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Guter Zuhörer und Menschenkenner:
Zum Besuch von Horst Köhler
Von Ulrich W. Sahm
Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler wurde
in Israel unbefangener und freundlicher aufgenommen, als es die
Diskussion in Deutschland um seine deutschsprachige Rede in der
Knesset hätte vermuten lassen. Überall begegnete er "Jekkes", aus
Deutschland geflüchteten Juden. Die waren froh, mit ihm in Deutsch
zu reden.
Die Jekkes pflegen bis heute ihr Thomas-Mann-Deutsch und leben in
einer untergegangenen Welt, wie sie nur in Israel überlebt hat: Das
Berlin der dreißiger Jahre. "Ich war verblüfft, mit welcher Freude
die Leute die guten Wurzeln der deutschen Kultur bewahren", sagt
Köhler beim Konzert im neo-byzantinischen YMCA-Gebäude, wo das aus
Deutschland eingeflogene "Kuss-Quartett" aufspielte. Nur für diesen
Abend wurde es in "Kiss-Quartett" umgetauft, weil "Kuss" im
Hebräischen ein sehr unanständiges Wort ist.
Der Abstecher nach Sderot konfrontierte ihn mit dem Terror
palästinensischer Kassamraketen. Nur zehn Meter von einem
Kindergarten entfernt sind sie da eingeschlagen und haben ein Kind
mit seinem Opa getötet. Köhler begegnete schluchzenden Opfern des
Terrors, so auch jenen Mann, der vor zwei Wochen seine Tochter durch
eine Kassamrakete verloren hatte. Zweimal wandte sich Köhler an
diesen Mann und drückte ihm wortlos die Hand. Unter diesem
unmittelbaren Eindruck stehend und nicht nur auf Rat seiner
Redenschreiber sagte Köhler in der Knesset: "Der Terror muss ein
Ende haben. Selbstmordattentate sind Verbrechen, für die es keine
Rechtfertigung oder Entschuldigung gibt."
Köhler erwies sich als guter Zuhörer und Menschenkenner. Der von ihm
ständig erwähnte Holocaust, verknüpft mit den Terroranschlägen auf
Busse und Restaurants, befähigte ihn, eine wesentliche
Grundeinstellung der Israelis zu verstehen.
Delegationsmitglieder erzählten von einem "frostigen" Gespräch mit
Premierminister Scharon. Der habe gleich dreimal betont, dass Israel
zu jeder Konzession bereit sei, nur in Fragen der Sicherheit werde
es keinerlei Abstriche geben. Bei Köhler dürfte Scharon jedoch eher
Respekt erzeugt haben, gerade weil er so ungewöhnlich deutlich
wurde. Scharon präsentierte sich ihm als verlässlicher Partner, der
es sich zum Lebensziel gesetzt habe, seinem Land Frieden zu bringen.
Zum Abschied hat Scharon nach Aussage von Delegationsmitgliedern
seinem deutschen Gast erklärt, dass er ein "Bauer" sei, auf einer
Farm aufgewachsen. Das war wohl kaum als Affront gemeint, sondern
deutet eher darauf hin, dass beide Männer in kurzer Zeit eine
Beziehung aufbauen konnten.
Laut Zeitungsberichten sei der Verkauf von U-Booten und deutschen
Panzerfahrzeugen ein zentrales Thema bei den Gesprächen gewesen.
Israelische Diplomaten, die an den Gesprächen teilnahmen,
dementieren. "Der Bundespräsident ist dafür nicht der richtige
Ansprechpartner." Nur am Rande, beim Cocktail im King David Hotel,
fragte ihn ein hoher israelischer Offizier nach den U-Booten,
während andere zuhörten.
Die vielen unmittelbaren Begegnungen mit den Menschen waren für
Köhler offenbar sehr wichtig. Am Freitag Morgen, in der
Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg hörte er den Zivis, Volontären und
deutschen Kirchenvertretern sehr genau zu, als sie ihre Arbeit im
Heiligen Land und auch ihre kleinen Nöte schilderten. Sehr
eindringlich schilderte der 24 Jahre alte Matthaeus Friedrich aus
Bamberg in Nordbayern seine Arbeit in einem Altenheim für
palästinensische Frauen. "Durch Präsenz und Nicht-Abhalten lassen
von den vielen Negativ-Schlagzeilen, wie wir sie aus den Medien
kennen, sehe ich für die Menschen hier und gerade auch in Palästina
eine Chance für eine gemeinsame Zukunft." Der Bundespräsident griff
das auf und forderte die anwesende Presse auf, den Gesprächen mit
den deutschen Christen in Jerusalem "zu großer Verbreitung zu
verhelfen".
Bei einem geschlossenen Gespräch mit Kirchenvertretern erfuhr Köhler
von Kontakten mit orientalischen Christen, vom christlich-jüdischen
Dialog und dem großen Wissen um Dinge, die in Deutschland kaum
bekannt sind. Zuvor, bei den High-Tech-Firmen und bei den
Forschungsinstituten mit "brillanten Analytikern" begegnete Köhler
der "Offenheit gegenüber Innovationen". Gegenüber den Kirchenleuten
äußerte er angeblich das Wort: "Da ist Deutschland ein Brachland.
Was gibt es schöneres, auch für Deutschland, von den Israelis
dazuzulernen."
hagalil.com
04-02-2005 |
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