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Nicht viel Neues:
Wendephilosoph Rudolf Burger "immanentisiert"

Rezension von Karl Pfeifer

Außer der Sprachschöpfung "immanentisiert" hat Rudolf Burger nicht viel Neues zu bieten. Sein 128 Seiten umfassendes Büchlein ist eine "pyrrhonische (1) Skizze der historischen Vernunft". Der 1938 geborene langjährige Leiter der Abteilung für sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung im Wiener Wissenschaftsministerium, lässt bereits im Vorwort seinen – damals? – erworbenen Vorurteilen gegen Historiker "ironisch" freien Lauf: "So gelangte die Historie zu höchstem Ansehen. Ruhm und Ehre wurden den Helden der Archive zuteil, nicht mehr Generälen und Insurgenten, sondern den Athleten der Erinnerung fremder Leiden und Taten, die sie dem Vergessen entrissen..." und so weiter und so fort.

Mit diesem Pauschalurteil gegen einen Wissenschaftszweig glaubt er anscheinend sich selbst erhöhen zu können.
In einem Land, in dem fast auf jedem Dorffriedhof ein Denkmal für "unsere Helden" des Zweiten Weltkrieges oder gar "unsere Heimatverteidiger", die in Stalingrad und Frankreich, in Norwegen und in Nordafrika gefallen sind, zu finden ist, empfiehlt Burger den Nachkommen der Volksgemeinschaft das Vergessen. Den Opfern gestattet er gnädig ein "pietätvolles Gedenken".

Rudolf Burger setzt Nationalsozialismus und Kommunismus gleich. Doch beide sind nicht dasselbe gewesen. Der Sowjetkommunismus ist – so wie die Inquisition und Hexenverbrennung es seinerzeit waren – die Perversion einer Theorie, eines Moralsystems und eines Denkstils, der gut ist, der wesenhaft gut ist. Dagegen ist der deutsche Nationalsozialismus nur schlecht, schon weil die ihm zugrundliegenden Menschenauffassung als Anthropologie unmenschlich ist. Ein Jude kann nie erlöst werden, während ein Kapitalist freiwillig oder unfreiwillig in die Proletarierklasse herüberwechseln konnte und mit diesem sozusagen Übertritt in eine neue "Religion" sein Leben bewahren. Juden aber wurden von der Volksgemeinschaft per Definition ausgeschlossen und hatten keine Chance, oft auch dann nicht, wenn bereits ihre Großeltern sich taufen ließen.

Wenn es sowieso besser ist zu vergessen, dann ist nicht zu verstehen, weshalb Burger es als wichtig erachtet, darauf aufmerksam zu machen, dass Voltaire "mit bürgerlichen Namen Francois-Marie Arouet hieß", solche Details pflegen seriöse Wissenschaftler – wenn überhaupt – im Personenverzeichnis zu vermerken. Der Verdacht kommt auf, dass Burger damit und mit den vielen Fremdwörtern, die er benützt, beeindrucken will.

Dass er nun auch Max Horkheimer und Theodor Adorno als Kronzeugen für seine schlechte Sache bringt ist wohl Zynismus. Denn diese haben im Gegensatz zu Burger niemals selbst die Geschichtswissenschaft wirklich und begrifflich in Frage gestellt, wie wir bei nicht wenigen Vertretern des Strukturalismus und Post-Strukturalismus beobachten können. Helmut Dubiel, ein prominenter Vertreter der kritischen Theorie hat dies in der "Zeit" treffend "Entsorgung der Vergangenheit" genannt.

Rudolf Burger möchte dort fortsetzen, wo die "Kriegsgeneration" aufgehört hat, nämlich beim "kollektiven Beschweigen" (Hermann Lübbe) der NS-Vergangenheit.

Tacitus erzählt in den Annalen, wie Kaiser Tiberius einen Historiker, einen früheren Kollegen sozusagen, der sich politisch unliebsam gemacht hatte, vor Gericht gebracht, verurteilt, seine Bücher verbrannt und ihn schließlich in den Selbstmord getrieben hat. Tacitus ein Historiker, der nicht vergessen hat und so als Paradigma dient für uns hier und heute, setzt hinzu: "Man muss über die Torheit derer spotten, die da glauben, sie könnten durch ihren augenblicklichen Machtanspruch auch das Gedächtnis späterer Zeiten zerstören. Im Gegenteil. Je mehr man die Geisteshelden bestraft, desto größer wird ihr Ansehen. Alle, die mit der gleichen Grausamkeit wüteten, haben nie etwas anderes erreicht, als dass sie selbst Schmach, jene aber Ruhm ernteten. (2)

Ein Schreiber der Wiener Wochenzeitung Zur Zeit (3) behauptet: "Der Wiener Philosoph Burger brachte in einem kürzlich gehaltenen Interview die Situation in Deutschland und Österreich auf den Punkt, indem er sagte, dass auch die Ereignisse des 20. Jahrhundert historisiert werden müssten, so wie die Schlacht bei Königgrätz 1866, und die politische Erpressung der Vergangenheit ein Ende finden müsse."

Unabhängig davon, was Burger anfänglich beabsichtigt, wird seine Intervention für das Vergessen der NS-Verbrechen von einer politischen Konjunktur der Entsorgung determiniert. Ein Werk kann nicht allein von seiner Rezeption beurteilt werden und die Rezeption ist vom Autor auch nicht vollständig steuerbar. Dennoch kann Burger von der Verantwortung für seine Rezeption nicht ganz freigesprochen werden. Entgegen seiner Selbstinszenierung als kühler Wissenschaftler, hat er in zahlreichen Beiträgen und öffentlichen Auftritten das Klima weiter angeheizt, mit bisweilen die Grenze des Geschmacklosen überschreitenden scharfen polemischen Formulierungen, die Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten leiten. Das hat der Wendephilosoph Rudolf Burger "immanentisiert".

Rudolf Burger: Kleine Geschichte der Vergangenheit / Eine pyrrhonische Skizze der historischen Vernunft, 2004 Styria Verlag, ISBN 3-222-13149-X, Euro 16.90

1) Pyrrhon von Elis, geboren ungefähr 360 v.u.Z. gestorben ungefähr 272 v.u.Z. Der griechische Philosoph wird als der Vater des Skeptizismus betrachtet Pyrrhon war ein Schüler von Anaxarchus von Abdera, der sich ungefähr im Jahr 330 als Lehrer in Elis etablierte. Glaubend das gleiche Argumente für jede Aussage offeriert werden können, lehnte er die Suche nach Wahrheit als eine vergebliche Mühe ab. Während einer Expedition mit Alexander dem Großen sah er die Fakire in Indien als Beispiele des Glücks, die aus der Gleichgültigkeit der Verhältnisse kommen. Er folgerte dass der Mensch sein Urteil aufgrund der Zuverlässigkeit der Sinne und der Wahrnehmung suspendieren muss und leben muss aufgrund der Realität wie diese erscheint. Pyrrhonismus hat das philosophische Denken Europas im 17. Jahrhundert beeinflusst.
2) Tacitus, Annalen. Übertragung von Carl Hoffmann, München 1978, S. 179.
3) "Revisionen der Geschichtsschreibung" in ZZ 8/2005.

hagalil.com 09-03-2005

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