Rebellion im Auswärtigen Amt:
Joschka Fischer in der Bredouille
Von Max Brym
Das rot-grüne Regierungsprojekt wackelt bedenklich.
Beinahe täglich trommelt die "Bildzeitung" für einen Regierungswechsel in
Form einer großen Koalition. Bundeskanzler Schröder hat mit der Agenda 2010
einen Wurf gewagt, der den größten Sozialabbau in der Geschichte der
Bundesrepublik darstellt. Dafür handelte er sich auch jede Menge Lob von den
Führungskräften der deutschen Wirtschaft ein.
Dennoch zeigt der erhobene Zeigefinger von Bundespräsident
Köhler in seiner Rede zum "Jobgipfel", dass der deutschen Elite die
Umverteilung von unten nach oben noch nicht weit genug geht. Der Kanzler
steht in der Kritik, besonders aber sein Außenminister Fischer.
Die Angriffe auf Fischer
Seit Wochen wird gegen Fischer wegen dem sog. Visa-Skandal
getrommelt. Angeblich hat eine zu laxe Handhabung der Einreisebestimmungen
speziell in der Ukraine dazu geführt, Deutschland und Europa "mit
kriminellen Ukrainern und Prostituierten" zu überschwemmen. Der "böse
Ukrainer" war der Wahlkampfschlager der Union in Schleswig-Holstein und er
soll es auch zur Wahl in NRW sein. CDU/CSU bemühen sich noch vor dem
Wahltermin in NRW am 22. Mai, Joschka Fischer vor den Untersuchungsausschuss
des Bundestages zu bekommen. Es wird nicht damit gerechnet, dass der
"Ex-Sponti" aus Frankfurt vor dem Ausschuss eine gute Figur abgibt. Dazu ist
Joschka Fischer viel zu defensiv.
Fischer bekennt sich zur Politik der geschlossenen Grenzen
und spricht von "Fehlern" in seinem Ministerium. Letzteres wird ihm nun im
Auswärtigen Amt verübelt. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung spricht
in ihrer Ausgabe vom 27.03.05 von "einem Aufstand im Auswärtigem Amt gegen
den Minister". Die Herrschaften im Staatsdienst verübeln Fischer nicht nur,
dass er versucht ihnen in der "Visa- Affäre" den schwarzen Peter
zuzuschieben, sondern sie haben noch andere Rechnungen mit Fischer zu
begleichen.
Mehr als hundert ehemalige Angehörige des Auswärtigen
Dienstes, überwiegend Botschafter, aber auch Staatssekretäre, hatten Anfang
Januar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Anzeige geschaltet, die
eindeutig gegen Fischer gerichtet war. In der Anzeige wird dem im Oktober
2004 verstorbenen früheren Botschafter Franz Krapf "ehrendes Andenken"
zugesprochen. Dieses "Andenken" war entgegen langjähriger Praxis in der
Hauszeitung des Ministeriums (intern AA) nicht erfolgt. Der Grund ist die
Anordnung Fischers, einstige Mitglieder der NSDAP, die für das
bundesdeutsche Auswärtigen Amt tätig waren, nicht mehr zu ehren. Das
empfinden viele Angehörige des Hauses als "nachträgliche Entwertung" der oft
jahrzehntelangen Tätigkeit im diplomatischen Dienst.
Die Ehemaligen und die Aktiven
Dem Protest der Ehemaligen haben sich jetzt die Aktiven
angeschlossen. Mehrere Mitarbeiter des Amtes haben einen Brief per Email
verbreitet, in dem sie sich der Kritik an der neuen Gedenkpraxis
anschließen. Die Verfasser schreiben, "dass die Ehrung der Toten zum
kulturellen Kernbestand sämtlicher Zivilisationen gehöre". In dem Brief wird
die traditionsbewusste deutschnationale Burschenschaftselite im Amt mehr als
deutlich, die Herren schreiben: "Sie (die Ehrung) anhand des alleinigen
Kriteriums der ehemaligen Zugehörigkeit zu einer Organisation des dritten
Reiches zu verweigern, ist Ausdruck anmaßender Selbstüberschätzung und
spiegelt das manichäische Geschichtsbild derjenigen wieder, die bereits 1968
glaubten, keinem über 30 trauen zu dürfen".
Die Verfasser haben den Brief an mehr als 200 Amtsangehörige
mit der Bitte um Unterzeichnung versandt. Der Brief wurde am Donnerstag den
17.03.05 verschickt. Am Montag den 28.03.05 wird der Brief in der
Amtszeitschrift "intern AA" veröffentlicht. In der knappen Zeit schlossen
sich nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" 70 Personen
aus dem Amt dem Protest gegen Minister Fischer an. Ein solcher Vorgang ist
beispiellos im Auswärtigem Amt. Fischer wird von altbackenen rechten Kräften
in seinem Amt attackiert. Diesen Leuten ist die "Treue" zu ihren alten
Vorbildern mit brauner Vergangenheit im Amt heilig. Immer schon schaute
dieser Teil der Exekutive höchst despektierlich auf den "Emporkömmling"
Fischer. Zwar wurde Fischers Masche, unter Verweiß auf Auschwitz deutsche
Kriegseinsätze zu rechtfertigen (bei allen Verbrechen von Milosevic war die
Rechtfertigung des deutschen Kriegseinsatzes gegen Jugoslawien mit dem
Hinweis auf Auschwitz durch Fischer geschichtsrevisionistisch und diente nur
dem Zweck deutsche Militäreinsätze weltweit abzusichern) mit getragen,
dennoch blieb Skepsis vorhanden gegen den alten "Sponti".
Ihm fehlte in den Augen der Bürokratie einfach der
Stallgeruch sowie eine ordentliche "Burschenschaftserziehung" für dieses
Amt. Jetzt hat es der Minister für Teile der diplomatischen Kaste zu bunt
getrieben. Diese Leute halten zwar was von Taktik und diplomatischem
Geschick, dennoch hat sich nach ihrer Sicht ein Minister konsequent hinter
das diplomatischen Korps zu stellen. Es war nun einmal Fakt, dass das
Auswärtige Amt der BRD von Menschen aus dem Hause Ribbentrop mit NSDAP
Mitgliederausweis aufgebaut wurde.
hagalil.com 28-03-2005 |