Von Clemens Heni
Der TV-Moderator und ausgebildete Theologe Gert Scobel (Jg.
1959), Moderator der bekannten 'Kulturzeit' auf 3sat, die wochentags um
19.20 Uhr zu sehen ist, bezieht sich - um ein beliebiges Beispiel dieses
TV-Lieblings anzuführen - in der taz am 7.3.2003 auf Richard Wagners
Tannhäuser um die 'dekadente Schlagerparade' im Fernsehen abzulehnen.(1)
Dabei merkt dieser Preisträger des Deutschen Fernsehpreises von 1999 und
3sat Anchorman Scobel womöglich gar nicht, daß seine bildungsbürgerliche,
typisch deutsche Liebe zu Wagner mit der der Palästinenser und Hany
Abu-Assads, den er so freudentrunken am 16. Februar in Kulturzeit auf 3sat
interviewte, zum Tod der Juden als Opferung und zur Erlösung der Attentäter
in direktem Kontext steht.
Wie der Historiker P. L. Rose feststellte, ist ein Grund
"weshalb in Wagners Opern keine Juden vorkommen, der, daß diese Musikdramen
Erlösungsparabeln sind und in ihnen kein Platz für Juden ist, für die es
keine wirkliche Erlösung geben kann. (...) Wotan, Tannhäuser, der Holländer
und schließlich Parsifal sind allesamt Wanderer und spiegeln die
prometheischen Aspekte des Mythos vom Ewigen Juden wider, der seit Goethe
zum festen Motivbestand der Romantik gehörte." (2) So wenig wie bei Wagner
kommen in PARADISE NOW Juden vor, sie werden zwar am Ende ermordet, aber sie
kommen als Subjekte überhaupt nicht vor. Der Film strotzt nur so von
Einseitigkeit, der Fokus ist der der Täter, der Palästinenser, die ja gerade
seit der andauernden Intifada von 2000 von den deutschen und europäischen
Medien ohnehin als die Opfer charakterisiert werden im Hetzen gegen Israel
und die Juden. Möllemann läßt schön grüßen.
Wenn Scobel am 22.7.2004 in seiner Sendung delta fragt "Das
Heilige und die Gewalt - Brauchen wir Rituale? Religiöse Riten als
transformierendes Element der Gesellschaft" (3) zeigt sich bereits hier eine
geistige Verwandtschaft zwischen Scobel und dem Regisseur von PARADISE NOW,
Hany Abu-Assad. Er antizipiert hier schon sein Interview mit diesem
Drehbuchautor und Regisseur.
Scobel mal ganz anders und doch immergleich: "Religion hat es
schwer. Sie war mal für den Glauben, für Seele und Sinn verantwortlich. Im
Fernsehen läuft derzeit eine Werbung, die festhält, was geschehen ist:
'Nutella ist für die Seele.' Eine Nussnougatcreme erklärt sich für die Seele
zuständig".(4) Ist denn eine gut schmeckende Nußnougatcreme nicht mehr wert
als Religion und Sinn? Zudem ist die Zeitschrift "DU" für Scobel
"unmittelbare Ansprache" (5), als ob nicht die Gesellschaft je als
vermittelte dem Einzelnen sich darbietet. Gert Scobel ist gegen Nutella und
gegen Schlagermusik, jedoch fürs antisemitische Gesamtkunstwerk Wagners, für
Religion, Rituale, Opfer und PARADISE NOW.
Ob solch geballter Ladung Affirmation herrschender Zustände ist
es naheliegend, daß Gert Scobel für den Adolf-Grimme-Preis 2005
vorgeschlagen wurde, der im März vergeben wird.(6) Ob das Interview mit dem
suicide bomber-Fan Hany Abu-Assad Scobels TV-Karriere trüben wird, ist mehr
als unwahrscheinlich: in Deutschland gilt der Antizionismus/Antisemitismus
gleichsam als Entréebillet. Dann stehen die Tore von NDR oder WDR weit
offen. Auch das ZDF mit dem notorischen Anti-Amerikaner Claus Kleber freut
sich.
Doch das am Mittwoch, gestern, gesendete live-Interview mit
Hany Abu-Assad über PARADISE NOW übertrifft doch noch so manches. Ganz
glücklich darf Abu-Assad erzählen: er habe viele "Gespräche mit suicide
bombern gehabt", die ihm das wirkliche Leben dieser Menschen näher gebracht
hätten. Um "Probleme zu lösen, müsse man zu den Menschen selbst gehen". Er
sei "Pazifist" und gegen das "Töten", "egal ob es vom Militär oder vom
Terror oder so komme." Die gezielte Gleichsetzung von strategischen,
begrenzten, demokratisch geplanten und legitimierten Maßnahmen zur
Verhinderung von Terrorattacken und Mordanschlägen durch die IDF mit den auf
Vernichtung von Juden zielenden palästinensischen Angriffen ist untragbar.
Daß der TV-Moderator das nicht nur durchlässt sondern geradezu ersehnte mit
seiner Anmoderation von wegen einem "exzellenten Drehbuch", verwundert
jedoch nicht mehr.
Er läßt Abu-Assad die pure Ideologie des suicide bombing
erzählen; Auf die Frage, wie das mit der Szene der Videos sei, die vor den
Morden der Attentäter aufgenommen werden, wo doch die Kamera mehrfach
versagt und die Leute Fladenbrot essen, zwischendurch etc., sagt Abu-Assad:
"And believe me – in reality it is much more funnier" (beide lachen
herzlich). Viel lustiger als im Film ist also die Wirklichkeit in der
Westbank, wenn sich die Palästinenser auf das Töten von Juden vorbereiten.
Was würde passieren wenn ein NPD-Fraktionsmitglied aus dem sächsischen
Landtag, in einem Interview mit Anne Will von den Tagesthemen sagen würde:
"Die Realität unserer Kameradschaftstreffen, wo wir planen, welche
Flüchtlinge, welche Synagoge und welche Antifas wir nächste Woche zu Tode
prügeln, anzünden oder abstechen, diese Realität ist ur-komisch, wir hören
Oi-Musik, trinken etwas, lachen, klopfen uns auf die Schenkel etc". Was,
wenn ein Nadelstreifen-Neonazi so reden würde, also mit der Wahrheit
herausrücken würde wie Abu-Assad? Das wäre ein Aufschrei von SPD bis CSU,
die Will müsse gehen, so eine Hetze von Nazis durchgehen zu lassen etc.
Diese Hetze ist gesendet worden, Abu-Assad sagt, er habe mit
Menschen gesprochen, die vorhatten ein Attentat zu machen. Er läßt das
Publikum teilhaben an den religiösen Waschungen zur Vorbereitung eines
Selbst- und Massenmörders. Dann, wiederum lachend, wird Abu-Assads Aussage
"Das Töten nicht in eine so böse Ecke zu stellen" sei Motivation für den
Film gewesen, stehen gelassen; ja noch mehr herausgekitzelt aus diesem
Filmemacher: "um überleben zu können, töten die Menschen seit Tausenden von
Jahren". Abu-Assad betreibt eine entpolitisierende Anthropologisierung.
Schließlich – und dieser Wahnsinn ist nicht zu überbieten –
geht es in dem Film PARADISE NOW, so Abu-Assad, darum zu zeigen, "wie die
Menschen überleben können in so einer Situation" – nämlich nur als suicide
bomber, denen "Respekt" gezollt werden müsse, denn auch "das Üble ist ein
Bedürfnis" (Abu-Assad) in diesem "absolut beeindruckenden Film", mit seiner
"dokumentarischen Kraft" und den "starken Charakteren" (Scobel). Auf der
Pressekonferenz am Montag, 14.02.2005, sagte Abu-Assad: "Die Besetzung durch
Israel ist es, was die Palästinenser zwingt, das zu tun, was sie tun."
Ein Palästinenser kann demnach nur überleben indem er sich
selbst und vor allem viele Juden umbringt.
Anmerkungen: