Von Bernard Schmid, Paris
Die Rückkehr der "Nummer Zwei" des Front National, Bruno
Gollnisch, auf seinen Lehrstuhl für japanisches und internationales Recht an
der Universität Lyon-III dauerte am vorigen Mittwoch nicht sehr lange.
Nunmehr findet Gollnisch sich gleich für ein Jahr aus dem Dienst entfernt,
und will erneut die Gerichte dagegen bemühen. Dieses Mal dürfte er geringe
Chancen haben, durchzukommen.
Rückblende: Gollnisch hatte bei einer Pressekonferenz am 11.
Oktober 04 die Existenz der Gaskammern und die Zahl der Toten des Holocaust
(indirekt, aber deutlich) in Frage gestellt. Daraufhin hatte der Rektor der
Lyoner Hochschulen, Alain Morvan, ihn Anfang November für einen Monat vom
Dienst suspendiert. Zugleich wurde der Disziplinarausschuss angerufen, der
seine Entscheidung Ende Februar 05 bekannt geben wird.
Als die vorläufige Suspendierung Anfang Dezember zu Ende ging,
kehrte Gollnisch an die Hochschule zurück. Dort riefen mehrere studentische
Vereinigungen (die Studierendengewerkschaft UNEF, die Union jüdischer
Studenten UEJF und die antifaschistische Vereinigung Hippocampe) zu
Demonstrationen gegen seine Anwesenheit auf. Deswegen wurde, wegen des
Risikos einer "Störung der öffentlichen Ordnung", Gollnisch erneut vom
Dienst suspendiert. Doch am 14. Januar hob der Conseil d¹Etat, das oberste
Verwaltungsgericht, diese Maßnahme auf. Das Hauptargument dabei war,
Gollnisch brauche sich nicht das Verhalten seiner GegnerInnen anrechnen zu
lassen; das durch die Verwaltung geltend gemachte Störungsrisiko gehe aber
(deren Darstellung zufolge) von den Gollnisch feindlich gesonnen
Gegendemonstranten aus. Davon unberührt sei die noch ausstehende
Entscheidung des Disziplinarausschusses gegen Gollnisch, der seinerseits
Sanktionen aussprechen könne.
Doch dieses Mal kehrte Gollnisch nicht allein an die
Universität zurück, wo ihn 50 TeilnehmerInnen einer friedlichen Sitzblockade
vor dem Hörsaal erwartete. Gollnisch hatte ein halbes Dutzend
kurzgeschorener junger Männer im Gefolge, die ihrerseits vor dem (bereits
von Ordnungskräften der Universität bewachten) Hörsaal Stellung bezogen.
Mehrere von ihnen dürften eindeutig keine Studierenden der Hochschule
Lyon-III sein.
Auszüge aus einem Stimmungsbericht der Tageszeitung "Libération" (vom 03.
Februar): "Sie (die Kurzgeschorenen) kontrollieren die Eintritte an der Tür
des Hörsaals. Einer von ihnen erklärt: <Wir sind da, um Bruno zu
beschützen>. Er sagt Wir und spricht dabei vom Front National, aber er
beeilt sich hinzu zu setzen, er sei 'vor allem als Student von Lyon-III
hier'. Ein anderer, älter und nervöser, läuft krakeelend herum. Er ruft
'Frankreich den Franzosen' und 'Schwulenbande', dann hebt er die Hand und
kündigt an, seine 'Backpfeifenmaschine' einzuschalten. Ein Student verlangt
eine Schweigeminute für die Toten der Deportation (im Zweiten Weltkrieg).
'Niemals!' brüllt einer der Rechtsextremen. Die (vor dem Hörsaal zwecks
Protest auf dem Boden sitzenden) Studenten stehen auf und rufen: 'Faschisten
raus aus der Uni!' und erinnern daran, dass Lyon-III offiziell auf den Namen
des Widerstandskämpfers Jean Moulin getauft ist" (der in Lyon 1943 durch
Klaus Barbie zu Tode gefoltert wurde).
Weiter hinten in dem Artikel erfährt man: "Während die Protestierenden
sich zerstreuen, kommen die Zivilpolizisten. Sie nehmen einen der
Rechtsextremen fest. Camille, eine bei Hippocampe aktive Studentin, sitzt in
demselben Polizeiauto, da sie als Zeugin mitgenommen wird, die über die
Gewalttätigkeiten gegen einen Studenten aussagen soll. 'Während der Fahrt
wurde er darüber verhört, warum er an die Universität gekommen sei. Er
erklärte, dass es Herr Gollnisch sei, der von ihm verlangte zu kommen'."
Drei Studierende wurden aus dem Anlass des Gerangels mit den
Rechtsextremen verletzt, einer von ihnen am Kopf. Später am Tag wurden noch
einige der Rechtsextremen, die nach vollbrachter Tat und einiger Zeit des
Wacheschiebens vor Gollnischs Hörsaal, in einem nahen Bistro mit Tränengas
besprüht. Nach Angaben der Rechtsextremen ging die Initiative dazu von
Studenten jüdisch-nordafrikanischer Herkunft aus.
Dieser Auftritt Gollnischs und seiner Handlanger kam bei den
Hochschulbehörden nicht sehr gut an. Dieses Mal war es der französische
Bildungsminister François Fillon persönlich, der Gollnisch von Paris aus vom
Hochschuldienst suspendierte, nachdem er durch den Universitätsdirektor Guy
Lavorel alarmiert worden war. Das Lehrverbot ist für eine Höchstdauer von
einem Jahr ausgesprochen. Bei diesem Mal hat man auch dafür gesorgt, dass
eine Vertretung für die Lehrveranstaltungen vorhanden ist und Gollnisch sich
nicht darauf berufen kann, "seine" Studenten seien die Leidtragenden.
Am Donnerstag (3. Februar) leitete Gollnisch eine Pressekonferenz am
Parteisitz des FN im Pariser Vorort Saint-Cloud. Dabei stellte er sich
erneut als "politisch Verfolgten" hin, da er "ein wichtiger Politiker einer
Oppositionspartei" sei und da er "den Justizminister Dominique Perben (2008)
daran hindern könne, Oberbürgermeister von Lyon" zu werden. Gollnisch will
erneut den Conseil d¹Etat bemühen und ferner Klage gegen den Rektor der
Lyoner Hochschulen, Alain Morvan, erheben. Bei einer Feier zum 60. Jahrestag
der Befreiung der Überlebenden von Auschwitz hatte Morvan Ende Januar
verlangt, Gollnisch solle "aus dem öffentlichen Dienst geworfen und mit
Lehrverbot belegt" werden.
Unerwartete Unterstützung fand Gollnisch bei einem Herrn der so genannten
feinen Gesellschaft: bei Raymond Barre, der früher Oberbürgermeister von
Lyon und (von 1976 bis 81) französischer Premierminister war. Barre, der
ebenfalls Hochschullehrer ist, erklärte am 3. Februar im Parlamentsfernsehen
zwar zunächst, die extreme Rechte ziehe "Grundwerte ins Lächerliche". Doch
er fügte hinzu: "Ich kenne Herrn Gollnisch gut, das ist ein Kollege. Er
lässt sich manchmal von einer exzessiven Sprache mitreißen, aber er ist eine
anständige Person. Er macht Äußerungen... aber ich würde sagen, das
entwischt ihm. Im Grunde glaube ich nicht, dass er daran glaubt."