczpospolita, habe es
zwischen ihnen eine längere Aussprache zur NSDAP- und SS-Vergangenheit des
Vaters gegeben. Dabei seien sie überein gekommen, dass der Vater ab sofort
nicht mehr die Geschäfte des Sohnes in Polen führen werde. Auch dann nicht,
wenn die Vorwürfe entkräftet werden sollten.
In Sieniawa Zarska sind die Meinungen geteilt. Immerhin hat von Hagens 300
Arbeitsplätze versprochen. Zudem eine Investition in Höhe von 5 bis 15
Millionen. Zwar haben inzwischen alle Dorfbewohner den
Rzeczpospolita-Artikel "Die Rückkehr des SS-Mannes" gelesen, viele gruselt
es beim Gedanken, dass das Dorf zum Leichenschauhaus Polens werden könnte,
anderseits locken Arbeit und Geld. Mitte Mai wollen sie ihre Entscheidung
fällen. Dann will von Hagen persönlich nach Sieniawa Zarska kommen.
hagalil.com 03-03-2005 |