Von Schimschi Zahubi
Das Bild des reichen Juden hat weltweit Bekanntheit erlangt. Durch die
Enteignung der jüdischen Vermögen konnte Deutschland mit der Eroberung der
Welt beginnen und auch nach dem verlorenen Krieg waren jüdische Vermögen
Grundlage vieler wieder auferstandener Unternehmen. Das nächste Klischee
waren die vermögenden jüdischen Amerikaner, die ihren Einfluss nutzten, um
die Invasion der Alliierten zu forcieren.
In diesen festgesteckten Rahmen passen verarmte Juden überhaupt nicht
hinein. Erst mit dem Niedergang großer Unternehmen, den Verlusten auf den
internationalen Börsen, den Kosten für kriegerische Auseinandersetzungen und
dem Anwachsen der weltweiten Arbeitslosigkeit lässt sich das Bild des
jüdischen Schnorrers, wie er im Stetl Osteuropas gut bekannt war, neu
ausmalen. Im Zuge der massenweisen Verarmung vieler Arbeitsloser sind auch
arme Juden nicht mehr undenkbar geworden.
Welche Rolle spielen jedoch Berichte über ruinierte Bürger des Staates
Israel ? Ist dies vielleicht eine neue Art von Antisemitismus ? Soll
dargestellt werden, daß die Geldgier von Juden derart skrupellos daherkommt,
daß sogar Glaubensgenossen unter ihr zu leiden haben? Oder galt das
Vorurteil des kapitalistischen Systems in Israel, wo Verarmung schon
deswegen undenkbar schien, zumal das gesamte Volk doch aus raffgierigen
Juden bestünde?
Ein Bericht im deutschen Fernsehen zeigte Einzelschicksale, wie sie
überall in der westlichen Welt zu finden sind. Warum also dieser Hinweis, es
würde in Israel auf Kosten der Armen gespart werden? Wo würde denn nicht auf
Kosten der Armen gespart? Sollte Israel verpflichtet sein, besser als andere
zu wirtschaften, besser als andere Länder mit seinen Problemen fertig zu
werden, eben als Gottes auserwähltes Volk auch in diesem Bereich ein Vorbild
zu sein? Wie kommen solche Ansprüche in die Köpfe der Autoren?
Nach der Schulung von Gott selbst und der Übergabe der Heiligen Schrift
mit der Aufgabe, die darin aufgelisteten Vorgaben an die gesamte Menschheit
weiter zu reichen mag wohl der Schluss impliziert sein, in allen Bereichen
des irdischen Daseins seine Überlegenheit auszuspielen. Doch schon während
der Judenverfolgungen im römischen Reich, den Verfolgungen der Inquisition,
der Vernichtung während des Dritten Reiches war klar geworden, daß jüdische
Sonderwege, um zu überleben, eher die Ausnahme darstellten. So sollte aber
auch verstanden werden, daß im Laufe weltweiter Entwicklungen auch Juden und
damit deren Staat Israel kaum Ausnahmerollen überlassen werden.
Wenn in allen Ländern der Erde gedarbt wird, dann eben auch in Israel.
Man sollte anerkennen, daß Israel ein leidlich normales Staatsgebilde
darstellt und die Wunder, die vom Himmel kommen, auch hier nur die große
Ausnahme darstellen. Man sollte erkennen, daß der enorm große Aufwand, seine
zivile Bevölkerung vor Angriffen der Nachbarn zu schützen, seinen Preis hat.
Man sollte anerkennen, daß Israel eine gigantische Leistung vollbracht hat,
daß es die Einwanderer aus den Ostblockstaaten integriert hat, daß ein
Rückgang in der Wirtschaftstätigkeit Israel stärker trifft als Staaten, die
weniger Ausnahmecharakter zeigen, der sie auf ihrem Weg ihre Bevölkerung zu
bewahren, beeinträchtigen könnte.
Ganz offensichtlich gilt es doch, durch diese Art der Berichterstattung
darzulegen, daß Juden ihren hohen, an sich selbst gestellten Ansprüchen,
nicht gerecht werden. Es gilt darzulegen, daß die Leiden, die der
Weltgemeinschaft auferlegt wurden, damit der Judenstaat zustande kommt,
umsonst waren. Es gilt darzulegen, daß zukünftige Opfer, die den Erhalt der
Juden und ihres Staates gelten, nicht von Nöten seien. Also gilt auch, daß
Bemühungen gegen aufkeimenden Antisemitismus keine Daseinsberechtigung
hätten. Juden sind doch genauso unfähig und verletztlich wie alle anderen.
Für sie sollten also auch keine Sonderrechte gelten. Juden, die nicht in
Israel leben, sollten wie normale Minderheiten ausgegrenzt werden dürfen.
Der Ruf nach einer Normalität würde also nichts anderes bewirken, als daß
Antisemitismus als "normalen" Fremdenhass zu bewerten sei, und gegen diesen
bräuchte man nicht anders vorzugehen, als eben gegen normalen Fremdenhass
auch, eigentlich gar nicht.