Originalzitate israelischer Scharfschützen
von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 19. Februar 2005
Nachfolgende Zitate dienen als Grundlage für eine
wissenschaftliche Forschung von Professor Eyal Ben Ari über Scharfschützen
und ihren Umgang mit dem Töten. Ben Ari stellte seine noch unveröffentlichte
Arbeit "unter Ausschluss der Presse" vor. Die Zitate werden hier mit seiner
Genehmigung zum ersten Mal veröffentlicht.
Fallschirmspringer: "Scharfschützen sind beim Einsatz unentbehrlich."
Fallschirmspringer: "Meine Scharfschützeneinheit hat nur einmal einen
Menschen getötet. Zwei Tage lang war ich im Schock. Sonst hatten wir noch
keine Chance zu töten. Ich dachte, ich würde im Feld aufgeregter sein.
Danach hat man Zeit zum Nachdenken. Plötzlich kapiert man, dass man einen
Menschen getötet hat."
Infanterie: "Ich begann zu lesen. Ich bin nicht verrückt geworden. Ich las
alles Mögliche über spirituelles Erwachen. Danach wandelte ich mich. Ich
wurde ein besserer Mensch, hilfreicher, rücksichtsvoller, weniger zornig."
(Ben Ari: die Erfahrung des Tötens relativiert das tägliche Leben)
Infanterie: "Ich klinge vielleicht verklemmt. Ich dachte über seine Familie
nach, seine Freunde. Er war in meinem Kopf ständig präsent. Er war ein
Hamasnik. Der trug nicht nur eine Waffe. Er kam nicht, um Spielchen zu
spielen." (Ben Ari: Beispiel für Dämonisierung)
Ausbilderin: "Sie tun eine echt wichtige und harte Arbeit. Das erste Mal,
nachdem sie getötet haben, kommen sie und erzählen uns, dass es nicht leicht
für sie war, wenn sie den toten Mann gesehen haben. Sie sehen den Toten wie
mit dem Vergrößerungsglas. Einige haben nachts Albträume. Aber wenn sie
weiter machen, geht das irgendwie vorüber."
Spezialeinheit: "Grundsätzlich verstehen wir, dass da ein Mann mit einer
Waffe ist, der angreifen will, um unschuldige Zivilisten umzubringen. Dann
tut es uns nicht leid. Selbst wenn es uns zwickt, wenn seine Freunde und
seine Frau schreien und weinen. Gewiss hat er Freunde und solche, die ihn
lieben. Ich bin sogar sicher, dass er ein guter Mensch ist. Er tut das aus
ideologischen Gründen. Wir haben aus unserer Sicht das Töten von
Unschuldigen verhindert. Deshalb tut es uns nicht leid."
Fallschirmspringer: "Ich traf ihn in den Kopf. Das erste Mal ist das nicht
so schön...all das Gehirn. Es war ganz kaputt. Auf der anderen Seite
herausgeflogen. Wenn die Kugel einen Kopf trifft, entsteht nur ein winziges
Loch. Aber auf der anderen Seite fehlt der halbe Kopf. Beim ersten Mal ist
das schwer zu ertragen. Es ist hart zu sehen, wie ein Mann hinfällt, mit
explodiertem Gehirn. Jede Person, die man tötet, ist auch ein Mensch. Aber
wir müssen es tun. Entweder ist er ein Terrorist, der unsere Frauen und
Kinder töten wird oder er will sich in unserem Land sprengen. Wenn wir ihn
runterholen, kann er das nicht mehr tun. Ganz einfach. Weniger Bürger werden
getötet. Deshalb müssen wir es tun. Irgend jemand muss es tun. Es ist
schwer, einen Menschen zu töten."
Fallschirmspringer: "Nach dem Schießen kehrten wir in unsere Stellung zurück
und begannen nachzudenken. In der Nacht kamen sie, die Leichen wegzutragen.
Die Mütter weinten neben den Toten und auch die Kinder. Ja, wenn man darüber
nachdenkt, angesichts der weinenden Mütter und Kinder, neben den beiden
Terroristen, die Moschee im Hintergrund, dann versteht man nicht richtig,
was da vor sich geht. Dann fragt man sich, warum? Die waren doch bewaffnet.
Die schießen auf Menschen. Dann denkst du an die Sicherheitslage im Land und
denkst an die Mütter in Israel, die genauso ihre (toten) Kinder beweinen. Da
gibt es Terroranschläge auf Busse. Wir haben hier zwei getötet und dort sind
sechzehn Menschen (in Israel) an einem Tag getötet worden."
Infanterie: "Der Ausbilder sagte uns, dass ein Scharfschütze wie Gott ist.
Er entscheidet, wer leben darf und wer im Schlachtfeld sterben muss. Das ist
ein gewagter Spruch, aber er entspricht der Realität vor Ort."
Infanterie: "Die Waffe spielt die gleiche Rolle wie Gott. Du schaust durch
das Zielfernrohr und siehst den Mann und weißt, dass dies seine letzten
Augenblicke sind. Er weiß nicht einmal, dass du da bist."
Infanterie: "Ich habe das Ziel markiert und weiß, dass nur ich schieße und
zweifelsfrei treffe. Alle Anderen warten auf das Ergebnis Deiner Arbeit.
Wenn sie erfolgreich ist, ist es ein gutes Gefühl. Man fühlt sich viel
besser, als wenn ein ganzer Haufen (Soldaten) losschießt und niemand weiß,
wer getroffen hat."
Infanterie: "Aus meiner Sicht ist da ein Ziel, ein Objekt, das meine
Soldaten gefährdet. Das Objekt ist der Feind. Den neutralisiere ich. Das
klingt wie freudianische Verdrängung. Hör zu, ich weiß was ich tue und
glaube daran. Ich versuche, nicht daran zu denken, dass es ein Mensch ist.
Ich neutralisiere ihn. So kann er jetzt oder in der Zukunft nicht mehr tun,
was er tut. Ich sehe ihn durch das Zielfernrohr. Das ist fast so, als würde
man Fernsehen schauen. Natürlich kann ich differenzieren, weil dies hier
Wirklichkeit ist. Aber der Blick durch das Zielfernrohr macht die Dinge
weniger menschlich." (Ben Ari: Entmenschlichung als Schutzmechanismus)
Infanterie: "Ich ziele auf den Schenkel, unterhalb der Hüfte. Normalerweise
zielen wir auf die Unterschenkel. Aber der Mann saß so da, dass ich ihn
gefährdet hätte. Die Kugel hätte sein Herz oder den Magen getroffen. Und
dann sah ich, wie der Mann umkippte durch die Wucht der Kugel und sein Bein
anpackte." (Ben Ari: Wie Ärzte "ein Herz" oder "ein Knie" operieren, so
"zerlegen" Scharfschützen ihre Opfer geistig in Körperteile. Eine Form der
Entmenschlichung)
Infanterie. "Wenn wir einen (palästinensischen) Scharfschützen vor uns
haben, dann ist das wirklich sehr beängstigend. Ich verstecke mich hinter
Steinen oder hüpfe möglichst professionell herum. Aber wenn das Gegenüber
nur ein AK-47 (Kalaschnikow) hat, ist es nicht so schlimm. Der kann bei mehr
als 100 Meter nicht richtig zielen."
Scharfschütze in der West Bank: "Nein, da gibt es keinen Hass. Ich hasse
keine Menschen. Da wird ein Mensch verhaftet, weil er ein Selbstmordattentat
verüben will. Dann siehst du ihn mit Handschellen, ganz normale Handschellen
und sagst Dir: "Das ist auch nur ein ganz normaler Mensch. Der sieht nicht
böse aus." Du empfindest da keinen Hass, obgleich Du weißt, dass es ein
Suizidbomber ist. Es sind Menschen. Ich betrachte Araber als Menschen und
hasse sie nicht. Jeder hat seine eigene Wahrheit. Ich will auch keinen von
ihnen töten. Aber sowie einer sich auf dem Weg zu einem Terroranschlag
macht, mit einer Waffe in unser Gebiet kommt, dann erschieße ich ihn ohne
Schuldgefühle. So ist die Lage hier in unserem Land."
Zunehmend durchsichtiger:
Israelische Scharfschützen
"Was hat die israelische Armee noch zu
tun, sowie der Friede ausbricht." Diese Frage wurde dem Forscher Eyal Ben
Ari nach dem Rückzug aus Südlibanon im Mai 2000 gestellt...