CDU und FDP halten an umstrittenem
Beschluß zum 8. Mai fest. Demagogie in Berliner Bezirksvertretung. Ein
Gespräch mit Karin Lau (SPD), stellvertretende Fraktionsvorsitzende der
SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf in
Berlin
Interview: Mark Querfurth
Junge Welt, 18.02.2005
F: Am Mittwoch scheiterte der Versuch von SPD und Bündnis 90
/ Die Grünen, den Beschluß der CDU/FDP-Mehrheit in der BVV vom Januar
zurückzunehmen, in dem es u.a. heißt: "Der 8. Mai 1945 steht neben der
Befreiung vom totalitaristischen Naziregime auch für den Schrecken und das
Leid der Bevölkerung, den die Rote Armee von Ostpreußen bis nach Berlin zu
verantworten hat." Dabei waren Sie in Ihrer Rede um Ausgleich bemüht – wäre
es möglich gewesen, ohne Gesichtsverlust den Beschluß zu korrigieren?
Ich hatte auf ein Einlenken einzelner Abgeordneter von CDU und FDP gehofft.
Die erste Tugend in einer solch sensiblen Frage ist Zivilcourage, und dazu
gehört, daß man bereit ist, Formulierungen zu revidieren, die sich als
falsch erwiesen haben. Bezirksbürgermeister Herbert Weber (CDU) und
insbesondere alle weiteren Redner der CDU-Fraktion haben wissentlich und in
Kenntnis der Sachlage trotz aller geäußerten Kritik die Debatte zur
parteipolitischen Auseinandersetzung genutzt, das halte ich für demagogisch.
Gerade bei der FDP dachte ich, daß wir noch etwas erreichen könnten, aber
das Ergebnis zählt und somit sind sie in ihrer Zählgemeinschaft mit den
Christdemokraten auch mitverantwortlich. In der jetzigen Beschlußlage sehe
ich die Bürgerinnen und Bürger des Bezirks nicht repräsentiert, das zeigen
die vielen Zuschriften. Der Kritik wird in keiner Weise Rechnung getragen.
F: Albert Meyer, Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, hatte
gesagt, es entstehe der Eindruck, daß die Bezirksverordneten "es Hitler
nicht übelnehmen, daß er den Krieg angefangen hat, sondern daß er ihn
verloren hat". Der CDU-Verordnete Torsten Hippe erwiderte in der Sitzung,
daß er von Meyer als Jurist mehr erwartet habe und Amt nicht vor Irrtum
schütze...
Es ist fahrlässig und die Arroganz eines Juristen, wenn Herr Hippe die
Auseinandersetzung auf der Ebene einer professionellen Zuordnung führen
will, anstatt die Betroffenheit von jemandem ernstzunehmen, der Menschen
repräsentiert und der – zu Recht – aus eigenem Erleben Kritik äußert.
Entlarvend fand ich, daß Herr Hippe sich selbst zitierte und dabei einfach
ein Wort ausließ "... letztlich wird es auch niemanden Ernstzunehmenden
geben, der sich bei Betrachtung der Konsequenzen gewünscht hätte, daß dieser
2. Weltkrieg von Hitler gewonnen worden wäre. Das wird es nicht geben. Weil
die Folgen für uns noch gravierender gewesen wären." In der ursprünglichen
Fassung heißt der letzte Satz "Weil die Folgen für uns wahrscheinlich noch
gravierender gewesen wären." Diese Rhetorik halte ich für kaltschnäuzige
Arroganz und berechnende Überheblichkeit.
F: Für Unruhe auf den Besucherbänken sorgte auch die Äußerung von Herrn
Hippe, Kritik am BVV-Beschluß vom 19. Januar 2005 sei ein "intellektuelles
Versailles".
Ich möchte die Äußerungen des Bezirksverordneten Hippe nicht weiter
kommentieren.
F: Wie geht es nun weiter in Steglitz-Zehlendorf?
Es ist nun Aufgabe des Bürgeramtes, den im Januar gefaßten Beschluß
umzusetzen. Da wir nichts über Schwerpunkte der Umsetzung gehört haben,
bleibt die Diskussion in den Ausschüssen abzuwarten. Für mich geht es darum,
ein würdiges Erinnern und Gedenken in den Mittelpunkt zu stellen und dem
einen angemessenen Platz einzuräumen. Es hat auf allen Seiten
unverschuldetes Leid gegeben, nur dürfen dabei auf keinen Fall die Ursachen
ausgeblendet werden. Es gilt, eindeutige Formulierungen zu finden und zu
differenzieren, wie die Kritik bewiesen hat. Bei der vielbeachteten
Weizsäcker-Rede vom 8. Mai 1985 hat es solche Mißverständnisse nicht
gegeben.
Falls auch Sie der Meinung sind, dass ein Gedenken an das
Ende der NS-Diktatur in Deutschland nicht übertönt werden soll, mit einer
gegen die Befreiungstruppen gerichteten Anklage, bitten wir Sie Ihre
Solidarität mit einem Schreiben der
Betergemeinschaft der Zehlendorfer Synagoge Hüttenweg zu bekunden.
Rund um den 60. Jahrestag des 8.Mai 1945:
Was ist eigentlich los in
Steglitz-Zehlendorf?
Begonnen hat alles, als die Berliner
Bezirksverordneten-Versammlung (BVV) von Steglitz-Zehlendorf über eine
Eingabe der PDS-Abgeordneten Wagner zu befinden hatte, die den 8. Mai im
Jahre 2005 als einen "Tag der Befreiung" zu begehen beantragte...
Ausserdem zum Thema
Antisemitische Denkmuster und Ressentiments:
Die Diskussion über die
"Jüdenstraße"
Vor gut zwei Jahren war es endlich soweit, 57 Jahre nach
dem Ende des Zweiten Weltkrieges führte man in Spandau den Namen
"Jüdenstraße" wieder ein, den die Nationalsozialisten - auf der Grundlage
ihres antisemitischen Weltbildes - getilgt hatten...
92 Biografien jüdischer Zeitzeugen:
Wir waren
Nachbarn
Eine Ausstellung im Rathaus Schöneberg...
Erinnerung in Deutschland
2005:
Es war
ja nicht alles schlecht bei den Nazis
Muldenstein - ein kleiner verschlafener Ort im Landkreis Bitterfeld hat zu
Ehren der Leistungen der IG-Farben sich einen zum Dorfbild passenden
Marterpfahl aufgestellt...
Gesine Schwan kritisiert
Auschwitz-Rede des Kanzlers:
Über die Hälfte der Deutschen
sind keine aktiven Demokraten
Die ehemalige Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten
hätte deutlichere Formulierungen gewählt...
Michel Friedman:
Mehrheit der
Deutschen nimmt die Gefahr durch den Rechtsextremismus nicht ernst
Friedman präzisierte im Tagesspiegel, seine vor kurzem im Fernsehen gemachte
Äußerung, wonach er sich immer häufiger die Frage stelle, ob es richtig sei,
„in diesem Land zu leben"...
Rechtsextreme an der Berliner Uni vor 1933:
Dr. cand. radau
Weit vor dem großen Jubiläum der
Humboldt-Universität beauftragte der Akademische Senat eine Arbeitsgruppe,
die sich mit dem Thema befassen sollte: "Die Berliner Universität und die
NS-Zeit. Verantwortung, Erinnerung, Gedenken"...
Eine globale Debatte:
Neuer
Antisemitismus?
Die Beiträge des Bandes kreisen um drei
Hauptfelder der Debatte über einen "neuen" Antisemitismus, die alle Bezug
zum Nahostkonflikt haben. Israel rückt ins Zentrum der
Antisemitismus-Diskussion und wird zum moralischen Gradmesser für Juden in
aller Welt...
Wer Sturm sät:
Die Vertreibung der
Deutschen
Veranstaltungsreihe "Zeitgenossen" geht mit Prof. Dr.
Micha Brumlik weiter Mittwoch, 23. Februar 2005, 19.30 Uhr, Stadtbücherei
Weimar...
Aus deutschen Landen:
Neuigkeiten aus Bitterfeld
Schwule Bürgermeister machen in Berlin Politik,
Scheinasylanten werden nicht sofort abgeschoben und die Politik in
Deutschland wird vom Zentralrat der Juden mitbestimmt...