antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

"Nach Auschwitz. – Wir jüdischen Intellektuellen, die dem Martertod unter Hitler entronnen sind, haben nur eine einzige Aufgabe, daran mitzuwirken, daß das Entsetzliche nicht wiederkehrt und nicht vergessen wird, die Einheit mit denen, die unter unsagbaren Qualen gestorben sind. Unser Denken, unsere Arbeit gehört ihnen; der Zufall, daß wir entkommen sind, soll die Einheit mit ihnen nicht fraglich, sondern gewisser machen. Was immer wir erfahren, hat unter dem Aspekt des Grauens zu stehen, das uns wie ihnen gegolten hat. Ihr Tod ist die Wahrheit unseres Lebens, ihre Verzweiflung und ihre Sehnsucht auszudrücken, sind wir da."
Max Horkheimer, Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung, S. Fischer Verlag, 1974, Seite 213

Wie sozialdemokratische Funktionäre ihre eigene Geschichte sehen:
Braune Flecken

Von Karl Pfeifer

Immer wieder geht Rechtfertigung einer Politik, die sich nicht mit der Integrierung von ehemaligen Nationalsozialisten begnügte, sondern auch Täter mit Blut an den Händen protegierte und diesen auch in jeder Weise entgegenkam, einher mit demagogischen Untergriffen, wie wir sie diese Tage von einigen früher hochrangigen SPÖ-Politikern erleben. Die Tatsache, dass die SPÖ ihre "braunen Flecken" endlich angefangen hat aufzudecken, führt zu Reaktionen, die zum Teil skurril wirken. Am liebsten würden diese Politiker die Käseglocke über die Geschichte stülpen.

Der frühere Wiener Bürgermeister und Nationalrats-Präsident Leopold Gratz ist laut einer APA-Meldung vom 20. Januar 2005 aus dem Bund Sozialistischer Akademiker (BSA) ausgetreten und macht den Historikern Wolfgang Neugebauer und Peter Schwarz, die ihre Untersuchung über die Integration der Nationalsozialisten, darunter auch Täter in den BSA (Der Wille zum aufrechten Gang/Offenlegung der Rolle des BSA bei der gesellschaftlichen Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten, Czernin Verlag, 2005) vorgelegt haben, schwere Vorwürfe. Gratz, der 17 Jahre Präsident des BSA war, findet das Buch "einseitig" und behauptet nichts gegen die Aufarbeitung der Vergangenheit zu haben, aber das müsse "ehrlich" geschehen. Zwei seriöse Zeithistoriker mit reicher Erfahrung in der Erforschung der Zeitumstände während und nach der Zeit des Nationalsozialismus haben ihre Studie vorgelegt, die durch zahlreiche Quellen gestützt wird, aber Gratz wirft ihnen implizit vor unehrlich gearbeitet zu haben und behauptet ohne nur einen Fall zu nennen zu können: "Vieles in dem Buch stimme einfach nicht."

Er verharmlost die Integration von Nazi in seine Partei nicht zum erstenmal. Bereits 1970 hatte Simon Wiesenthal darauf hingewiesen, dass von den elf Ministern im ersten Kabinett Kreisky vier ehemalige Mitglieder der NSDAP waren. Im Juni 1970 griff Gratz, damals Unterrichtsminister und Zentralsekretär der SPÖ in die unterste Schublade und beschuldigte während des SPÖ-Parteitags in der Wiener Stadthalle das Dokumentationszentrum Wiesenthals, es sei ein "Femegericht". Er sagte: "Die Weise wie man SPÖ-Funktionären versucht, eine Nazi-Vergangenheit zuzuschreiben, nimmt langsam groteske Formen an, und man wartet nur mehr auf den Tag, daß man zu beweisen versucht, dass auch unser Vorsitzender Dr. Kreisky einmal Mitglied der NSDAP gewesen sein soll." Die Zuhörer bei der Parteikonferenz spendeten ihm heftigen Beifall. Kreisky konnte mit seinem Spruch "Ich warte nur darauf, bis Herr Wiesenthal nachweist, dass auch ich bei der SS gewesen bin." (Wochenpresse, 17.6.1970) Wählermaximierung betreiben.

Kein Wunder, dass die Rechtsextremisten Kreisky und der SPÖ damals höchstes Lob spendeten, Die "National Zeitung" titelte z.B. am 5. Juni 1970 "KREISKY und die alten Nazis / Österreichs größter Jude vergibt" und am 7. August 1970 "KREISKY: Wiesenthal ist jüdischer Faschist". Kreisky begnügte sich nicht damit und deutete an, Wiesenthal hätte eine dubiose Vergangenheit als Gestapo-Agent. Zur Beweisführung wollte er als Kronzeugen den in Belgien zum Tod verurteilten ehemaligen Kommandanten der flämischen SS Robert van Verbelen heranziehen. Es wurde eine Kampagne gegen Wiesenthal ausgelöst, der als "Menschenjäger", "Rachefanatiker", "faschistischer Kollaborateur" verleumdet wurde und dem man "Privatjustiz" unterstellte. Bewusst oder unbewusst schwammen Kreisky und die SPÖ auf der Welle des latenten österreichischen Antisemitismus.

Eine Gruppe von Sprachwissenschaftlern unter der Führung von Ruth Wodak untersuchte diese Kampagne und fasste zusammen: "Abschließend können wir feststellen, dass Kreiskys Argumente gegen Wiesenthal, wie sie in der Berichterstattung wiedergegeben wurden, verschiedene antisemitische Stereotype ansprachen, hier vor allem Weltverschwörung und Ehrlosigkeit ("jüdischer Dreh"). In seinen Argumentationsstrategien bedienter der sich u.a. eines (österreichischen) Wir-Diskurses und einer starken Abwertung und Kriminalisierung Wiesenthals. Auch verharmlost er den österreichischen Antisemitismus. Kreisky profilierte sich hier als "echter Österreicher", der zwar antisemitische Argumentation bemüht, aber den Vorwurf des Antisemitismus "im Namen aller Österreicher" empört zurückweist." ("Wir sind alle unschuldige Täter", suhrkamp 1990)

Ein weiteres Argument von Gratz ist, Bruno Pittermann habe "jede Menge Probleme gehabt, seine jüdische Frau über die NS-Zeit zu bringen". Diese Tatsache ist unbestritten, was sie aber damit zu tun haben soll, dass Pittermann wie andere SPÖ-Politiker auch Nationalsozialisten, darunter solche mit schwerer Schuld protegiert hat, kann nur Leopold Gratz beantworten.

Nehmen wir doch den konkreten Fall des 1890 in Graz geborenen Johann Diller, der in der ersten Republik als Richter fungierte. "Politisch engagierte sich Diller, der Mitglied der antisemitisch-deutschnationalen Burschenschaft "Allemania" in Graz war, als Parteileitungsmitglied der Großdeutschen Volkspartei in Graz. In seinem Lebenslauf von 1938 betonte Diller, dass er sich stets einer völkischen und arischen Weltanschauung verpflichtet gefühlt habe. 1927 habe er – als Großdeutscher – bei Wahlen bereits die damaligen nationalsozialistischen Listen gewählt, "die meinen Ansichten voll entsprachen". Im März 1934 sei er gezwungenermaßen der Vaterländischen Front beigetregten. Im Frühjahr 1938 stellte er konsequenterweise ein Ansuchen um Aufnahme in die NSDAP, dem tatsächlich am 1. Januar 1940 Erfolg beschieden war."

1948 wurde Diller in den Personalstand des Bundesministeriums für Justiz der Republik Österreich übernommen und zum Oberlandesgerichtsrat befördert. 1951 bemühte sich Diller offenbar um eine Vorrückung in die nächst höhere Standesgruppe der Richter, wobei er in diesem Zusammenhang die geballte Unterstützung von SPÖ, BSA und SPÖ-Klubobmann Dr. Bruno Pittermann genoss.

Seine Tochter Elisabeth Pittermann, Exvizepräsidentin des BSA hat ihren Ärger in einem Interview mit der Wiener Wochenzeitung "Falter" (Nr. 5/05 vom 2.2.05) geäußert: "Also, ich habe nach Erscheinen des Berichts im BSA gleich losgepfaucht und verstehe auch die Empörung des Leopold Gratz!" Dann unterstellt sie: "In dem Buch wird die SPÖ ja streckenweise dargestellt, als wäre es ihre größte Leidenschaft gewesen, ehemalige Nazi in hohen Positionen zu bringen."

Im Buch werden sehr zurückhaltend Tatsachen berichtet. Leidenschaft unterstellen die Autoren der SPÖ nicht. Sie haben akribisch die historischen Umstände geschildert, die zu dieser Integration geführt haben. Elisabeth Pittermann: "Dabei werden sogar Leute angepatzt, die vorher im Widerstand waren, wie etwa Adolf Schärf. Als wäre er der größte Nazifreund aller Zeiten und ein Judenhasser gewesen!"

Ich habe das Buch gründlich gelesen. Nirgendwo wird Adolf Schärf unterstellt, er wäre der "größte Nazifreund aller Zeiten und ein Judenhasser gewesen." Hingegen belegen die Autoren ganz genau, wie Dr. Adolf Schärf ehemaligen Nationalsozialisten protegierte. Mit keinem Wort wird im Buch Dr. Schärf Judenhass unterstellt, aber die Autoren gebrauchen ein sanftes Understatement: "Die Parteiführung der SPÖ, allen voran Dr. Adolf Schärf und Oskar Helmer, unternahm nach 1945 so gut wie keine Bemühungen, die vertriebenen Parteifunktionäre zurückzuholen....". Unter den vielen von den Autoren angegebenen Quellen dafür fehlt das 1948 in London veröffentlichte Buch von Julius Braunthal "The Tragedy of Austria", in dem der bewährte sozialdemokratische Funktionär diese Politik der Nichtzurückholung explizit erwähnt. Baunthal schildert auch, dass der Nazibürgermeister von Wien (Neubacher) nach dem "Anschluss" einigen "arischen" sozialdemokratischen Politikern zusicherte, es würde ihnen nichts passieren und sie auch nicht ihre Weltanschauung ändern brauchten, sie sollten nur das NS-Regime nach seinen Taten beurteilen. 1938 bekamen sie ja reichlich Gelegenheit die Taten des Regimes zu beurteilen. Trotzdem fanden nur ganz wenige und die meisten auch nur knapp vor Kriegsende ihren Weg zum Widerstand. Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Das Verhalten von Karl Renner, Adolf Schärf und Oskar Helmer während der Zeit der NS-Herrschaft sollte aber noch von Historikern untersucht werden.

Elisabeth Pittermann weiter im Falter-Interview: "Und was soll Christian Broda schon für die Nazis übrig gehabt haben? Er hatte doch selbst jüdische Vorfahren, worüber man in den Siebzigern aber peinlich schwieg." Wieso Elisabeth Pittermann die jüdische Abstammung glaubt erwähnen zu müssen, ist mir ein Rätsel, als ob die Tatsache, dass Kreisky in den Augen der Nazi ein "Volljude" war, diesen gestört hätte, sich vor ehemalige Nazi und sogar einen SS-Obersturmführer hinzustellen. Natürlich waren "jüdische Vorfahren" ein Argument, das die politischen Gegner der SPÖ gegen Broda gebraucht haben und auf diese Flüsterpropaganda konnte die SPÖ auch nicht antworten, war ja ein großer Teil ihrer Wähler ungefähr so antisemitisch eingestellt, wie der Rest der Bevölkerung, immerhin meinten nach einer Umfrag 1968 noch 43 der Befragten, dass ein Jude, der sich als Österreicher bekennt, nicht als richtiger Österreicher angesehen werde.

Christian Broda hat tatsächlich eine führende Rolle bei der Integration von Nazi gespielt und das ist im Buch hinreichend dokumentiert. Brodas Politik der Protegierung von auch schwer belasteten Nazis und der Einstellung der Verfahren wegen NS-Verbrechen kann nicht mit seinen jüdischen Vorfahren entschuldigt werden.

Völlig lächerlich macht sich Elisabeth Pittermann, wenn sie den Historikern vorwirft, sie würden "der historischen Rolle mancher Menschen nicht gerecht, wohl weil sie von dieser Zeit sehr wenig aus erster Hand wissen." Tatsächlich wurden Dr. Wolfgang Neugebauer 1944 und Mag. Peter Schwarz 1966 geboren. Wir haben solche Hinweise bereits während der Wahlkampagne Kurt Waldheims gehört. Ein Novum ist, dass auch eine sozialistische Politikerin so etwas von sich gibt. Denn würde man ihr folgen, dann könnte man fast alle Universitätsinstitute, die sich mit Geschichte befassen auflösen, schlussendlich welcher heute lebender Historiker hat Kenntnisse aus "erster Hand" über die Französische Revolution und das Mittelalter?

Frau Pittermann gehört nicht zu den Sozialisten, die den Nationalsozialismus weniger schrecklich fanden als den Ständestaat, das ist schon ein Fortschritt. Doch ihre Behauptung "Man befürchtete, dass die Partei [SPÖ] von der ÖVP eines Tages wieder so behandelt werden könnte wie in der Ersten Republik" zeigt, dass Frau Pittermann dies vielleicht aus "erster Hand" hat, aber auch, dass solche Gefühle der Furcht in der Zweiten Republik nichts mit der Realität zu tun hatten. Eher soll damit begründet werden, weshalb so viele Sozialdemokraten nach 1934 ihren Weg zu den Nationalsozialisten fanden.

Man weiß nicht, soll man weinen oder lachen, wenn man folgende Bemerkung von Frau Pittermann liest: "Fast alle die im Widerstand waren, haben irgendwann einmal Hilfe von einem hochrangigen Nazi bekommen, um überleben zu können."

Die Zahl der aus politischen Gründen inhaftierten ÖsterreicherInnen dürfte – grob geschätzt auf der Grundlage von Gestapoberichten und Gerichtsurteilen – in der Größenordnung von etwa 100.000 gelegen sein. Dass fast alle irgendwann einmal Hilfe von einem hochrangigen Nazi bekommen haben sollen, ist hanebüchen. Die WiderstandskämpferInnen hatten ihre gesamte Existenz und ihr Leben riskiert, die Nationalsozialisten hingegen genossen alle Vorteile einer die alleinige Macht ausübenden Staatspartei. Dass hie und da, insbesondere seit dem es klar wurde, dass das Dritte Reich untergehen wird, ein hochrangiger Nazi einem Verfolgten half, wird nicht in Abrede gestellt. Doch soll gerade heuer an die mindestens 2.700 ÖsterreicherInnen erinnert werden, die als aktive WiderstandskämpferInnen zum Tod verurteilt und hingerichtet wurden. Die drei Gründungsparteien beriefen sich 1945 auf den Widerstand, doch die weitere politisch-gesellschaftliche Entwicklung Österreichs stand freilich nicht im Zeichen der WiderstandskämpferInnen und NS-Opfer, sie wurde von der Generation der Kriegsteilnehmer und ehemaligen Nationalsozialisten dominiert.

In einem Land, in dem es kaum demokratische Traditionen gab und das Denken der Mehrheit vielfach autoritär geprägt war, in dem es keine wirksame antifaschistische Umerziehung oder Umorientierung gab, entstand ein "Antisemitismus ohne Antisemiten". Es erfolgte keine Aufarbeitung (und Überwindung) des bestehenden Antisemitismus als Vorurteil, und er wurde immer wieder – hauptsächlich, aber nicht immer, implizit – als politische Waffe von Politikern und Medien eingesetzt.

Eine Politik, die nur kurzfristigen taktischen Gewinn zum Ziel hat, der es an strategischer Vision mangelt, die sich fast immer nur nach den letzten Meinungsumfragen richtet, die sogar bereit ist noch heute die Integration von NS-Tätern und weitgehende Kompromisse mit dieser "Gesinnungsgemeinschaft" zu rechtfertigen muss langfristig scheitern.

Verdrängung, Schuldabwehr bis zur Rechtfertigung von NS-Maßnahmen bis zur Schuldumkehr charakterisieren das Nachkriegsösterreich. 60 Jahre nachdem 30.000 Alliierte Soldaten nur in Österreich gefallen sind, um dieses Land von der NS-Herrschaft zu befreien, sollten alle demokratischen Parteien in Österreich kritisch prüfen, warum die österreichische Gesellschaft gegen Antisemitismus und autoritär-rechtsextremistische Tendenzen nicht verlässlich immunisiert ist.

Quellen:
Martin van Amerongen: KREISKY und seine unbewältigte Gegenwart, Styria Verlag, Graz 1977
Barbara Kaindl-Widhalm: Demokraten wider Willen? Autoritäre Tendenzen und Antisemitismus in der 2. Republik, Verlag für Gesellschaftskritik Wien, 1990
Wolfgang Neugebauer, Widerstand und Opposition, in NS-Herrschaft in Österreich, öbv und hpt Wien, 2000.

hagalil.com 07-02-2005

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved